Der PiS(s) kann weg…

Alle, denen Demokratie, Menschenrechte und Gerechtigkeit am Herzen liegen, dürfen seit dem 15.10. aufatmen: Auch wenn die PiS, geführt von Kaczynski weiter stärkste Kraft ist, hat ein Wahlbündnis um die Partei von Donald Tusk in Polen ausreichend Stimmen gewonnen. Diese Parteien können nun die nächste Regierung bilden. Dies gilt selbst dann, wenn Präsident Duda noch auf eine zeitliche Verzögerung setzt.

Damit haben Homophobie, die schleichende Umwandlung von Polen in einen autoritären Staat, wenn nicht in eine Diktatur und ein total verkürztes und entstelltes Pseudo-Christentum ausgedient. Auch der Versuch, anti-deutsche Ressentiments zu befeuern und in Stimmen für die PiS umzumünzen, hat nicht gefruchtet.

Nachschrift 10.11.: Erfreulich, dass heute trotz des Störfeuers von Präsident Duda die Parteien um Tusk Schritte unternehmen, um eine polnische Regierung nach Mehrheitsmeinung und nicht nach Gusto von Duda oder Kaczynski zu bilden.

Sinéad O‘Connor

Die Familie der im Juli 2023 verstorbenen Sinéad O’Connor hat mit Recht darum gebeten, nichts zu den Umständen von dem Tod der irischen Sängerin sagen zu müssen. Die Umstände sprechen dafür, dass ihr 2022 der Tod ihres 17jährigen Sohnes Shane durch Suizid entgültig den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Dafür habe ich allergrößtes Verständnis.

Musik

Was bleibt von ihr? An erster Stelle sicher ihr Album I do not want what I haven’t got, das 1990 erschien.  Dort schuf sie eine neue Mischung aus häufig Drum Machine basierten Schlagzeuglinien, Folklorelementen, Streicherklängen und einer ausdrucksstarken Stimme. Mit ihr konnte sie in einer Liedzeile von ordinär auf glockenreine Kopfstimme umschalten. Die Texte dieses Albums wie auch des Vorgängeralbums The Lion and the Cobra waren fast durchweg sehr persönlich gehalten und häufig von einer schonungslosen Offenheit.

Als Musikerin hat sie übrigens nicht nur ihre eigenen Projekte seit Jugendzeit vorangetrieben, sondern ist auch mit vielen bekannten oder weniger bekannten Musikerinnen und Musikern aufgetreten. Zu diesen gehören Pink Floyd, Peter Gabriel, Prince, die Chieftains und andere. Einige typische Stücke von ihr finden sich hier. Zumutungen des Musikbetriebs, was Äußerliches angeht, wusste sie zurückzuweisen. Lieber verzichtete sie z.B. auf eine Grammy-Ehrung.

Religion

Wer sich lumen Christi (der Liedruf Licht Christi ist Teil der Osterliturgie) auf die Hand tätowieren lässt oder in feel so different den Serenity Prayer von Niebuhr zitiert, muss eindeutig ein Interesse an Religion haben. Auch auf diesem Gebiet blieb Sinéad O’Connor eine Suchende: Sie hat sich zur Priesterin einer Abspaltung der katholischen Kirche weihen lassen, hat verschiedene Namen angenommen und schließlich in Abgrenzung von ihrer katholischen Herkunft 1992 ein Bild von Papst Johannes Paul II. zerrissen. 2018 konvertierte sie zum Islam und nahm den Namen Shuhada‘ Sadaqat an. Im Musikleben behielt sie ihren alten Namen bei.

Familie

O’Connor hat ihre Familie als dysfunktional beschrieben. Von der Mutter heißt es, dass sie Sinéad geschlagen habe. Die Zerwürfnisse in der Familie bewirkten, dass sich die Eltern schließlich trennten und der Vater in die USA zog. Die Mutter blieb hingegen alkoholkrank in Dublin. Diese verunglückte bei einem Autounfall, als Sinéad 18 war. Die harsche Kritik an beiden Eltern relativierte ihr Schriftsteller-Bruder Joseph, sprach aber trotzdem, die schädliche Wirkung Mutter qualifizierend, von “extreme and violent abuse, both emotional and physical“. Sinéad lebte deswegen schon früh in verschiedenen Einrichtungen außerhalb der Familie. Auch wenn diese alles andere als perfekt waren, erhielt sie dort mehr Freiraum als andere Mädchen und konnte schon früh ihre Musikinteressen verfolgen.

Die Zerwürfnisse, die Sinéad in ihrer Herkunftsfamilie erlebte, blieben ihr auch bei Partnerschaften, die sie einging, nicht erspart. Vier Eheschließungen folgten vier Trennungen. Sie brachte vier Kinder in diesen Beziehungen zur Welt, von denen ihr der Sohn Shane besonders nahe stand.

R.I.P., Sinéad O’Connor.

 

Sehr ausführlich über Sinéad O’Connor hat die Irish Times berichtet, von wo ich auch die Fotos für die Fotomontage genommen habe.

Kardinalfehler Woelki #4

Dilige et fac ut vis. (Augustinus)

Dieser Satz des Kirchenlehrers Augustinus (*354 – †430) lässt sich mit Liebe und [dann] tue was du willst übersetzen. Man mag kaum glauben, was im Namen der Liebes-Religion Christentum in Köln aus diesem Satz gemacht wird. Ein Woelki springt nur allzu bereitwillig auf eine Denunziation des Mettmanner Pfarrers Ullmann in Rom auf, der gleichgeschlechtliche Paare gesegnet hatte.

Wer kann allen Ernstes daran zweifeln, dass sich schwule und lesbische Paare weniger lieben als dies Hetero-Paare tun? Kirche stände es nur zu gut an, angesichts der Vielzahl von schlecht aufgearbeiteten Missbrauchsskandalen in den eigenen Reihen hier mit Demut und Bescheidenheit voranzugehen.

Christoph Kuckelkorn hat die ganze Absurdität der Situation mit einem Facebook-Beitrag deutlich gemacht: Bierfässer werden gesegnet, gleichgeschlechtlich liebenden Paaren wird dieser Segen vorenthalten.

dilige et fass ut vis – die Lesart des Kardinals

Gut, dass drei Bischöfe in NRW wie auch Stadtdechant Kleine deutlich gemacht haben, dass sie diesen Irrsinn nicht mittragen. Bis Herr Woelki den schon lange überfälligen Rücktritt von seinem Kardinals- und Bischofsamt vollzieht, sollten wir ihm den Gehorsam und die Kooperation aufkündigen. Sie mögen subjektiv glauben, Herr Woelki, irgendeiner hehren Sache zu dienen. De facto machen sie aus dem Christentum eine Lachnummer.

Ceterum censeo Woelkium esse retractandum…* (Im übrigen meine ich, dass Woelki zurücktreten muss.)

Denkmal für Armenier-Genozid erhält Fürsprecherin*

Mit Henriette Reker erhält das bislang Jahr um Jahr wieder abgebaute Denkmal zur Erinnerung an den im Gebiet der heutigen Türkei verübten Genozid eine prominente Fürsprecherin.  (KStA 10./11.6.23) Es wird sich erweisen, ob die Initiative „Völkermord erinnern“, die Stadt Köln und die Kräfte der Zivilgesellschaft sich gegen die Pressionen von Ditib, Grauen Wölfen und „Initiativ Türk“ durchsetzen können und diesem Denkmal einen dauerhaften Platz sichern.

Für Hitler war dieser Genozid an 1,1 bis 1,4 Millionen christlichen Armeniern die Blaupause, um den Genozid an den europäischen Juden voranzutreiben. Sein Kalkül: Wenn ein Genozid dermaßen unbeachtet bleibt von weiten Teilen der Welt, wird eine Ermordung der Juden ebensowenig Aufmerksamkeit verursachen. Deutsche Mitverantwortung für ein Gedenken an diesen Genozid entsteht auch aus der Situation im 1. Weltkrieg: Das Deutsche Reich und das Osmanische Reich waren Bündnispartner. Obwohl sich der Völkermord im „Hinterhof“ dieser Bündnispartner vollzog, opponierten nur wenige Deutsche wie Johannes Lepsius und Armin T. Wegner gegen dieses Morden.

Gegen alle Versuche, den historisch gut belegten Völkermord schlankweg zu leugnen, stehen erfreulicher Weise auch einige wenige türkischstämmige Deutsche wie Cem Özdemir.

Links:
Initiative Völkermord erinnern
Dokumentation Aghet auf facebook
Franz Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh (Verarbeitung des Genozids in Romanform)
Armin T. Wegner, Die Austreibung des armenischen Volkes in die Wüste (Wallstein-Verlag)

*Ich bin in der Vergangenheit nicht mit allen Entscheidungen von Frau Reker einig gewesen.

Kardinalfehler Woelki #3

Christentum bekennen

Pfingsten, das Fest, das Christinnen und Christen mit der Begründung von Kirche verbinden, liegt eine Woche zurück. Kirche, so wurde mir zu Beginn meines kleinen Theologie-Studiums vermittelt, konstituiert sich durch drei, bei manchen durch vier, Begriffe: Dies sind die Elemente Martyria (Bekenntnis), Liturgia (Austausch mit Gott im Gottesdienst), Diakonia (praktisches Umsetzen der Nächstenliebe) und – manche fügen noch hinzu – Koinonia (Gemeinschaft).

Liturgia und Diakonia funktionieren – wenn man das so nennen will – einigermaßen. Das Bekenntnis des Glaubens, bei dem die eigene, je individuelle und persönliche Entscheidung zum Glauben benötigt wird (Martyria), hat sich aber für viele Menschen in Deutschland erledigt. Sie verlassen in Scharen die Kirche, weil das Bekenntnis zu Christus durch den Apparat korrumpiert wird. Und es sind nicht diejenigen, die sich vor Jahren vielleicht an Heilig Abend in die Kirche aufgemacht haben und sonst nicht. Es sind die Hard Core-Katholikinnen und -Katholiken, die Kommunionsvorbereitung mitgestaltet haben, die im Pfarrgemeinderat saßen oder die regelmäßig die Kirche besuchten, die sich enttäuscht abwenden. Eine Zahl für das Erzbistum Köln: Nachdem die Corona-Zeiten die Zahlen zwischendurch aus technischen Gründen vermindert haben, haben im Jahr 2022 alleine im Amtsgerichtsbezirk Köln 20.331 katholische Christinnen und Christen die Kirche als rechtliche Körperschaft verlassen. Wer will es ihnen verdenken? Die Impertinenz, mit der Amtskirche auf diese Abstimmung mit den Füßen reagiert, zieht einfach weitere, die gerade weil ihnen ihr persönlicher Glauben wichtig ist, nach sich. Die können auf diese Sturheit ihnen gegenüber und für ihre Anliegen nur mit dem Gang zum Amtsgericht reagieren.

Welches Maß an Begriffsstutzigkeit und Realitätsverleugnung muss man aufbringen, Herr Woelki, um sehenden Auges gerade mal nichts zu tun angesichts der Selbstzerlegung der katholischen Kirche hier? Es ist evident, dass die gegebene Sozialform der Kirche nicht überlebensfähig ist. Für diesen Befund sind Sie nur ein Puzzlestein. Dass Sie aber, Herr Woelki, den Eindruck vermitteln, dass die katholische Kirche hier Ihr Privateigentum ist, ist schlichtweg ein Skandalon. Das Vertrauen, das Generationen von Gläubigen in die katholische Kirche aufgebaut haben und in sie investiert haben, ist so gut wie restlos aufgebraucht. Menschen, die ihren eigenen Glauben wertschätzen, werden vor die Alternative gestellt, ihren christlichen Glauben hochzuhalten oder einer Institution den Rücken zu stärken, die vielem von dem für wichtig Gehaltenen in ihrer alltäglichen Praxis (Beispiel: Inklusion statt Ausschluss von LGBQ+-Menschen) widerspricht.

Lassen Sie es jetzt endlich gut sein. Sogar Päpste sind von ihrem Amt zurückgetreten, wie ein Blick auf Papst Coelestin und Papst Benedikt zeigt. Auch der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick ist im November 2022 zurückgetreten. Keiner muss an einer Stelle ausharren, die der Kirche und vermutlich auch Ihnen selbst nicht gut tut. Machen Sie den Weg frei für einen Neuanfang im Bistum…

Ceterum censeo Woelkium esse retractandum…

Fünf weitere Jahre mit dem Schnäuzer

Den Schnäuzer haben wir also 5 weitere Jahre an der Backe. Eine galoppierende Inflation, starke staatliche Überschuldung, dramatischer Rückgang der Lebensqualität der meisten Türkinnen und Türken, eine desorganisierte und viel zu spät kommende Rettungsaktion nach dem letzten großen Erdbeben im Februar – all’ das hat Erdogan offenbar kaum geschadet. Allerdings fanden die Parlamentswahlen unter Bedingungen statt, die kaum das Attribut „demokratisch” verdienten. Erdogan war z.B. auf 31 Fernsehsendern ständig präsent, sein Herausforderer Kilicdaroglu durfte nur in einem Fernsehsender auftreten. Dass der populäre Bürgermeister von Istanbul Imamoglu aus fadenscheinigen Gründen von der Bewerbung zu den Wahlen ausgeschlossen wurde, war ein weiterer Baustein für Erdogans Erfolg bei den Wahlen vor einer Woche.

Was mich besonders befremdet, ist die hohe Zustimmung zu Erdogan in Deutschland. In vielen Städten hat er über 60 % der Stimmen der in Konsulaten erfassten Stimmen erhalten. Was läuft schief, wenn sich Menschen, die trotz der freien Berichterstattung hier Erdogan wie eine Vaterfigur bejahen und wählen? Eine Antwort habe ich bei Ruud Koopmans, Das verfallene Haus des Islam gefunden. In seinem mit Statistiken gespickten Buch führt er aus, dass hohe Kinderzahl in den türkischen Familien, Orientierung auf die eigene Herkunftsgruppe, schlechtere Sprachkenntnisse im Vergleich zu anderen Migrantengruppen ein Wechselspiel von schlechterem Selbstwertgefühl, schlechteren Bildungsabschlüssen und mangeldem beruflichen Erfolg nach sich ziehen. Er schreibt:

Im Einwanderungskontext behindern außerdem die religiösen Regeln des Islam (…) den Kontakt zu Nichtmuslimen, zum Beispiel weil gemischtgeschlechtliche Aktivitäten vermieden oder Ehen mit Nichtmuslimen abgelehnt werden. Der Mangel an Freundschaften und familiären Bindungen zu Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft wirkt sich sehr negativ auf die Arbeitsmarkt- und Bildungschancen der Muslime aus. Dies betrifft auch den Spracherwerb, sowohl für erwachsene Migranten als auch für ihre Kinder. Wer die Sprache nicht gut beherrscht, hat es schwerer, einen Job zu finden, und Kinder, die in der Schule zum ersten Mal mit der Landessprache in Berührung kommen, können ihre Bildungsnachteile oft nie mehr ausgleichen. So ergibt sich ein intergenerationeller Teufelskreis von soziokultureller Segregation und sozioökonomischer Benachteiligung, der dazu führt, dass die soziale Mobilität von Muslimen hinter der anderer Einwanderergruppen zurückbleibt. [ebd., S.209]

Was Koopmans schreibt fand ich vielfach in meiner Arbeit als Hauptschullehrer in Köln bestätigt.

Dass dies nicht auf jede muslimische Community zutreffen muss, zeigt allerdings ein Blick auf die aus dem Iran stammenden Menschen. Nicht von ungefähr wurde der zu ihr gehörende Schriftsteller Navid Kermani auch schon mal als Kandidat für das Bundespräsidenten-Amt gehandelt. Die allermeisten sind gut integriert, nicht zuletzt weil sie sehr bildungsoriertiert sind. Stellen wir uns vor, eine Figur aus dem Iran, die Erdogan entspräche, dürfte hier in Deutschland auch von Exil-Iranerinnen und -Iranern gewählt werden. Ich würde eine Flasche Wein wetten, dass ein solcher Kandidat maximal 5 Prozent der Stimmen bekäme. Das sehe ich offenbar nicht alleine so, wie folgende Zuschrift im Netz zeigt:

Es ist schade, dass Menschen wie Ugur Sahin und Özlem Türeci von Biontech Ausnahmen für gelungene Bildungsbiographien Türkischstämmiger in Deutschland geblieben sind.

Study war no more – hoffentlich irgendwann

Im heimischen Plattenschrank gab es einige Single-Platten (gelbe Hülle, Fono-Ring) mit dem Titel Negro Spirituals – Das hieß damals so… Eine der Platten enthielt das Spiritual-Stück Study war no more. Eine immer noch hin- und mitreißende Idee, dass sich die Menschen nicht mehr die Köpfe einschlagen mögen. Nicht zuletzt inspiriert durch Bibelverse wie

Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. [Mi 4,3]

Seit dem 24.2.2022 sollte aber klar sein, dass ein voll entfalteter Aggressionskrieg gegen die Ukraine kein dezentes Wegschauen zulässt. Wer sich grundsätzlich über diesen Krieg, aber auch die Widerstandsbewegung im Iran #frau – leben – freiheit informieren möchte, ist beim Institute for the Study of War gut aufgehoben. Sorgfältig recherchierte Nachrichten und Bewertungen mit einem umfangreichen Anmerkungsapparat. Auch für diese Einrichtung sind Spenden sehr sinnvoll. Wer sich mit dem Englisch der Seiten schwer tut, installiert ein Übersetzungs-Plugin. Für Firefox leistet das hervorragende Dienste.

Ich vermute, dass ich Zeiten, in denen ein solches Institut nichts mehr zu berichten hat, nicht mehr erleben werde. Den Horizont, für kriegsarme oder sogar kriegslose Zeiten einzutreten, sollten wir nicht aufgeben.

Kardinalfehler Woelki #2

KHKT (Kölner Hochschule für Katholische Theologie)

Im September 2018 begann ich berufsbegleitend ein kleineres Theologiestudium, das sich „Theologische Zusatzqualifikation” nannte. Es startete an der Philosoph-Theologischen Hochschule in Sankt Augustin, die sich in den Händen der Steyler Missionare befand. Ich habe dort wie in Köln aufgeschlossene Dozentinnen und Dozenten gefunden, deren wissenschaftliche Qualifikation außer Frage stand. Diese Hochschule wurde zunächst dem Namen nach, später auch vom Ort her ab 2020 als Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT) weitergeführt. Diese Hochschule befindet sich in den modernisierten Räumlichkeiten eines früheren erzbischöflichen Berufskollegs im Stadtteil Lindenthal.

Ausgerechnet Lindenthal, mag man denken. Wenn Kirche den „Stallgeruch” (Papst Franziskus) der Menschen annehmen sollte, müsste sie hier – metaphorisch gesprochen – Chanel N° 5 auftragen. Ein Unding für eine Kirche in der Nachfolge Jesu Christi! Auch soziologisch ist diese Entscheidung für Lindenthal anfechtbar: Hier verdienen 58 % der Menschen mehr als 3.600 € monatlich, weit mehr als sonstwo in der Mehrzahl der Stadtbezirke Kölns. Wie sollen Studentinnen und Studenten hier einen Blick für die Gegebenheiten und Nöte der Menschen erwerben? Statt „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!” (Mk 16,15) scheint für Herrn Woelki folgende Lesart vorzuherrschen „Geht in den Winkel und verkündet das Evangelium eurer Klientel”. Damit ist eine froh-machende, befreiende Botschaft um ihre wesentliche Eigenschaften beraubt.

Nicht nur der Ort ist fragwürdig: Ein existenzbedrohliches Problem für diese Hochschule ist ihre völlig ungeklärte finanzielle Basis: Woelki musste zur Finanzierung dieser Hochschule auf Sondervermögen zurückgreifen, das für diese Aufgaben gar nicht vorgesehen war. Dass Gremien wie der Haushaltsausschuss der Erzdiözese umgangen wurden, kann kaum verwundern. Jährlich werden aus dem Sondervermögen 3 Millionen € entnommen, vorgesehen waren in einer Anschubphase 1,2 Millionen Euro. Die Hoffnung auf Spender und Stiftungen, die hier hilfreich einspringen könnten, muss selbst ein Herr Woelki inzwischen aufgegeben haben. Dazu kommen diverse handwerkliche Fehler bei der Ausgestaltung von Arbeits- und Auflösungsverträgen, die das Budget der Hochschule weiter belasten. Nicht eingerechnet bei den Belastungen sind noch nicht einmal Rückstellungen für Pensionsberechtigungen.

Die fragwürdige institutionelle Aufhängung der KHKT neben einer etablierten und angesehenen theologischen Fakultät in Bonn* ist ein weiterer Punkt: Mit Recht legt der Staat, vertreten unter anderem durch die KMK fest, dass theologische Hochschulen sich der Interdiziplinarität einer größeren Hochschulumgebung stellen müssen. Das gilt gleichermaßen für die Ausbildung muslimischer wie christlicher Religionslehrer und Theologinnen und Theologen. Genauso muss der Staat gewährleisten, dass Studierende an der KHKT in den verschiedenen Studiengängen dort auch in Zukunft  ihren Abschluss machen können. Wenn die ganze Konstruktion wackelt, wird die staatliche Zusage für die Studierenden in dieser Hinsicht schwierig. Dann muss ggf. einer lehrenden Einrichtung wie der KHKT die Zulassung entzogen werden.

Was verspricht sich nun ein Herr Woelki von so einer Einrichtung? Priesterausbildung nimmt im Kirchenbild von Herrn Woelki die zentrale Rolle ein. Dass in ganz Deutschland im Jahre 2021 nur 62 Priester geweiht wurden, ist noch nicht richtig zum Erzbischof durchgedrungen. Um so mehr müssen die wenigen Priesteramtskandidaten – das darf man als Idee unterstellen – auf das rückwärtsgewandte Theologie- und Kirchenverständnis dieses Mannes eingeschworen werden. Woelki hat deswegen die Priesterausbildung an der KHKT zum „zentralen Anliegen” der Pastoral aufgewertet.

Kardinalfehler Woelki #2 weiterlesen

Kardinalfehler Woelki #1

Ein wichtiger Begriff ist für mich in den letzten Jahren Wertschätzung geworden. Er ist deutlich von Begriffen, die zu einem Bullshit Bingo einladen, abzusetzen. Der Begriff bedeutet für mich, zunächst mal jedem Menschen einen Wert zuzumessen und dementsprechend mit ihm oder ihr umzugehen. Wenn ich hier diesem Wert ausnahmsweise mal nicht entspreche, dann deswegen, weil Herr Woelki ihn in seiner öffentlichen Funktion nach meiner Wahrnehmung selbst kaum beherzigt und weil der von ihm verursachte Schaden so immens ist. Der Privatperson Woelki gilt, wie uns allen anderen auch, dass sie die besondere Form der Wertschätzung durch Gott genießt, unüberbietbar geliebt zu sein.
Bischofsamt

Die Gemeinden der Urkirche haben die Leitungsfunktionen, die sich in einer dynamisch vergrößernden Organisation als nötig erwiesen, in das Bild des „Hirten” gekleidet. Dies war ein Reflex auf die agrarische Grundlage ihrer Gesellschaft. Ein Hirt ist jemand, wie vor allem im Johannes-Evangelium ausbuchstabiert wird, der den Schafen (in diesem Bild also den Gläubigen) nachgeht und jede Sorge auf sie verwendet. (Joh 10,14-16). Auch bei Jeremia, Jesaja, Hesekiel, in den Psalmen bei Matthäus und Markus wird von Hirten im Sinne dieser Leitungs- und Fürsorgefunktion gesprochen. Man sollte also annehmen, wenn Bischöfe sich in der Tradition dieser Hirten sehen (vgl. den Bischofsstab), dass sie diesem Leitbild gerecht zu werden versuchen.

Wie anders ein Woelki: Es ist ihm nicht nur offenbar egal, dass Tausende im Kölner Bistum der Kirche den Rücken kehren. Ich gewinne mehr und mehr den Eindruck, dass er mit einem gewissen Vorsatz die katholische Kirche im Rheinland gegen die Wand fahren will.

Er hat zusätzlich bei dem Versuch (übrigens auch von einigen Bischöfen unterstützt) unter dem Titel „Synodaler Weg” neue Wege zu beschreiten, ein grobes Foulspiel begangen. Er hat zusammen mit 4 weiteren deutschen Bischöfen scheinheilig in Rom nachfragen lassen: „Muss ich am »Synodalen Ausschuss« teilnehmen? Darf ich daran teilnehmen?” (KStA 23.1.23) Der »Synodale Ausschuss« ist als Vorstufe zu einem Synodalen Rat gedacht. Woelki hat damit mit nicht überbietbarer Deutlichkeit klar gemacht, dass ihm jeder Ansatz, Kirchenleitung neu zu denken, zutiefst zuwider ist. Er hat sich dabei mit dieser Schein-Anfrage im Vatikan zum Spiel über Bande entschlossen. Von einem solchen „Hirten” braucht katholische Kirche also keine Impulse zu erwarten, wie ein Paradigmenwechsel zu einer Kirche erfolgen soll, in der nur vereinzelt Priester (hoffentlich sehr bald Diakoninnen), im wesentlichen aber Getaufte und Gefirmte das Gros der Weitergabe der Frohen Botschaft übernehmen müssen. 

Alleine aus diesem Grund sollten Sie jetzt endlich zurücktreten, Herr Kardinal. Wenn selbst Schützenbrüder, Karnevalsgesellschaften oder Pfarrgemeinden (jüngst im Westerwald) den Rückzug antreten, sobald Sie auf der Bildfläche erscheinen, ist nichts mehr zu reparieren.

Ceterum censeo Woelkium esse retractandum…*

*Im übrigen meine ich, dass Woelki zurücktreten muss.(lat.)