Manchester by the sea – ein filmisches Trump-Gegengift

In Zeiten, in denen man fast täglich das Liebermann-Zitat bemühen möchte „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte”, um Trumps letzten Ausfall zu kommentieren, kommt ein leiser und mit 138 Minuten langer Film mit gänzlich anderem Charakter aus den USA in die Kinos.

Lee hat den Heimatort Manchester by the sea verlassen, weil er die Idylle angesichts dessen, was seiner Familie widerfuhr (Zeitebene 1), nicht mehr ertragen kann. Er ist jetzt (Zeitebene 2) Hausmeister in Boston und sein Arbeitseinsatz über das hinaus, was er tun müsste, wird selten gewürdigt. Der Mann, der immer wieder Schnee schippend oder bei der Beseitigung von Kloverstopfungen oder Leckagen gezeigt wird, ist definitiv kein Held.

Aus diesem Alltag wird er aber völlig überraschend herauskatapultiert, als er nach dem plötzlichen Tod von Bruder Joe zum Vormund seines 16jährigen Neffen Patrick bestellt wird. In der entscheidenden Situation beim Rechtsanwalt muss der von Casey Affleck eher mit Körpersprache und Mimik dargestellte Lee eine Entscheidung treffen. Einige Rückblenden machen dabei klar, wie lange der Entschluss, die Vormundschaft und Fürsorge für den Neffen zu übernehmen, benötigt. Lee hat nämlich den Heimatort nach der traumatischen Zerstörung seiner eigenen Familie fluchtartig verlassen. Nun bringt ihn die Beerdigung des Bruders auch mit seiner früheren Frau Randi zusammen – ebenfalls großartig besetzt mit Michelle Williams, die in Blue Valentine an der Seite Ryan Goslings in einer vergleichbaren unheldischen Geschichte agierte.

Mit am beeindruckendsten dann eine Szene, in der Randi mit Lee vallein ergeblich versucht, ihren Anteil am Scheitern der früheren Familie zu bekennen. Dieser erträgt jedoch keinen Blickkontakt geschweige denn dieses für ihn doch entlastende Bekenntnis. Lee hat sich in seinem Schmerz derartig eingeigelt, dass er ihn als Person meinende Kommunikation nicht mehr erträgt. (Wer im öffentlichen Bereich zu den Themen Schuld und Vergebung arbeiten will, findet hier einen hervorragenden Einstieg.)

Etwas leichter ist dann für Lee die Rolle eines Ersatz-Vaters Patrick gegenüber. Dieser probiert aus, was Jungen in diesem Alter ausprobieren: Sex, Freundschaft, Vorstellungen über die eigene Zukunft, Musik…. Aufopferungsbereit folgt Lee trotz mancher Bedenken und einigen wenigen Verboten dem Auftrag des brüderlichen Auftrags, für Patrick da zu sein. Dass Lee dann noch eine zündende Idee entwickelt, das Familienboot — wirtschaftliche Grundlage der Familie, aber auch Symbol für männliche Verbundenheit unter Joe, Lee und Patrick – zu retten, ebnet den Weg zu einem gelasseneren Umgang von Onkel und Neffen.

Formal traut der Film den Bildern aus dem ländlichen Küstenstreifen, aber auch aus den Begegnungen und Konfrontationen viel zu. Diese sind es doch, die im Zusammenspiel mit der unterlegten Musik (Bach (?) u.a.), im Zentrum des Films stehen. Kenneth Lonergan als Regisseur wie auch mehrere der Schauspieler sind zu Recht für Oscars nominiert: Ein Film der leisen Töne, wohltuend anders als das, was das offizielle Amerika gerade abliefert.

Scots – we love you…

Gestern gaben einige Abgeordnete aus Schottland im englischen Parlament ihrem Protest gegen den Brexit gesanglich Ausdruck, indem sie die Ode of Joy pfiffen oder sangen. Sie wurden ziemlich rüde zurückgepfiffen. Beethovens und Schillers Ode an die Freude oder ihr englisches Gegenstück Ode of Joy sind die offizielle Hymne der EU.

Anyway, Scots we love you…

www.telegraph.co.uk/news/2017/02/09/snp-mps-sing-ode-joy-brexit-bill-vote

Raumpatrouille – Matthias Brandts Erzählungsbändchen

Raumpatrouille
Raumpatrouille

Mit einem kleinen, aber feinen Bändchen mit kurzen Erzählungen zeigt Matthias Brandt, dass er nicht nur als Schauspieler eine gute Figur abgibt. Wer der gleichen Generation wie Brandt (*1961) angehört und dazu im Vor-Mauerfall-Bonn gelebt hat, wird zahlreiche Aha-Momente erleben.

Berührend ist, wie Brandt gerade nicht einen Prominentenbonus ausschöpft, sondern im Gegenteil den fernen Kanzlervater aus einer fast unüberbrückbaren Distanz beschreibt. Trotzdem ringt der Protagonist um die väterliche Nähe und Beachtung. Die Absonderlichkeiten, die in diesem Milieu von lebensnaher-liebevoller Mutter und seltsam abwesenden Vater gedeihen, sind Gegenstand der Erzählungen.

Zum Wegschmeißen komisch zum Beispiel die Schilderung, wie Vater Brandt und Herbert Wehner mal eine Versöhnungsradtour unternehmen sollen und diese Begegnung im Wortsinne auf so bedrückende, wie komische Weise entgleist. Noch ein für Heiterkeit („Jimmy“) sorgender Text, der aber auch die große Sehnsucht nach normalem Leben des Erzähler-Ichs zeigt, ist „Nirgendwo sonst”. Die gemütliche, wärmende und klar strukturierte Enge im Elternhaus von Schulfreund Holger löst zwar einerseits den Wunsch aus, auch einmal richtig irgendwo zugehörig zu sein. Am Ende ist aber der Ich-Erzähler doch wieder froh, in die gewohnten, wenn auch sterileren Abläufe zu Hause einzutauchen.

Die phantasierte Nähe des Protagonisten zu Heldenrollen wie Mondfahrer, Torwart, aber auch Briefträger wird glaubhaft und ohne nachträgliches Besserwissen entwickelt und nimmt einen für Brandt ein, der sich diese Nähe zu vergangenen Rollen gestattet, ohne sie nachträglich zu denunzieren.

Ein Interview, das Brandt über den Abschied von seiner Mutter geführt hat, liest sich als passende Ergänzung zu dem empfehlenswerten Erzählbändchen.

Matthias Brandt: Raumpatrouille. Geschichten, Kiepenheuer & Witsch

Wecker – du heimlicher Diktator…

Wecker
Wecker

Eine meiner Phantasien für den Übergang in den Ruhestand: Ich nehme einen altertümlichen Wecker mit Aufdrehschrauben und vielen Zahnrädern innendrin, lege ihn auf einen Amboss und zerschmettere ihn mit einem kraftvollen Schlag mit einem möglichst großen Hammer in möglichst viele Stücke… Okay, Realität an: Wahrscheinlich wird’s dann höchstens für einen ordentlichen Fäustel reichen und wo finde ich dann noch einen solchen herkömmlichen Wecker??

Musste heute jedenfalls einen neuen Wecker beschaffen, nachdem das solide Aldi-Teil seinen Geist auf sonderbare Weise aufgegeben hatte. Der über einen Chip und Funksignal gesteuerte Wecker zeigte, nachdem ich ihn unbeabsichtigt vom Nachttisch gewischt hatte, die Zeit konstant, aber sonst sehr exakt, 2 Stunden zu früh an.

Dem Ingenieur (zumindest Vater war einer) ist nichts zu schwör: Neues Ziffernblatt auf die durchsichtige Plastikscheibe gemalt und die Weckzeit entsprechend angepasst – schien eine brauchbare Idee zu sein. Irgendwo gab’s aber ein Problem, das ich offenbar nicht bedacht hatte: Am letzten Schultag war ich jedenfalls erst um 8.15 h wach statt der vermeintlichen 6.15 h. Peinlich…, weiß jetzt aber, wie es sich für manche meiner dauerverspäteten Schüler anfühlt, kurz vor 9 h ins Schulgebäude zu eilen.

Beim gerade beschafften Wecker werde ich mir aber dann noch einmal überlegen, ob ich wirklich draufhaue: Schönheit besiegt primitive Triebabfuhr (…und wo sind da die Rädchen?) Könnte man glatt als Devise für das neue Jahr ausgeben, das gerade mal zwei Tage alt ist…

Kommern 2016 – Vorweihnachtszeit entschleunigen

Schon einmal hatten wir im letzten Jahr unter ähnlichen Voraussetzungen (frisch erlittene Blessuren an der frischen Luft spazieren führen) den ersten Tag der Schulferien im Freilichtmuseum in Kommern verbracht. Man darf damit rechnen, dass kaum andere Menschen auf diese Idee kommen und hat das Museum quasi für sich.

Die alten Gebäude, aber auch das Quelle-Fertighaus aus den 60ern oder das Gasthaus aus der Voreifel entfalten in dieser Ruhe ganz besonders ihre Reize.

Auch die Aufsicht führenden Personen legten besonderen Ehrgeiz an den Tag, uns ihre Schätze und Ansichten zu zeigen. Nächstes Jahr gerne wieder…

Bastard of Istanbul – Elif Shafaks Auseinandersetzung mit dem Armenier-Genozid

The Bastard of Istanbul
The Bastard of Istanbul

für Dalita H.

Zunächst scheinbar ohne Bezug zueinander, erzählt Shafak die Geschichte von zwei jungen Frauen: Asya, im matriarchalen Haushalt der Mutter, deren drei Schwestern und zweier Großmütter in Istanbul aufwachsend, steht Armanoush gegenüber, deren armenisch-stämmiger Vater und ihre Mutter Rose, Landei aus Arizona, längst nicht mehr zusammen leben. Dafür hat Rose sich neu mit Mustapha liiert, der wiederum der Onkel von Asya ist und aus Gründen, die erst später klar werden, und auch weil er den Fluch der früh versterbenden Männer seiner Herkunftsfamilie fürchtet, in die USA ausgewandert ist.

Beide jungen Frauen begegnen einander, als Armanoush ihren beengenden amerikanischen Familien (sehr lustig die Schilderung, als Armanoush einen jungen Mann treffen möchte und die ganze Familie in den Überwachungsmodus versetzt ist) entflieht und etwas über ihre armenisch-türkischen Wurzeln in Istanbul erfahren will. Die Schilderung der Vorgeschichte von Armanoush berührt dann: Der Geschäftsmann Hovhannes Stamboulian wird am Abend, als er eine märchenhafte Erzählung (The story of a the little lost pigeon) für seine Frau fertigstellen möchte, in seinem Haus von einer Gruppe türkischer Soldaten heimgesucht, die ihn zum Schluss abführen. Eine rubinenbesetzte Brosche, ein Familienerbstück, bleibt zunächst im Haus der Stamboulians, wird aber anschließend durch das Hin und Her ihres Verbleibs zum Symbol einer gewaltsam beendeten Tradition von armenischem Leben in der Türkei. Die Schilderung dieser Vertreibung hat Shafak den Ritterschlag für widerständige türkische Schriftsteller und Journalisten verschafft. Sie wurde nach § 301, dem Gummiparagraphen, der die Beleidigung des Türkentums unter Strafe stellt, angeklagt, die Anklage aber später fallen gelassen.

Formal bedient sich der Roman Zutaten aus dem magischen Realismus, wenn die Djinns der weissagenden Tante auf die Handlung Einfluss nehmen. Eine moderne Zutat sind die Zitate aus einem Chat, der für Armanoush eine Möglichkeit darstellt, auch in der Fremde ihre Partner aus dem virtuellen Café Constantinopolis zu Zeugen und Begleitern ihres wagemutigen Besuchs in Istanbul zu machen. Im wahrsten Sinne gewürzt wird der Roman durch die Kapitelüberschriften, die – bis auf das Schlusskapitel – den Reichtum orientalischer Küche vermitteln, auf die sich Türken wie Armenier gleichermaßen beziehen können. Wahrscheinlich um Distanz zum Beschriebenen einnehmen zu können, hat Shafak den Bastard in Englisch geschrieben – ein Umstand, der ihr von Nationalisten quasi als Vaterlandsverrat um die Ohren gehauen wurde.

Alles in allem überzeugt Shafaks Roman formal und inhaltlich und besitzt genügend Finalspannung, um einen auf die Auflösung der familiären Rätsel gespannt sein zu lassen. Shafak zeigt sich mit dem Roman an der Seite anderer mutiger türkischer Kulturschaffender wie Fatih Akin und Orhan Pamuk, die sich der traurigen Vergangenheit stellen und ein wenig Hoffnung machen, dass sich die Türkei insgesamt irgendwann dem Genozid an den Armeniern stellen wird.

Elif Shafak, The Bastard of Istanbul, Penguin Books, 2007

Wanderkultur in der Pfalz

Weinbiethaus bei Neustadt
Weinbiethaus bei Neustadt

Das Wort „Wandern” war für unsere Kinder lange Zeit ein Unwort. Wollte man sie dazu animieren, war es z.B. in der Pfalz klug, eher vom Flammkuchen in den Hütten und von den Burgen auf den Bergen zu reden. Solche semantischen Klimmzüge müssen wir – ohne Kinder – nicht mehr anstellen. Die Vorstellung vom Wandern mit Trachtenhut, Lederhosen und Gamaschen spukt aber manchmal noch in meinem Kopf wie vordem vielleicht bei den Kindern.

Um so befreiender ist es, wenn sich Wandern als Breitensport zumindest in der Pfalz heute anders darbietet: Um den Nationalfeiertag herum waren wir in der Pfalz, dem Wein und dem Wandern zu Liebe. Das Charmante an einigen Orten wie Dürkheim, Deidesheim oder Neustadt ist, dass alle untereinander mit der Bahn verbunden sind. Man kann also am Rand des Hardt-Gebirges oder in den Weinbergen so lange wandern, bis man genug hat und fährt an den Ausgangsort zurück mit der DB.

Mir fiel dabei auf, dass die Pfälzer Wald Hütten heute eben nicht mehr diesen Fünfziger-Jahre-Geruch atmen, sondern von Jung und Alt und besonders von jungen Familien frequentiert werden. Mannheim, Ludwigshafen und andere Städte an der Rhein-Schiene haben offenbar viele Bewohner, die am Wochenende gerne mal im Wald wandern und dann auch in den Hütten einkehren. Die Preise dort sind so, dass keiner ausgeschlossen wird. Scheint die Sonne – wie hier im Weinbiethaus bei Neustadt – kann man es draußen bei Weinschorle oder Federweißen gut aushalten. Schade, dass mir diese Kombination aus Wandern und Genießen nördlich der Pfalz selten begegnet ist.

„music is the perfect art of understanding” – auf einer Überfahrt

Hardy Biermann Rhythmus

Wir schrieben das Jahr 1984 und die gewöhnliche Art nach Irland zu reisen, war die Fähre und kein Flugzeug wie heute. Im mütterlichen Kleinwagen befanden wir uns auf unserer ersten gemeinsamen Urlaubsreise ins Irland-Eldorado und nach beschwerlicher Anfahrt bis Le Havre konnten wir endlich auf der Fähre – Fahrtziel Rosselare – innerlich abspannen.

Als auf der 16stündigen Überfahrt die Nacht einbrach, machten wir es wie die Anderen: Die Disco im Boot war – nachdem der reguläre Disco-Betrieb beendet war –  für die, die es wünschten, zum Übernachten frei gegeben worden. Sicher 30 bis 40 Leute lagerten sich in Schlafsäcken wie wir auf dem grün-gräulichen Teppichboden, wir suchten uns irgendwo eine Ecke zum Lagern.

Es war noch keine Stunde vergangen, als plötzlich in den improvisierten Schlafsaal ein ungefähr 60jähriger Ire einbrach, der uns mit allen möglichen Sprüchen beschimpfte. I show you what hell is… war etwas, das sogar ich mit meinem schlechten Englisch verstand, das Meiste rauschte an mir vorbei. Die Leute um uns rum versuchten mit einer Mischung aus Belustigung und Ärger, den Alten zur Ruhe zu bringen – keine Chance angesichts dieser Suada. Der ganze Auftritt mochte vielleicht fünf Minuten gedauert haben, als sich die kaum nachvollziehbare Erregung des Alten legte und er noch diesen denkwürdigen Satz raushaute: music is the perfect art of understanding. Wenn mich nicht alles täuscht, gibt es von Thomas Mann einen ähnlichen Gedanken.

Der nächste Morgen fand den nächtlichen Ruhestörer im Sonnenschein auf Deck sitzend, ein Glas Guiness vor sich, die Fiddle gegen die Schulter gedrückt und mit großer Selbstverständlichkeit und einigen Mitspielern Irisches spielend. Ich schätze, keiner von denen, die der Alte nachts geweckt hatte, konnte ihm in irgendeiner Weise böse sein, alle schienen es zu genießen. Wie war sein Spruch gewesen?  Music is the perfect art of understanding. Wohl wahr…

 

 

Grab them by the pussy-Donald ist Präsident

Der erste Impuls: 4 x 12 mal das Wort „asshole” als Kommentar raushauen, am besten in Großbuchstaben für diesen Schmierlappen, einmal pro Monat der bevorstehenden Präsidentschaft. Aber wäre das vielleicht dann doch eher ein ungewollter Kotau vor dem Stammtischniveau, das mit Donald Trump demnächst ins Weiße Haus einzieht…? Wie lässt sich trotzdem auf diesen Mann reagieren, der eine Teflonbeschichtung zu besitzen scheint für alles, was mit Moral und Werten zu tun hat?

Einbinden

wahrscheinlich hat Angela Merkel das einzig Richtige getan, als sie einerseits eine Zusammenarbeit offerierte, diese aber andererseits an die Werte Deutschlands und der Europäischen Gemeinschaft knüpfte, nämlich „Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht sowie der Würde des Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung”. Man muss aber darauf hoffen, dass Merkel dann, wenn diese Werte vom zukünftigen Präsidenten verletzt werden sollten, nicht nur lauwarme Worte findet wie gegenüber Erdogan.

Mit seinen Versprechungen konfrontieren

Dass ausgerechnet weiße, männliche Arbeiter mit geringer Ausbildung Trump gewählt haben, ist vor allen den Ängsten einer Schicht zu verdanken, die sich in jeder Hinsicht abgehängt fühlt. Aber auch diese werden irgendwann die vollmundigen Ankündigungen („make America great again”) an dem messen, was sie am Monatsende im Portemonnaie vorfinden. Ich hoffe, dass die Demokraten und dort vor allem die Sanders-Leute nicht müde werden, da den Finger in die Wunde zu legen.

Schadensbegrenzung

Gespannt bleibt, wie sich die Republikanische Partei zu Trump stellen wird. (Wahl-)Erfolg wirkt in gewisser Weise korrumpierend, bevor aber die eigene Partei dauerhaft Schaden nimmt, würden sie aber wahrscheinlich auch Trump behindern, wenn dieser völlig aus dem Ruder laufen sollte. International wird Trump, so rabaukenhaft und jenseits von Gut und Böse er sich gerne gibt, dann doch eher früher feststellen, dass er nicht alle gefahrlos vor den Kopf stoßen kann. Hier werden die Zwänge eines Präsidentenamtes zügelnd wirken, die der vormalige Wahlkampfmatador voluntaristisch bei Seite schieben konnte.

Impeachment

Trump hat ein insgesamt ein eher entspanntes Verhältnis zu diversen Gesetzen wie nicht nur seine sexuelle Übergriffigkeit gegenüber verschiedenen Frauen gezeigt hat. Sollte er diese Haltung auch gegenüber Verfassungsgrundsätzen der USA zeigen, gibt es noch das Instrument des Impeachment, mit dem dann gegen ihn vorgegangen werden kann. Immerhin ist damit der amerikanische Präsident Nixon von der Macht entfernt worden.

Nach vorne denken

Dass in Europa Leute vom Schlage eines Nigel Fürdenarsch oder Geert Wilders jetzt „bravo” schreien, war abzusehen. Atmen wir einmal durch, wäre mein Vorschlag, und zeigen, dass Europa und die EU einiges von dem, für das mal die Vereinigten Staaaten von Amerika gestanden haben (Zufluchtsort der Verfolgten, Ort für verschiedene Lebensentwürfe, Achtung der Vielfalt von Sprachen und Kulturen unter dem einigenden Dach einer von allen akzeptierten Verfassung…), besser kann und beobachtbar praktiziert. Und dann warten wir einfach mal ab. Ach ja, amerikanische Produkte muss man ja nicht jeder Zeit kaufen, wir können ja auch mit einem Kaufverzicht oder -aufschub deutlich machen, dass wir die Wähler vom 8.11.2016 nicht verstehen.

Willkommen und Anpassung — kein Goethe-Gedicht

Ich unterrichte an einer Hauptschule im Kölner Norden. In meiner siebten Klasse haben von 24 Schülern fünf einen deutschen Familiennamen. Das ist in den meisten Kölner Hauptschulen auch nicht anders und stellt zunächst überhaupt kein Problem dar.

Es gibt allerdings ein gewisses Problem damit, dass unter den Schülern mit Migrationshintergrund eine Gruppe zahlenmäßig dominiert: 12 Schülerinnen und Schüler haben einen türkischen Familienhintergrund und manche leiten aus diesem Umstand Forderungen ab, die ihrer Integration  in die deutsche Gesellschaft nach meinem Verständnis im Wege stehen.

Schreibweise der Namen

Türkische Vor- und Familiennamen enthalten, wenn man im Sinne der türkischen Rechtschreibung richtig schreiben will, einige Zeichen, die im Deutschen nicht nur unbekannt sind, sondern die auch am Computer nur mit Hilfsprogrammen erzeugt werden können. Solche Namen sind beispielsweise Tu?ba oder Asl?. Das „g” mit Tilde sorgt dafür, dass das  „g” in der Aussprache unberücksichtigt bleibt, das „?“ bei Asl? bewirkt am Ende einen Schwa-Laut vergleichbar dem letzten Laut des englischen „formula”.

Eine meiner Schülerinnen besteht darauf, dass ihr Name in diesem Sinne in türkischer Schreibweise z.B. bei einer Auflistung an der Tafel „richtig” geschrieben wird. Ich antworte darauf in zweierlei Weise: Zunächst sage ich der Schülerin, dass ich gut verstehen kannn, dass ihr Name korrekt ausgesprochen wird. Das billige ich jedem Schüler zu und ich denke, dass ich über die Jahre gelernt habe, alle fremdländischen Namen richtig auszusprechen.

Australien…

Im zweiten Argument, weshalb ich mich im Sinne der Integrationsinteressen der Schülerin weigere, ihrer Forderung nach der für sie richtigen Schreibweise nachzukommen, kommt mein Bruder ins Spiel. Er ist vor 11 Jahren nach Australien ausgewandert und heißt nun – Umlaute sind in Australien nicht vorgesehen – „Junger”. Soweit ich das aus der Ferne beurteilen kann, hat das keine Gefühle von mangelnder Akzeptanz bei ihm ausgelöst, das war der Anpassungsprozess, den er für die Aufnahme in die australische Gesellschaft leisten musste. Punkt. (Dass ich mich selbst in englisch- oder französischsprachigen Kontexten meistens als George vorstelle, lasse ich für die Schülerin lieber weg: Sie würde es nicht verstehen…) 

Würde mein Bruder auf der Schreibweise mit „ü” bestehen, würde er nicht nur Kopfschütteln auslösen, sondern könnte alle Hoffnungen auf berufliches und gesellschaftliches Fortkommen in Australien in den Kamin schreiben. Dies versuche ich meiner Schülerin deutlich zu machen und scheitere damit regelmäßig. Vielleicht versuche ich es demnächst mal so: Wenn ich ins Kino will, um einen spannenden, schönen Film zu sehen, muss ich auch einen Eintrittspreis bezahlen, um an der Vorführung teilnehmen zu können. Ich brauche mir aber deswegen nicht einzureden, dass die Kino-Besitzerin mich wegen des abverlangten Eintritts nicht mag…

Vielleicht können wir auch irgendwann auf eine sprachlich vollzogene Integration zurückblicken. Immerhin ist in Köln aus Miloviç irgendwann Millowitsch und damit der Kölner Vorzeigevolksschauspieler geworden…