Briefe an Herrn Mützenich

Brief #1 vom 25.2.24

Sehr geehrter Herr Mützenich,

Sie sind mein Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Ich habe einige Fragen / Anregungen zu Ihrer Position und der der SPD zu dem seit 2 Jahren andauernden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine:

• Welche Maßnahmen gedenken Sie und Ihre Partei dazu zu unternehmen, die zugesagte Artilleriemunition im Standardformat 155 mm in den zugesagten Mengen an die Ukraine zu leisten? Der Ukraine steht das Wasser — wie wir alle wissen — bis zum Hals. Weitere Eroberungen durch Russland werden den Widerstandswillen der Ukrainerinnen und Ukrainer mit Sicherheit nicht fördern.

• Welche Maßnahmen gedenken Sie und Ihre Partei dazu zu unternehmen, die Ausfuhr von kriegswichtigen Gütern an Russland über Drittstaaten zu unterbinden? Es dürfte nicht so schwierig sein, empfindliche Vertragsstrafen vorzusehen, wenn Empfänger in Drittstaaten Mikrochips oder andere Bauteile für den Flugzeug- und Fahrzeugbau an Russland verschieben. Wirtschaftliche Exportzahlen müssen hinter Loyalitätsverpflichtungen gegenüber der Ukraine zurückstehen.

• Welche Maßnahmen gedenken Sie und Ihre Partei dazu zu unternehmen, die Ausfuhr an russischem verbilligtem Rohöl oder Gas an Staaten wie Indien und andere Staaten zu beantworten und auf diese Weise die Ausfuhrerlöse Russlands zu vermindern? 

• Welche Maßnahmen gedenken Sie und Ihre Partei dazu zu unternehmen, die Ausfuhr „weit reichende(r) Waffensysteme“ (Drucksache 20/10375) mit der gebotenen Geschwindigkeit auf den Weg zu bringen? Wieso sperrt sich die SPD dagegen, auch Taurus-Systeme an die Ukraine zu liefern, die z.B. die Brücke von Kertsch als wichtige Landverbindung für russischen Nachschub zuverlässig zerstören könnte? Die Krim ist nach wie vor widerrechtlich besetzt und ukrainisches Staatsgebiet, keineswegs russisches.

• Welche Maßnahmen gedenken Sie und Ihre Partei dazu zu unternehmen, die Informationsmöglichkeiten der russischen Zivilgesellschaft zu fördern? An dieser Stelle wäre sicher besonders viel Phantasie gefragt, um über Nachrichtenportale wie Meduza.io, Novaya Gazeta Europe oder Russians Against the War und Sender wie Radio Free Europe/Radio Liberty, Förderung von VPN-Netzwerken etc. Russinnen und Russen in die Lage zu versetzen, vom tatsächlichen Geschehen in ihrem Land und in der Ukraine Kenntnis zu nehmen.

Ich würde mich freuen, wenn Sie angesichts der Dringlichkeit, den dieser menschenvernichtende Krieg darstellt, recht bald auf meine Fragen antworten würden. Der Ukraine nur gerade die Hilfe angedeihen zu lassen, die sie nicht sofort dem Vernichtungswillen Russlands unterwerfen würde, reicht erkennbar nicht. Ihre Partei ist dem Prinzip der Solidarität verpflichtet.

Mit freundlichen Grüßen

Georg Jünger

 

[in der Antwort von Herrn Mützenich fand ich diesen Kernsatz, der mehr oder weniger sagt „Wir machen und tun ja schon“]


Ich kann Ihnen versichern, dass die deutsche Bundesregierung, der deutsche Bundeskanzler und Verteidigungsminister ihre Entscheidungen vor diesem Hintergrund entsprechend abwägen und mit aller Last der Verantwortung treffen. Am 16. Februar 2024 haben Bundeskanzler Olaf Scholz und Präsident Selensky eine Vereinbarung unterzeichnet, mit der wir der Ukraine dauerhafte Sicherheitszusagen machen

Brief #2 vom 15.3.24

Sehr geehrter Herr Mützenich,

Danke für Ihre Antwort, alleine muss ich feststellen, dass Sie auf die Fragen und Anregungen nur in sehr allgemeiner Form eingehen. In meiner Schulzeit nannte man das “Thema verfehlt”.

Sie schreiben:

“Das zeigt: Unsere Unterstützung ist breit und umfangreich, vor allem aber ist sie langfristig angelegt. ”

Sind Sie sich sicher, dass die “langfristige” Unterstützung, die Sie sich zuschreiben, überhaupt noch ein Land vorfindet, in dem Sie geleistet werden kann? Trotz der hohen russischen Verluste (~ 1000 Personen / Tag) lässt Putin nicht nach, seine verbrecherischen Kriegsziele auch auf Kosten seiner eigenen Bevölkerung zu verfolgen. Der Bestand der Ukraine ist schon in diesem Jahr akut gefährdet. Jeder, der die Berichterstattung sorgfältig verfolgt, wird um diese Einschätzung nicht herumkommen.

Ihre Rede gestern im Bundestag sprach davon, den Konflikt “einfrieren” zu wollen. Wenn es tatsächlich dazu kommen soll, dass Putin sich auf irgendeine Form von Verhandlungen einlässt, muss er selbst um den Bestand seiner Macht in Sorge sein. Dazu könnte gehören, dass die Nachschubwege über die Kertschbrücke nachhaltig unterbrochen sind. Richtig, ich rede von den Taurus-Marschflugkörpern.

Ich kann ein Argument aus meinem ursprünglichen Anschreiben nur wiederholen: Wenn Putin die Ukraine niedergerungen hat und vielleicht bestenfalls einen Rumpfstaat ringsum Kiew übrig gelassen hat, wird sein Expansionsdrang nicht enden. Dies ist klar ersichtlich aus seinen Initiativen in Transnistrien, wo er 5 eigene Wahlbüros für seine Wahlfarce einrichten lässt. Genauso sind die Drohungen gegenüber den baltischen Staaten zu werten.

Kanzler Scholz schreibt sich mit der Verweigerung der Taurus-Waffen zu, dass er gemäß Grundgesetz “Schaden von ihm [dem deutschen Volk] wenden” wolle. Dieser Schaden tritt mit Sicherheit ein, wenn in noch größerem Rahmen der Bestand der Nachkriegsgrenzen Europas durch einen entschlossenen Aggressor in Frage gestellt wird. Putin wird, dazu ist er zu gerissen und schlau, es nicht auf einen Atomschlag ankommen lassen. Der würde nämlich mit Sicherheit sein politisches Leben beenden.

Ich bin daher froh, dass sich Anzeichen verstärken, dass Macron französische Soldaten in die Ukraine entsenden will. Ohne substanziellen Einsatz ist der Bestand der Nachkriegsordnung in Europa nicht zu verteidigen. Nur sehr blauäugige Menschen können anderes behaupten.  

Ich würde mich freuen, wenn Sie und die SPD im allgemeinen dieser Lage Rechnung trügen und die “Zeitenwende” auch im 3. Jahr des Ukraine-Kriegs beim Wort nehmen. Mit Ordnungsrufen wie dem von Herrn Kühnert lässt sich der Lage nicht Herr werden und es ist nur konsequent, dass die SPD in der Sonntagsumfrage aktuell etwa 15 % Zustimmung erzielt.

herzliche Grüße trotzdem

Georg Jünger


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