Synagogen, die den 9. November 1938 überdauert haben

Erinnerungskultur an die Shoah wird in den nächsten Jahren andere Formen annehmen, wenn die letzten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen dieses Verbrechens tot sind. Wir werden dann vermutlich vermehrt auf die steinernen Zeugnisse sehen, die Jüdischsein in Deutschland dokumentieren.

Eine kuriose Entdeckung habe ich letztens beim Wandern in Edesheim (südlich von Neustadt und Edeskoben) gemacht. Dort waren bereits 1931 nicht mehr die 10 Männer verfügbar, die für einen jüdischen Gottesdienst benötigt werden. Die Synagoge wurde daher aufgegeben, eine Weile wurde nur noch das Obergeschoss als Betraum genutzt. Die Nazis ließen daher das Gebäude am 9.11.38 – ähnlich wie in Deidesheim – unversehrt. (In Deidesheim hatte ein Winzer Gerätschaften in der ehemaligen Synagoge abgestellt und konnte die Brandstifter in der Reichsprogromnacht vom Zündeln abhalten.)

Zurück nach Edesheim: Dort hat die ehemalige Synagoge in den 80er und 90er Jahren als Puff gedient. Wie ein solches Etablissement aussieht, konnte ich selbst einmal betrachten, nachdem mich der Nachbar und neue Besitzer (ab 2002) zu einem Rundgang einlud. Schön wäre es, wenn dieser immer noch besondere Raum in Zukunft ähnlich wie in Deidesheim  für Veranstaltungen oder als kleines Museum genutzt werden könnte. In Deidesheim hat sich dazu ein Freundeskreis der ehemaligen Synagoge gebildet.

Schweigemarsch zur Synagoge in Köln

Auch ohne den barbarischen Überfall der Hamas auf Israel am 7.10. ballt sich um den 9.11. herum das Gedenken an Verschiedenes mit Bezug zum Thema Judentum. In diesem Umfeld, zu dem am 9.11. die Erinnerung an die Reichsprogromnacht gehört, riefen an diesem Dienstag die christlichen Kirchen in Köln zu einem Schweigemarsch vom Roncalli-Platz zur Synagoge an der Roonstraße auf. Hier stand der jüngste Überfall im Gaza-Streifen im Mittelpunkt. Etwa 2.500 Menschen folgten dem Aufruf und setzten in der Kölner Stadtgesellschaft ein Zeichen gegen Antisemitismus.

Gerade wenn andere gesellschaftliche Gruppierungen wie die Linke oder feministische Kreise beim Thema „Israel” häufig schnell zur Tagesordnung übergehen wollen, ist es ein gutes Zeichen, dass Kirchen ein wenig von ihrer zivilgesellschaftlichen Rolle wieder entdecken. Sie ist über den noch immer schwelenden Missbrauchsskandal reichlich in den Hintergrund gerückt. Andererseits könnten Kirchen mit dem längeren Zeithorizont ein gutes Gegengewicht gegen falsche tagespolitische Zuspitzungen spielen.

Was ist zu melden? Robert Kleine gab zu Beginn der Veranstaltung einige klare und deutliche Gedanken zum Anlass zu Gehör. Zügig setzte sich dann der Schweigegang in Bewegung und führte an der 1938 zerstörten Synagoge von 1861 in der Glockengasse vorbei.

Es wäre schön, wenn bei anderen Gelegenheiten dieser Art mehr jüngere Kölnerinnen und Kölner auf die Straße fänden. Ich fühle mich auch mit jüngeren Menschen wohl…