Study war no more – hoffentlich irgendwann

Im heimischen Plattenschrank gab es einige Single-Platten (gelbe Hülle, Fono-Ring) mit dem Titel Negro Spirituals – Das hieß damals so… Eine der Platten enthielt das Spiritual-Stück Study war no more. Eine immer noch hin- und mitreißende Idee, dass sich die Menschen nicht mehr die Köpfe einschlagen mögen. Nicht zuletzt inspiriert durch Bibelverse wie

Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. [Mi 4,3]

Seit dem 24.2.2022 sollte aber klar sein, dass ein voll entfalteter Aggressionskrieg gegen die Ukraine kein dezentes Wegschauen zulässt. Wer sich grundsätzlich über diesen Krieg, aber auch die Widerstandsbewegung im Iran #frau – leben – freiheit informieren möchte, ist beim Institute for the Study of War gut aufgehoben. Sorgfältig recherchierte Nachrichten und Bewertungen mit einem umfangreichen Anmerkungsapparat. Auch für diese Einrichtung sind Spenden sehr sinnvoll. Wer sich mit dem Englisch der Seiten schwer tut, installiert ein Übersetzungs-Plugin. Für Firefox leistet das hervorragende Dienste.

Ich vermute, dass ich Zeiten, in denen ein solches Institut nichts mehr zu berichten hat, nicht mehr erleben werde. Den Horizont, für kriegsarme oder sogar kriegslose Zeiten einzutreten, sollten wir nicht aufgeben.

Gleich um gleich gesellt sich gern

Als wäre es von irgendwelchen bösen Menschen bestellt, trafen sich auf Einladung des russischen Botschafters Egon Krenz (SED, kurzzeitig für den Exekutor der “chinesischen Lösung” gehandelt), Gerhard Schröder (immer noch SPD), Klaus Ernst (Linkspartei) und Alexander Gauland und Tino Chrupalla (AfD).*

Sollten alle fünf im Olymp der spitting images verewigt werden, ist meine Meinung. Und SPD? Immer noch keinen Anlass gefunden, Schröder aus einer Partei mit einer langen demokratischen Tradition rauszuschmeißen?

*Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/jahrestag-des-sieges-ueber-die-nazis-empfang-in-der-russischen-botschaft-li.346797

Acht-Brücken-Festival – Nachlese

Es war schön, in diesem Mai mal wieder Musik der unterschiedlichsten Formate im Rahmen des Acht-Brücken-Festivals zu genießen. Ein Gefühl, das sich bei mir einstellte: Der Mensch ist dem Menschen nicht mehr vornehmlich ein Virenübertrager. Neue, vorsichtige Unbekümmertheit…

Niklas Wendt am Regler

Neben dem fordernden Saunders-Konzert habe ich noch zum guten Schluss Niklas Wandts Erdtöne-Auftritt am 6.5. besucht. Schon merkwürdig, wenn ich mit meiner Wenigkeit beim Betreten des Festzeltes Nähe Philharmonie und Bischofsgarten den Altersdurchschnitt der Zuhörerschaft um mindestens 10 Jahre angehoben habe. Was wurde geboten? Eine Mischung aus elektronisch-vorgefertigten Sounds und Sequencern, akzentuiert mit akustischen Becken-Klängen und elektronischem Schlagwerk. Den Zuhörerinnen und mir hat’s gefallen, wie Shouts beim Wechsel unterschiedlicher Soundabschnitte verrieten. Anschließend trat Wendt noch als DJ in Erscheinung. (Hier ein kleines Soundbeispiel, das mir aber weniger gut gefällt als das am 6.5. Gebotene.)

Und als wirklichen Kehraus am 8.5. dann noch Tilar — Funk and Dance Night: offenbar ein Kölner Eigengewächs mit einem frischen Jazz, auf Bläsern und Gesang fußend. Für diese Füße und den Restkörper hieß der Imperativ: Beweg dich. Gerne mehr davon demnächst…

Belcanto – mein Arsch

Hörgewohnheiten bauen sich in der Lebenszeit auf. Bei mir in früher Zeit klassische Musik im heimischen Wohnzimmer, in der Schulzeit dann Pop, Rock und – Gipfel des „Avantgarde-Seins” – Jazz in den letzten Schuljahren des Gymnasiums. Heute dann alles eher eingedampft: Playlist-Stücke, die mich beim Schwimmen oder früher beim Autofahren unterhalten, und wo nach drei Tönen ist klar, was kommt und wie es endet. Musik im Bannkreis des erfolgskontrollierten Handelns, könnte man mit der Kritischen Theorie einwenden: Es geht um Stimmungen, die abgerufen werden sollen. Erkunden und neue Zusammenhänge herstellen? 0 Punkte.

Und doch möchte ich für den Mehrteil der von mir gehörten Musik beanspruchen, dass sie mir im Regelfall hinsichtlich Rhythmus oder Tonalität oder Leitmelodien oder Aufbau ein paar Brücken baut.

Wer sich auf Rebecca Saunders’ Myriad III einlässt, das ich gestern vor einer Woche in St. Peter / Kunststation erleben durfte, begibt sich definitiv in unbekanntes Gelände. Sie oder er bekommt eine Klanglandschaft völlig anderer Art geliefert: Hier geht es eher um Schwebungen oder Reibungen von Tonfolgen, die nichts Voraussehbares enthalten. Diese Art von Musik verlangt absolute Konzentration und ist (zumindest für mich) nur als Livemusik denkbar. In irgendeiner Art von Musikkonserve hätte ich Saunders’ Stück nach spätestens 2 Minuten den Saft abgedreht.

Live ergab sich aber trotzdem eine die Rezeption strukturierende Ordnung: Paarungen von Musikinstrumenten*, die im Fokus stehen, wechselnde Positionen, von denen aus die Musikerinnen und Musiker den Kirchenraum bespielen. Dann – gewissermassen als Intermezzi – Einsatz des Myriad-Spieldosenapparats: 2464 Spieldosen in einem Lichtschrank verpackt, die von den Musikerinnen und Musikern in Gang gesetzt, einen entspannenden Soundteppich knüpfen. Dieser Spieldosenschrank bildete dann auch den Schlusspunkt der Klanginstallation: Alle im Kirchenraum waren eingeladen, selbst die Spieluhren in Gang zu setzen. Ein aktivierender und auf-lösender Schlusspunkt.

Belcanto war hier nicht geboten, sollte aber auch keine geheime Norm für musikalisches Erleben sein.

Rainer Nonnenmann schrieb am 9.5.23 im KStA Saunders Werk allgemein charakterisierend: „Ihr [Saunders] geht es um die Gestaltung von Klängen, Farben, Dichte- und Bewegungsgraden. (…) Dieser Ästhetizismus ist bewunderswert und gleichzeitig defizitär, denn er ist weitgehend frei von historischen Tiefendimensionen (…). Man versinkt in den wahlweise sanften, harten oder schroffen Klängen. Doch sobald die Stücke verhallt sind, klingt nichts mehr davon nach.“ Vor allem der letzte Satz erscheint mir sehr wahr.

*ensemble mosaik: Simon Strasser | Oboe, Nathan Plante | Trompete, Chatschatur Kanajan | Violine, Sarah Saviet | Violine, Mathis Mayr | Violoncello, Niklas Seidl | Violoncello, Caleb Salgado | Kontrabass, Ernst Surberg | Klavier, Marco Blaauw | Trompete

Kardinalfehler Woelki #2

KHKT (Kölner Hochschule für Katholische Theologie)

Im September 2018 begann ich berufsbegleitend ein kleineres Theologiestudium, das sich „Theologische Zusatzqualifikation” nannte. Es startete an der Philosoph-Theologischen Hochschule in Sankt Augustin, die sich in den Händen der Steyler Missionare befand. Ich habe dort wie in Köln aufgeschlossene Dozentinnen und Dozenten gefunden, deren wissenschaftliche Qualifikation außer Frage stand. Diese Hochschule wurde zunächst dem Namen nach, später auch vom Ort her ab 2020 als Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) weitergeführt. Diese Hochschule befindet sich in den modernisierten Räumlichkeiten eines früheren erzbischöflichen Berufskollegs im Stadtteil Lindenthal.

Ausgerechnet Lindenthal, mag man denken. Wenn Kirche den „Stallgeruch” (Papst Franziskus) der Menschen annehmen sollte, müsste sie hier – metaphorisch gesprochen – Chanel N° 5 auftragen. Ein Unding für eine Kirche in der Nachfolge Jesu Christi! Auch soziologisch ist diese Entscheidung für Lindenthal anfechtbar: Hier verdienen 58 % der Menschen mehr als 3.600 € monatlich, weit mehr als sonstwo in der Mehrzahl der Stadtbezirke Kölns. Wie sollen Studentinnen und Studenten hier einen Blick für die Gegebenheiten und Nöte der Menschen erwerben? Statt „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!” (Mk 16,15) scheint für Herrn Woelki folgende Lesart vorzuherrschen „Geht in den Winkel und verkündet das Evangelium eurer Klientel”. Damit ist eine froh-machende, befreiende Botschaft um ihre wesentliche Eigenschaften beraubt.

Nicht nur der Ort ist fragwürdig: Ein existenzbedrohliches Problem für diese Hochschule ist ihre völlig ungeklärte finanzielle Basis: Woelki musste zur Finanzierung dieser Hochschule auf Sondervermögen zurückgreifen, das für diese Aufgaben gar nicht vorgesehen war. Dass Gremien wie der Haushaltsausschuss der Erzdiözese umgangen wurden, kann kaum verwundern. Jährlich werden aus dem Sondervermögen 3 Millionen € entnommen, vorgesehen waren in einer Anschubphase 1,2 Millionen Euro. Die Hoffnung auf Spender und Stiftungen, die hier hilfreich einspringen könnten, muss selbst ein Herr Woelki inzwischen aufgegeben haben. Dazu kommen diverse handwerkliche Fehler bei der Ausgestaltung von Arbeits- und Auflösungsverträgen, die das Budget der Hochschule weiter belasten. Nicht eingerechnet bei den Belastungen sind noch nicht einmal Rückstellungen für Pensionsberechtigungen.

Die fragwürdige institutionelle Aufhängung der KHKT neben einer etablierten und angesehenen theologischen Fakultät in Bonn* ist ein weiterer Punkt: Mit Recht legt der Staat, vertreten unter anderem durch die KMK fest, dass theologische Hochschulen sich der Interdiziplinarität einer größeren Hochschulumgebung stellen müssen. Das gilt gleichermaßen für die Ausbildung muslimischer wie christlicher Religionslehrer und Theologinnen und Theologen. Genauso muss der Staat gewährleisten, dass Studierende an der KHKT in den verschiedenen Studiengängen dort auch in Zukunft  ihren Abschluss machen können. Wenn die ganze Konstruktion wackelt, wird die staatliche Zusage für die Studierenden in dieser Hinsicht schwierig. Dann muss ggf. einer lehrenden Einrichtung wie der KHKT die Zulassung entzogen werden.

Was verspricht sich nun ein Herr Woelki von so einer Einrichtung? Priesterausbildung nimmt im Kirchenbild von Herrn Woelki die zentrale Rolle ein. Dass in ganz Deutschland im Jahre 2021 nur 62 Priester geweiht wurden, ist noch nicht richtig zum Erzbischof durchgedrungen. Um so mehr müssen die wenigen Priesteramtskandidaten – das darf man als Idee unterstellen – auf das rückwärtsgewandte Theologie- und Kirchenverständnis dieses Mannes eingeschworen werden. Woelki hat deswegen die Priesterausbildung an der KHKT zum „zentralen Anliegen” der Pastoral aufgewertet.

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Woke me up before I gogo

In der Penetranz den Zeugen Jehovas oder irgendwelchen ML-Splittergruppen der 70er Jahre nicht unähnlich, bekommen wir Heutigen das Schlagwort wokeness um die Ohren gehauen. Worum geht’s? Im Zeichen einer Identitätspolitik, die bestimmte Merkmale als Eigentum einer Gruppe definiert, werden mit einer Pose des Rechthabens und der Kontrolle Regulierungen der öffentlichen Präsenz eingefordert. Das Stichwort ist cancel culture und die gibt es wirklich. Die Cornrow-Frisur steht demnach nur Schwarzen zu. Filmrollen sind danach zu vergeben,  dass die Rolle in jedem Fall auch von einem entsprechenden Repräsentanten / einer Repräsentantin dieser Gruppe gespielt werden darf. Auch die bislang zum Kanon gehörende Literatur der Vergangenheit wird kritisch gesichtet: Darf ich meiner Enkelin demnächst noch Jim Knopf und Lukas der Lokomitivführer vorlesen, oder steht auch dieses Buch schon unter einem Verdikt? Der Tagesspiegel erwähnt heute, dass Uwe Johnson mit den „Jahrestagen“ und Wolfgang Koeppen mit „Tauben im Gras“ das N-Wort verwenden. Auch bei Böll, Bachmann, Dieter Forte und Hans Erich Nossack wird Kritikwürdiges vermutet. Bei Mark Twain in Tom Sawyer und Huckleberry Finn heißt es noch eine Spur schärfer Nigger. Ja, heute sollten wir diese Wörter nicht mehr in den Mund nehmen, weil sie in aller Regel herabsetzend gemeint sind.* Wir werden aber die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte oder Jahrzehnte nicht nachträglich rein waschen können. Wenn ich Verleger eines dieser Bücher wäre, würde ich einen kleinen Zettel beilegen, der den Unterschied von heutiger und vergangener Verwendung bestimmter Begriffe herausstellt.

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Sonos- und Synology-System fehlerfrei verbinden

Beim Neueinrichten eines Sonos-Systems (für weniger mit Technik Vertraute: ein Musiksystem, das nicht nur Internet-Radio auf elegante Art zugänglich macht, sondern das ebenso ein digitalisiertes CD-Archiv gut einbindet) bin ich über einen Fehler gestolpert, an dessen Behebung ich einige Stunden Lebenszeit völlig sinnfrei verloren habe. Deswegen hier mein Hinweis zum Sonos-Systemfehler 900 (SONOS Fehler 900 oder Zugang verweigert). Dieser Fehler tritt reproduzierbar auf, wenn eine Musik-Bibliothek – in meinem Fall eine auf einem Synology ds217-System – mit ihrem Pfadnamen in eine Sonos-App eingebunden werden soll.

Die Lösung: Sonos setzt hier offenbar auf ein älteres (veraltetes?) Protokoll SMB1*. Wenn dies in der Systemsteuerung > Dateidienste > Erweiterte Einstellungen nicht wie im Screenshot eingestellt ist, wird das nichts mit dem Einbinden der Musik-Bibliothek. (Ich weiß übrigens nicht, ob sich das nur auf Synology-Systeme bezieht, oder ob auch andere NAS-Systeme betroffen sind.)

Mögt ihr ohne viel Suchen zu diesem Hinweis gelangen und nicht unnütz Zeit verlieren.

*SMB steht übrigens für Server-Message-Block-Protokoll.

Kardinalfehler Woelki #1

Ein wichtiger Begriff ist für mich in den letzten Jahren Wertschätzung geworden. Er ist deutlich von Begriffen, die zu einem Bullshit Bingo einladen, abzusetzen. Der Begriff bedeutet für mich, zunächst mal jedem Menschen einen Wert zuzumessen und dementsprechend mit ihm oder ihr umzugehen. Wenn ich hier diesem Wert ausnahmsweise mal nicht entspreche, dann deswegen, weil Herr Woelki ihn in seiner öffentlichen Funktion nach meiner Wahrnehmung selbst kaum beherzigt und weil der von ihm verursachte Schaden so immens ist. Der Privatperson Woelki gilt, wie uns allen anderen auch, dass sie die besondere Form der Wertschätzung durch Gott genießt, unüberbietbar geliebt zu sein.
Bischofsamt

Die Gemeinden der Urkirche haben die Leitungsfunktionen, die sich in einer dynamisch vergrößernden Organisation als nötig erwiesen, in das Bild des „Hirten” gekleidet. Dies war ein Reflex auf die agrarische Grundlage ihrer Gesellschaft. Ein Hirt ist jemand, wie vor allem im Johannes-Evangelium ausbuchstabiert wird, der den Schafen (in diesem Bild also den Gläubigen) nachgeht und jede Sorge auf sie verwendet. (Joh 10,14-16). Auch bei Jeremia, Jesaja, Hesekiel, in den Psalmen bei Matthäus und Markus wird von Hirten im Sinne dieser Leitungs- und Fürsorgefunktion gesprochen. Man sollte also annehmen, wenn Bischöfe sich in der Tradition dieser Hirten sehen (vgl. den Bischofsstab), dass sie diesem Leitbild gerecht zu werden versuchen.

Wie anders ein Woelki: Es ist ihm nicht nur offenbar egal, dass Tausende im Kölner Bistum der Kirche den Rücken kehren. Ich gewinne mehr und mehr den Eindruck, dass er mit einem gewissen Vorsatz die katholische Kirche im Rheinland gegen die Wand fahren will.

Er hat zusätzlich bei dem Versuch (übrigens auch von einigen Bischöfen unterstützt) unter dem Titel „Synodaler Weg” neue Wege zu beschreiten, ein grobes Foulspiel begangen. Er hat zusammen mit 4 weiteren deutschen Bischöfen scheinheilig in Rom nachfragen lassen: „Muss ich am »Synodalen Ausschuss« teilnehmen? Darf ich daran teilnehmen?” (KStA 23.1.23) Der »Synodale Ausschuss« ist als Vorstufe zu einem Synodalen Rat gedacht. Woelki hat damit mit nicht überbietbarer Deutlichkeit klar gemacht, dass ihm jeder Ansatz, Kirchenleitung neu zu denken, zutiefst zuwider ist. Er hat sich dabei mit dieser Schein-Anfrage im Vatikan zum Spiel über Bande entschlossen. Von einem solchen „Hirten” braucht katholische Kirche also keine Impulse zu erwarten, wie ein Paradigmenwechsel zu einer Kirche erfolgen soll, in der nur vereinzelt Priester (hoffentlich sehr bald Diakoninnen), im wesentlichen aber Getaufte und Gefirmte das Gros der Weitergabe der Frohen Botschaft übernehmen müssen. 

Alleine aus diesem Grund sollten Sie jetzt endlich zurücktreten, Herr Kardinal. Wenn selbst Schützenbrüder, Karnevalsgesellschaften oder Pfarrgemeinden (jüngst im Westerwald) den Rückzug antreten, sobald Sie auf der Bildfläche erscheinen, ist nichts mehr zu reparieren.

Ceterum censeo Woelkium esse retractandum…*

*Im übrigen meine ich, dass Woelki zurücktreten muss.(lat.)

Unabhängige Nachrichtenquellen der Region im Ukraine-Krieg

Meduza.ioMeduza
Novaya Gazeta EuropeNovaya Gazeta
Russians Against the Warthe voice of russia
Kyiv IndependentKyiv Independent

bbc, New York Times, dw, tagesspiegel – schön und gut. Nachrichtenportale, die noch näher dran sind, können aber ebenfalls wichtige Informationen beitragen. Dazu zählen auch Portale, die früher in Russland ansässig waren, sofern sie nicht zur Hirnwäsche beitragen. Diese Medien können ihre Ausgaben in der Regel nicht über den Zeitungsabsatz decken. Sie sind auf Spenden angewiesen.

Du sollst dir kein Bildnis machen. Erfahrungen bei der Bahnhofsmission

Anna

Vor der Tür der Bahnhofsmission steht Anna (nennen wir sie so). Sie ist dort bereits vor deren Öffnung. Sie hat in jeder Hinsicht viel zu tragen: Sie schleppt verschiedene größere Einkaufstaschen mit ihren Habseligkeiten mit sich. Ihre Kleidung ist zusammengesucht und was dringend fehlt, ist ein Gürtel, der die Hose auf der Höhe hält. Nachdem sie einen Kaffee getrunken hat, machen wir uns zu dritt auf zu Gulliver*. Die haben tatsächlich einen Bademantelgürtel, damit ihr die Hose nicht runterrutscht. Check. Auf dem Rückweg reden wir über alles Mögliche: Sie habe Personalverantwortung getragen und Nächstenliebe im christlichen Sinne schließe die Liebe zu sich selbst ein. Da hat sie verdammt Recht. Zurück in der Bahnhofsmission teilt sie mit, dass sie in eine Psychiatrie eingewiesen werden möchte. Da sie in einer benachbarten Stadt noch gemeldet ist und dort erst vor kurzem eine Psychiatrie verlassen hat, ist die Bitte etwas komplizierter zu erfüllen. Mit etwas Geduld gelingt es mir, in der Alteburger Straße ein Aufnahme-Krisengespräch auszumachen. Anna hat aber andere Vorstellungen: Sie will ins Alexianer-Krankenhaus nach Porz, wo der bekannte Manfred Lütz mal die Leitung inne hatte. Dass das nun nicht mehr der Fall ist, stört Anna nicht. Sie beharrt auf dem Alexianer-Krankenhaus. Also Fahrweg und passende KVB-Linien ermitteln und einen Teil vom Stadtplan ausdrucken. Nach mehreren Stunden ist es dann soweit, Anna kann die Bahnhofsmission in Begleitung bis zur KVB verlassen. Noch oft frage ich mich, wie es ihr jetzt gehen mag…

Der Mann mit Wollmütze, Kopfhörer und Sonnenbrille

Und da ist der Mann, der mit Wollmütze, Sonnenbrille und Kopfhörern über den Ohren die Bahnhofsmission betritt. Er ist – schwer zu sagen – zwischen 35 und 45 Jahre alt. Nachdem er einen Kaffee bekommen hat, installiert er sich an einem Ecktisch im Winkel. Nach einiger Zeit holt er sein Smartphone raus und beginnt ein scheinbar angeregtes Gespräch. Es geht um Gerichtsprozesse, einen Anwalt, der konsultiert werden soll, um gemeinsame Freunde, einen Psychiatrieaufenthalt im Ausland, wo ihm körperliche Gewalt angetan wurde und vieles mehr. Irgendwann wird eine „Oma” angesprochen. Das Gespräch zieht sich länger als eine halbe Stunde hin und K. bittet den Mann irgendwann, etwas leiser zu sprechen. R. und ich sind uns einig, dieses Gespräch – es ist nur der Startbildschirm des Handys zu sehen – ist fiktiv. Hier kleidet einer sein Missvergnügen an und mit der Welt, vielleicht auch eine allgemeine Anklage in diese merkwürdige Form. Der Mann nimmt keinen Blickkontakt zu Raum und anderen Menschen hier auf. Ich entscheide mich, ihn nicht anzusprechen. Die Bahnhofsmission scheint dem Mann aber gut getan zu haben. Ich bin völlig überrascht, dass er sich nach über einer Stunde freundlich verabschiedet.

Einsicht

Gott, hilf mir, der Versuchung zu widerstehen, den mir hier zeitlich befristet Anvertrauten meine beschränkten Bilder von ihnen und vielleicht ins Kraut schießenden Rettungsideen überzustülpen. Es reicht, einfach hier zu sein, Kaffee oder Tee, wenn’s gut geht, ein kleines Gespräch anzubieten. Für das große Ganze kann ich hier kaum Verantwortung übernehmen und vertraue es dir an. Amen

*Gulliver – Überlebensstation für Obdachlose und Wohnungslose in Köln, Trankgasse 20
Dieser Text wurde von mir bei der Langen Nacht der Kirchen am 10.3.2023 in der Bahnhofsmission Köln verwendet