Schweigemarsch zur Synagoge in Köln

Auch ohne den barbarischen Überfall der Hamas auf Israel am 7.10. ballt sich um den 9.11. herum das Gedenken an Verschiedenes mit Bezug zum Thema Judentum. In diesem Umfeld, zu dem am 9.11. die Erinnerung an die Reichsprogromnacht gehört, riefen an diesem Dienstag die christlichen Kirchen in Köln zu einem Schweigemarsch vom Roncalli-Platz zur Synagoge an der Roonstraße auf. Hier stand der jüngste Überfall im Gaza-Streifen im Mittelpunkt. Etwa 2.500 Menschen folgten dem Aufruf und setzten in der Kölner Stadtgesellschaft ein Zeichen gegen Antisemitismus.

Gerade wenn andere gesellschaftliche Gruppierungen wie die Linke oder feministische Kreise beim Thema „Israel” häufig schnell zur Tagesordnung übergehen wollen, ist es ein gutes Zeichen, dass Kirchen ein wenig von ihrer zivilgesellschaftlichen Rolle wieder entdecken. Sie ist über den noch immer schwelenden Missbrauchsskandal reichlich in den Hintergrund gerückt. Andererseits könnten Kirchen mit dem längeren Zeithorizont ein gutes Gegengewicht gegen falsche tagespolitische Zuspitzungen spielen.

Was ist zu melden? Robert Kleine gab zu Beginn der Veranstaltung einige klare und deutliche Gedanken zum Anlass zu Gehör. Zügig setzte sich dann der Schweigegang in Bewegung und führte an der 1938 zerstörten Synagoge von 1861 in der Glockengasse vorbei.

Es wäre schön, wenn bei anderen Gelegenheiten dieser Art mehr jüngere Kölnerinnen und Kölner auf die Straße fänden. Ich fühle mich auch mit jüngeren Menschen wohl…

Kölner Synagoge in der Glockengasse visualisiert – 9.11.2021

Wahrscheinlich ist diese neue Form der Erinnerungskultur an die Shoah unumgänglich, wenn die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen wegsterben. (Ich denke hier besonders an die Opfer, die Täter haben in der Regel nichts zur Erinnerungskultur beigetragen.) Der Architekt und Dozent Marc Grellert (TU Darmstadt) hat seine Erfahrungen mit Antisemitismus in eine besondere Aktion umgesetzt. Er hat es sich gemeinsam mit einer Projekt-Gruppe zur Aufgabe gemacht, durch die Visualisierung einer Reihe deutscher Synagogen dem Vergessen etwas entgegenzusetzen. Fast alle Synagogen waren bekanntlich im Novemberprogrom 1938 von den Nazis zerstört worden. Selten, dass Bürgerinnen und Bürger in den Städten und Dörfern Deutschlands diesem Treiben etwas entgegen gesetzt hätten.

Eine besonders prächtige Synagoge stand in Köln in der Glockengasse dort, wo heute die Oper steht. Sie war im 19. Jahrhundert im sogenannten maurischen Stil nach Plänen des Dombaumeisters Zwirner errichtet worden. Finanziert hatte sie Freiherr von Oppenheim. Auch diese Synagoge brannte am 9.11.1938. Eine Tora-Rolle von dort wurde, nachdem sie durch einen katholischen Priester nach dem Anschlag beiseite gebracht werden konnte, nach dem Krieg der neuentstandenen Synagogengemeinde übergeben.

Am Gedenktag des Novemberprogroms bestand nun in Köln die Gelegenheit, die Visualisierung der zerstörten Synagoge auf einer Großleinwand in der Nähe ihres früheren Ortes zu sehen. Besonders eindrücklich war, mit 3D-Brillen den Innenraum und das Äußere der Synagoge erkunden zu können.

Vier weitere Fotos von mir finden sich hier.