Ramadan 2024 – gemischte Gefühle

Zufälligerweise ist für mich als Christ auch gerade Fastenzeit. Ich kann von daher verstehen, dass es für die muslimische, vornehmlich türkisch geprägte Community hier in Köln eine besondere Zeit ist. Sie lenkt für sie wie für mich den Blick darauf, wie halte ich es mit Gott, meinen Mitmenschen und mir. Soweit alles in Butter…

Was mich am Ramadan in der Vergangenheit immer wieder befremdet hat, was das Verhalten vieler Schüler von mir, wenn der Ramadan in die Sommermonaten fiel. Sie kamen unterzuckert und häufig deutlich aggressiver als sonst in den Unterricht. Ich hatte sogar einen ehemals muslimischen Bekannten gefragt, ob es für dieses Problem ’Ramadan mit Extremtemperaturen’ kein Rechtsgutachten gibt, das hier auf breiter Front Ausnahmen zuließe. Der Bekannte erklärte sich für unzuständig, was ich mit Blick auf seine Verfolgung durch die Türkei und Nicht-mehr-Muslim-sein verstehen konnte.

Dieses Jahr sind die Fastenregeln (kein Essen, kein Trinken während des Tages) besser zu ertragen. Was mich heuer befremdet, ist die abendliche Ramadan-Beleuchtung zum Beispiel auf der Venloer Straße. Ich hätte überhaupt kein Problem mit solch’ einer Wertschätzung religiösen Lebens, wenn sie nur minimal auf Wechselseitigkeit beruhen würde. Blicke ich jedoch auf die Türkei oder – noch schärfer ausgeprägt – auf Aserbeidschan, kann ich dort nur eine gezielte Unterdrückung der christlichen Religion feststellen. In Aserbeidschan werden im Gebiet von Berg Karabach jahrhundertealte Kirchen unwiederbringlich zerstört. Nichts und niemand soll daran erinnern, dass hier Christinnen und Christen über Jahrhunderte gewohnt haben. In der Türkei geht die aktive Verdrängung alles Christlichen etwas subtiler vor sich: Umgehungsstraßen oder andere Straßenprojekte werden vorzugsweise dort entlang geführt, wo sich noch Überreste von Kirchen und Kapellen befinden. Mit juristischen Winkelzügen wird in Istanbul verhindert, dass armenisch-stämmige Christen ein Priesterseminar, das ihnen vor dem Genozid gehört hat, wieder nutzen können.

Von daher erlebe ich die Politik der Stadt Köln gegenüber der muslimischen Community (Gebetsruf von der Zentralmoschee, Ramadanbeleuchtung) eher wie einen großen Kotau. Ich wäre froh, wenn ich anderes sagen könnte…

Quellen: 
• Zukunft gesucht von Tigran Petrosyan (taz, 4.10.2023)
https://taz.de/Massenflucht-aus-Bergkarabach/!5961130&s=berg+karabach/
• Unbequeme Spuren. Zerstörung armenischer Kultur von Lisa Schneider (taz, 29.9.2024)
https://taz.de/Zerstoerung-armenischer-Kultur/!5960840&s=berg+karabach/
• Christentum in der Türkei (Wikipedia-Artikel)
https://de.wikipedia.org/wiki/Christentum_in_der_Türkei

 

Briefe an Herrn Mützenich

Brief #1 vom 25.2.24

Sehr geehrter Herr Mützenich,

Sie sind mein Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Ich habe einige Fragen / Anregungen zu Ihrer Position und der der SPD zu dem seit 2 Jahren andauernden Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine:

• Welche Maßnahmen gedenken Sie und Ihre Partei dazu zu unternehmen, die zugesagte Artilleriemunition im Standardformat 155 mm in den zugesagten Mengen an die Ukraine zu leisten? Der Ukraine steht das Wasser — wie wir alle wissen — bis zum Hals. Weitere Eroberungen durch Russland werden den Widerstandswillen der Ukrainerinnen und Ukrainer mit Sicherheit nicht fördern.

• Welche Maßnahmen gedenken Sie und Ihre Partei dazu zu unternehmen, die Ausfuhr von kriegswichtigen Gütern an Russland über Drittstaaten zu unterbinden? Es dürfte nicht so schwierig sein, empfindliche Vertragsstrafen vorzusehen, wenn Empfänger in Drittstaaten Mikrochips oder andere Bauteile für den Flugzeug- und Fahrzeugbau an Russland verschieben. Wirtschaftliche Exportzahlen müssen hinter Loyalitätsverpflichtungen gegenüber der Ukraine zurückstehen.

• Welche Maßnahmen gedenken Sie und Ihre Partei dazu zu unternehmen, die Ausfuhr an russischem verbilligtem Rohöl oder Gas an Staaten wie Indien und andere Staaten zu beantworten und auf diese Weise die Ausfuhrerlöse Russlands zu vermindern? 

• Welche Maßnahmen gedenken Sie und Ihre Partei dazu zu unternehmen, die Ausfuhr „weit reichende(r) Waffensysteme“ (Drucksache 20/10375) mit der gebotenen Geschwindigkeit auf den Weg zu bringen? Wieso sperrt sich die SPD dagegen, auch Taurus-Systeme an die Ukraine zu liefern, die z.B. die Brücke von Kertsch als wichtige Landverbindung für russischen Nachschub zuverlässig zerstören könnte? Die Krim ist nach wie vor widerrechtlich besetzt und ukrainisches Staatsgebiet, keineswegs russisches.

• Welche Maßnahmen gedenken Sie und Ihre Partei dazu zu unternehmen, die Informationsmöglichkeiten der russischen Zivilgesellschaft zu fördern? An dieser Stelle wäre sicher besonders viel Phantasie gefragt, um über Nachrichtenportale wie Meduza.io, Novaya Gazeta Europe oder Russians Against the War und Sender wie Radio Free Europe/Radio Liberty, Förderung von VPN-Netzwerken etc. Russinnen und Russen in die Lage zu versetzen, vom tatsächlichen Geschehen in ihrem Land und in der Ukraine Kenntnis zu nehmen.

Ich würde mich freuen, wenn Sie angesichts der Dringlichkeit, den dieser menschenvernichtende Krieg darstellt, recht bald auf meine Fragen antworten würden. Der Ukraine nur gerade die Hilfe angedeihen zu lassen, die sie nicht sofort dem Vernichtungswillen Russlands unterwerfen würde, reicht erkennbar nicht. Ihre Partei ist dem Prinzip der Solidarität verpflichtet.

Mit freundlichen Grüßen

Georg Jünger

 

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Putin oder Putin?

Richtig, auch wenn mit großem Brimborium vorbereitet: Die aktuelle Wahl in Russland ist eine Farce, das Ergebnis hat lange vorher schon festgestanden. Daher ist es nur konsequent, dass EU-Ratspräsident Charles Michel bereits vor der Wahl Putin zu seinem Sieg gratuliert hat. („Ich möchte Wladimir Putin zu seinem Erdrutschsieg bei den heute beginnenden Wahlen gratulieren“)

Derjenige, der Putin wirklich hätte gefährlich werden können, wurde zeitnah „entsorgt“: Alexei Nawalny starb am 15.2.2024, nachdem er mit Haft, immer mal wieder durch einen speziellen Strafisolator (siehe Bild) verschärft, mangelnder ärztlicher Versorgung und dem Giftanschlag von 2020 systematisch um seine Gesundheit gebracht wurde. Ein simpler Mord machte mit dem realem Menschen Nawalny und der Symbolfigur all’ derer, die auf ein anderes Russland hofften, kurzen Prozess.

Putin kann sich nun eine vor allem für den russischen Hausgebrauch dienliche Scheinlegitimität besorgen. Wie stark in die Wahl eingegriffen wird, ist auch aus einer über die Mobiltelefone realisierte Kontrolle ersichtlich: Mitarbeitende der Staatsbetriebe erhalten auf ihr Telefon einen Link gesendet, der dem Arbeitgeber zurückmeldet, ob der Inhaber gewählt hat oder nicht. Insgesamt wird ein Land einmal mehr auf einen Diktator eingeschworen, dem ich ein möglichst kurzes Leben wünsche. (Vielleicht ist ja ein 20. Juli in der nächsten Zeit in Russland erfolgreicher als der unsrige im Jahr 1944.)

Die imperialistische Ausrichtung des gegenwärtigen Russlands ist jedenfalls auch daran sichtbar, dass Putin in Ländern wie Transnistrien oder den besetzten Gebieten der Ukraine wählen lässt, die definitiv nicht Bestandteil Russlands sind.

Die treffend Karikatur von Klaus Stuttmann hierzu.