Ein infames russisches Propaganda-Filmchen

Mit einem gewissen Geschick und realisiert durch russische Schauspieler und Schauspielerinnen* appelliert dieser Film an eine, wenn nicht die große Sorge vieler Deutscher: Die Angst um das eigene Portemonnaie. Sicher gibt es im rot-braunen Brei von AfD und Links-Partei nicht wenige Leute, bei denen dieser Film verfängt. Übrigens der Sumpf, in dem Frau Russenknecht im Trüben fischen möchte.

Alle anderen wissen hingegen: Bewahrung von Freiheit und Verteidigung der Unverletzlichkeit von Grenzen im Nachkriegseuropa gibt es eben nicht zum Null-Tarif. Das ist schon alles…

Sich auf inhaltlicher Ebene mit diesem Film zu beschäftigen (blonde Deutsche, eine blonde deutsche Offizierin…) tut diesem Film zu viel Ehre an. Eine Sache ist allerdings infam: Selensky, mit jüdischem Hintergrund, wird mit dem Titel Heil Selensky ausgerechnet mit dem Mann in einen Topf geworfen, der für den millionenfachen Mord an Juden hauptverantwortlich ist. Was soll aber aber auch anderes als Infamie von staatlichen russischen Stellen erwarten…

*Die Süddeutsche und die NZZ berichteten.

Unabhängige Nachrichtenquellen der Region im Ukraine-Krieg

Meduza.ioMeduza
Novaya Gazeta EuropeNovaya Gazeta
Russians Against the Warthe voice of russia
Kyiv IndependentKyiv Independent

bbc, New York Times, dw, tagesspiegel – schön und gut. Nachrichtenportale, die noch näher dran sind, können aber ebenfalls wichtige Informationen beitragen. Dazu zählen auch Portale, die früher in Russland ansässig waren, sofern sie nicht zur Hirnwäsche beitragen. Diese Medien können ihre Ausgaben in der Regel nicht über den Zeitungsabsatz decken. Sie sind auf Spenden angewiesen.

ein scheißstaat ist ein scheißstaat ist ein scheißstaat*

Noch im Ohr, wie Putin in seiner Rede vom 30.9.2022 allen Ernstes diesen Satz aussprach? «Unsere Werte sind Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Mitleid.« Diese hehren Begriffe standen nicht allein. In Putins Rede kamen auch diese Hochwertbegriffe vor: „Kultur” (8 Nennungen), „Freiheit” oder „frei” (insgesamt 28), „Recht” (24), „Wert” (6) und „Zivilisation” (2). Selbstverständlich alles für Russland reklamiert. Evangelischer Kirchentag? Weit gefehlt, Putin in der Feier der widerrechtlichen und verbrecherischen Aneignung von vier Gebietschaften der Ukraine. Messen wir Herrn Putin nun doch mal an solchen Standards von Zivilisation und Kultur! Neben Versorgung mit Nahrungsmitteln steht eine weitere elementare Leistung eines Gemeinwesens auf dem Prüfstand: Kann ein Staat die Stoffwechselendprodukte, vulgo „Scheiße”, auf angemessene Weise behandeln…

Nun – zusammengefasst – ergibt sich für Russland ein verdammt trübes Bild: Selbst laut des russischen (!) Staatlichem Statistikamts Rosstat verfügten 2018 mehr als 20 Prozent der russischen Haushalte über keinen Zugang zur zentralen Kanalisation. Water Aid, eine überstaatliche weltweite Organisation, befand, dass in vielen Städten immer noch „free defecation” praktiziert wird. Prost Mahlzeit, sage ich da nur. Auf dem Land stellt sich das Problem noch gravierender dar: Für 65,5 Prozent der Bewohner gibt es nur Sickergruben, 18 Prozent besitzen gar keine Toiletten oder Aborte. Zu solchen Zuständen passt ein gängiger Witz vom „Sibirischen Wanderklo“, das aus zwei Stöcken besteht.

Ist es unter diesen Umständen nicht geradezu tollkühn, Herr Putin, dermaßen vollmundig Kultur für sich in Anspruch zu nehmen? Lassen Sie es gut sein mit der „Spezialoperation”, Vladimirovitsch! Konzentrieren Sie sich lieber darauf, ein Abwassersystem auf der Höhe der Neuzeit in Ihrem Land flächendeckend zu etablieren. Die Hardware ist ja vorhanden, wie das Anlegen großer Systeme von Befestigungsgräben im Gebiet von Donezk zeigt. Also statt Befestigungsgräben lieber Gräben für eine Kanalisation in jedem Dorf und in jeder Stadt ziehen.

Konversion ist möglich, Herr Putin!

Wäre das keine wirklich menschenfreundliche Alternative? Das würde sich auch bei allen Russinnen und Russen bezahlt machen, die schon jahrzehntelang in vollgepissten Komunnalka-Klos ihr Geschäft verrichten mussten.

*frei nach Gertrude Stein