Phantasten unterwegs – Warum Ostermärsche Putins Spiel betreiben

Zunächst eine persönliche Bemerkung: Ich bin selbst in den siebziger und achtziger Jahren einige Male Teilnehmer der Ostermärsche gewesen. Die Bedrohung einschließlich eines möglichen Atomschlags für beide sich gegenüber stehenden Lager im Westen und im Osten erschien mir damals nur durch einen Gewaltverzicht erreichbar.

30 Jahre später und von einigen naiven Weltsichten geheilt, erscheint mir das, was die gegenwärtige Ostermarschbewegung vorlegt, schon als hirnverbrannt. Eine militärische Selbstaufgabe, auf die ein Verzicht von Waffenlieferungen an die Ukraine hinausliefe, ist nur für Phantasten (m/w/d) ein gangbarer Weg. Ich würde mir wirklich wünschen, dass Menschen mit dieser Forderung mal 14 Tage in die Ukraine fahren, um das dortige Leid hautnah mitzubekommen. Ich denke, der Mehrteil dieser Menschen käme geläutert zurück.

Ja, irgendwann muss auch verhandelt werden. Dies kann aber ohne Selbstaufgabe für die Ukraine nur dann passieren, wenn sie nicht aus einer Position der absoluten Unterlegenheit in solche Gespräche gehen muss. Minsk 1 und 2 lassen grüßen. Um das nicht im Jahr X geschehen zu lassen, sollten jetzt Taurus-Marschflugkörper und Granaten im Standardformat in solcher Zahl geliefert werden, dass selbst für einen Putin die Kosten des Dauerkriegs zu hoch werden. Denn eine wehrhafte Ukraine, die bei einem möglichen zukünftigen Waffenstillstand auch auf bewaffnete Garantiemächte im Land zurückgreifen muss, fällt nicht vom Himmel.

Schaltet euer Gehirn ein, liebe Ostermarschierer und -marschiererinnen. Handelt solidarisch (das ist doch hoffentlich eurer Anspruch)!

Briefe an Herrn Mützenich

Brief #1 vom 25.2.24

Sehr geehrter Herr Mützenich,

Sie sind mein Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Ich habe einige Fragen / Anregungen zu Ihrer Position und der der SPD zu dem seit 2 Jahren andauernden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine:

• Welche Maßnahmen gedenken Sie und Ihre Partei dazu zu unternehmen, die zugesagte Artilleriemunition im Standardformat 155 mm in den zugesagten Mengen an die Ukraine zu leisten? Der Ukraine steht das Wasser — wie wir alle wissen — bis zum Hals. Weitere Eroberungen durch Russland werden den Widerstandswillen der Ukrainerinnen und Ukrainer mit Sicherheit nicht fördern.

• Welche Maßnahmen gedenken Sie und Ihre Partei dazu zu unternehmen, die Ausfuhr von kriegswichtigen Gütern an Russland über Drittstaaten zu unterbinden? Es dürfte nicht so schwierig sein, empfindliche Vertragsstrafen vorzusehen, wenn Empfänger in Drittstaaten Mikrochips oder andere Bauteile für den Flugzeug- und Fahrzeugbau an Russland verschieben. Wirtschaftliche Exportzahlen müssen hinter Loyalitätsverpflichtungen gegenüber der Ukraine zurückstehen.

• Welche Maßnahmen gedenken Sie und Ihre Partei dazu zu unternehmen, die Ausfuhr an russischem verbilligtem Rohöl oder Gas an Staaten wie Indien und andere Staaten zu beantworten und auf diese Weise die Ausfuhrerlöse Russlands zu vermindern? 

• Welche Maßnahmen gedenken Sie und Ihre Partei dazu zu unternehmen, die Ausfuhr „weit reichende(r) Waffensysteme“ (Drucksache 20/10375) mit der gebotenen Geschwindigkeit auf den Weg zu bringen? Wieso sperrt sich die SPD dagegen, auch Taurus-Systeme an die Ukraine zu liefern, die z.B. die Brücke von Kertsch als wichtige Landverbindung für russischen Nachschub zuverlässig zerstören könnte? Die Krim ist nach wie vor widerrechtlich besetzt und ukrainisches Staatsgebiet, keineswegs russisches.

• Welche Maßnahmen gedenken Sie und Ihre Partei dazu zu unternehmen, die Informationsmöglichkeiten der russischen Zivilgesellschaft zu fördern? An dieser Stelle wäre sicher besonders viel Phantasie gefragt, um über Nachrichtenportale wie Meduza.io, Novaya Gazeta Europe oder Russians Against the War und Sender wie Radio Free Europe/Radio Liberty, Förderung von VPN-Netzwerken etc. Russinnen und Russen in die Lage zu versetzen, vom tatsächlichen Geschehen in ihrem Land und in der Ukraine Kenntnis zu nehmen.

Ich würde mich freuen, wenn Sie angesichts der Dringlichkeit, den dieser menschenvernichtende Krieg darstellt, recht bald auf meine Fragen antworten würden. Der Ukraine nur gerade die Hilfe angedeihen zu lassen, die sie nicht sofort dem Vernichtungswillen Russlands unterwerfen würde, reicht erkennbar nicht. Ihre Partei ist dem Prinzip der Solidarität verpflichtet.

Mit freundlichen Grüßen

Georg Jünger

 

Briefe an Herrn Mützenich weiterlesen

Herr Scholz lügt sich seine Ukraine-Welt zurecht

Ein Argument, das Bundeskanzler Scholz vorschob in Sachen Taurus-Lieferung, war, dass deutsche Soldaten in die Ukraine entsendet werden müssten, um die Taurus-Programmierung vorzunehmen. Er verwies dabei auf die angebliche Praxis von englischen und französischen Soldaten, für die Storm-Shadow- und SCALP-Marschflugkörper vor Ort in der Ukraine die Zielprogrammierung vorzunehmen.

Von einer solchen Praxis kann aber keine Rede sein, wie die obige Meldung der FAZ vom heutigen Tag (29.2.24) zeigt. Wahrscheinlich wird aber Herr Scholz erst eine russische Bedrohung registrieren, wenn deren Truppen sich Hamburg Billstedt nähern. Dies ist keineswegs abwegig, wenn man die neue Kriegsrhetorik aus Russland zur Kenntnis nimmt. Transnistrien – westlich der Ukraine am Rand des bedrohten Moldaviens gelegen – fordert Moskau zu einem wie immer gearteten „Schutz” (FAZ, 29.2.24) auf. In die gleiche Richtung geht die Rhetorik Russlands gegenüber den baltischen Staaten, die immer wieder den Begriff Genozid an Russen bemüht. Genau das war das Narrativ, mit dem mit offener russischer Militärmacht die Abspaltung von Gebieten in Donezk und Luhansk von der Ukraine betrieben wurde.

Auch wenn die obige Überschrift hart erscheint, muss man sie leider wohl so hart formulieren. Die Karnevalswagen im Rheinland sprachen von Hohlav Scholz.

Scholz stiehlt sich aus der Verantwortung

Bundeskanzler Scholz – Kernkompetenz Griemeln – sieht aktuell keine Veranlassung, Taurus-Flugkörper an die Ukraine zu liefern. Das wesentliche Ziel dieser Flugkörper wäre es vermutlich, die widerrechtlich errichtete Kertsch-Brücke zur Krim zu zerstören. Alle wissen, dass über sie ein wesentlicher Teil des Nachschubs für die russischen Angreifertruppen in der Ukraine abgewickelt wird. Diese zu zerstören, wäre deswegen ein geeignetes Instrument, um eine gewisse Nachdenklichkeit in Moskau zu befördern. Taurus-Flugkörper wären technisch für eine solche Operation erste Wahl.

In der gleichen Zeit, in der Herr Scholz laviert, hat Moskau einen großen Teil der Schurkenstaaten hinter sich versammeln und erhält u.a. Artilleriemunition aus Nord-Korea, Kamikaze-Drohnen aus dem Iran, Kämpfer aus Kuba, Schlächter aus Tschechenien…

Es ist erfreulich, dass nicht alle in der Rot-Grün-Gelb-Koalition so verpeilt sind, diesen Zusammenhang nicht zu sehen. Dank an Anton Hofreiter (Grüne), Michael Roth (SPD) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) für ihr Eintreten dafür, dass sich die Ukraine wirkungsvoll verteidigen kann. Wenn Politikerinnen und Politiker wie sie aber nicht bald genug Scholz wirkungsvoll vor das Schienenbein treten, wird die Ukraine mit ihrem Kampf gegen Tyrannei und potentielle Besetzung noch weiter ins Hintertreffen geraten.

Scholz, aufwachen!

Adieu Deutschlandfunk

Das Schema der unterschiedlichen Sendungen des DLFs war über Jahrzehnte meine Begleitung über den Tag. Dazu fallen mir ein „Tag für Tag”, „Die internationale Presseschau”, „Forschung aktuell“, „Sonntagsspaziergang” und manche anderen Sendungen. Schon in der Corona-Zeit hatte mich ein gewisser Verdruss befallen, die in der Regel bedrückenden Nachrichten mit der immer gleichen Art der Moderation hinzunehmen. Oft war dann bei Haushaltsarbeiten Musik aus dem Plattenschrank oder von der Festplatte vorzuziehen.

Was mir entgültig die Schuhe ausgezogen hat, war eine im DLF kommmentarlos weitergegebene Hörermeldung eines Herrn Fischer aus Bremen. In dieser hatte er allen Ernstes als Idee, den Ukraine-Krieg zu beenden, geäußert: „Indem man Selenskyj und seine Verbrecherbande, seine Völkermörderbande, festnimmt, ihn lebendig vierteilt und enthauptet.“

Das quasi als O-Ton DLF gesendet zu haben, streicht den DLF für mich zumindest für die nächsten Monate und Jahre aus dem Kreis ernstzunehmender Medien. Da bediene ich mich lieber bei BBC, CNN und Printmedien wie Süddeutscher und FAZ.

Ich hoffe, dass zumindest die verantwortliche Redakteurin / der verantwortliche Redakteur in die Wüste gejagt wurden.

Ein infames russisches Propaganda-Filmchen

Mit einem gewissen Geschick und realisiert durch russische Schauspieler und Schauspielerinnen* appelliert dieser Film an eine, wenn nicht die große Sorge vieler Deutscher: Die Angst um das eigene Portemonnaie. Sicher gibt es im rot-braunen Brei von AfD und Links-Partei nicht wenige Leute, bei denen dieser Film verfängt. Übrigens der Sumpf, in dem Frau Russenknecht im Trüben fischen möchte.

Alle anderen wissen hingegen: Bewahrung von Freiheit und Verteidigung der Unverletzlichkeit von Grenzen im Nachkriegseuropa gibt es eben nicht zum Null-Tarif. Das ist schon alles…

Sich auf inhaltlicher Ebene mit diesem Film zu beschäftigen (blonde Deutsche, eine blonde deutsche Offizierin…) tut diesem Film zu viel Ehre an. Eine Sache ist allerdings infam: Selensky, mit jüdischem Hintergrund, wird mit dem Titel Heil Selensky ausgerechnet mit dem Mann in einen Topf geworfen, der für den millionenfachen Mord an Juden hauptverantwortlich ist. Was soll aber aber auch anderes als Infamie von staatlichen russischen Stellen erwarten…

*Die Süddeutsche und die NZZ berichteten.

Study war no more – hoffentlich irgendwann

Im heimischen Plattenschrank gab es einige Single-Platten (gelbe Hülle, Fono-Ring) mit dem Titel Negro Spirituals – Das hieß damals so… Eine der Platten enthielt das Spiritual-Stück Study war no more. Eine immer noch hin- und mitreißende Idee, dass sich die Menschen nicht mehr die Köpfe einschlagen mögen. Nicht zuletzt inspiriert durch Bibelverse wie

Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. [Mi 4,3]

Seit dem 24.2.2022 sollte aber klar sein, dass ein voll entfalteter Aggressionskrieg gegen die Ukraine kein dezentes Wegschauen zulässt. Wer sich grundsätzlich über diesen Krieg, aber auch die Widerstandsbewegung im Iran #frau – leben – freiheit informieren möchte, ist beim Institute for the Study of War gut aufgehoben. Sorgfältig recherchierte Nachrichten und Bewertungen mit einem umfangreichen Anmerkungsapparat. Auch für diese Einrichtung sind Spenden sehr sinnvoll. Wer sich mit dem Englisch der Seiten schwer tut, installiert ein Übersetzungs-Plugin. Für Firefox leistet das hervorragende Dienste.

Ich vermute, dass ich Zeiten, in denen ein solches Institut nichts mehr zu berichten hat, nicht mehr erleben werde. Den Horizont, für kriegsarme oder sogar kriegslose Zeiten einzutreten, sollten wir nicht aufgeben.

Gleich um gleich gesellt sich gern

Als wäre es von irgendwelchen bösen Menschen bestellt, trafen sich auf Einladung des russischen Botschafters Egon Krenz (SED, kurzzeitig für den Exekutor der “chinesischen Lösung” gehandelt), Gerhard Schröder (immer noch SPD), Klaus Ernst (Linkspartei) und Alexander Gauland und Tino Chrupalla (AfD).*

Sollten alle fünf im Olymp der spitting images verewigt werden, ist meine Meinung. Und SPD? Immer noch keinen Anlass gefunden, Schröder aus einer Partei mit einer langen demokratischen Tradition rauszuschmeißen?

*Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/jahrestag-des-sieges-ueber-die-nazis-empfang-in-der-russischen-botschaft-li.346797

Unabhängige Nachrichtenquellen der Region im Ukraine-Krieg

Meduza.ioMeduza
Novaya Gazeta EuropeNovaya Gazeta
Russians Against the Warthe voice of russia
Kyiv IndependentKyiv Independent

bbc, New York Times, dw, tagesspiegel – schön und gut. Nachrichtenportale, die noch näher dran sind, können aber ebenfalls wichtige Informationen beitragen. Dazu zählen auch Portale, die früher in Russland ansässig waren, sofern sie nicht zur Hirnwäsche beitragen. Diese Medien können ihre Ausgaben in der Regel nicht über den Zeitungsabsatz decken. Sie sind auf Spenden angewiesen.

Stimmung ist „bombig” bei Frau Schwarzer*

…und Danke, dass Sie aus Ihrem Herzen keine Mördergrube gemacht haben. Ukrainerinnen und Ukrainer werden an Sie denken…

*so Frau Schwarzer in einer Befragung durch Fabian Laasch: „Alice #Schwarzer zu Fabian #Ko…“ – Mastodon.green am 25.2.23