Frieden in Israel / Palästina

Seit 1948 haben die häufig gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Juden und Palästinsern nur kurzfristig ausgesetzt: Ein Land zwei mal unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu versprechen (Balfour-Deklaration) und der Gegensatz zwischen den Rechten angestammter Bewohner und einer Heimstatt für Juden jenseits aller Verfolgungen barg einen fatalen Spaltpilz in der Region in sich.

75 Jahre später stellt sich das Problem noch immer: Wie können Jüdinnen und Juden (neben Drusen und anderen arabischen Israelis) Seite an Seite mit Palästinerserinnen und Palästinensern gemeinsam auf engem Raum, womöglich sogar sich wechselseitig befruchtend, leben? Bislang haben die Hau-draufs die Oberhand und ein Netanjahu – auf israelischer Seite – ist schon den demokratisch gesonnenen Israelis ein Greuel. Auch die Siedler-Bewegung, von Netanjahu und Konsorten ermutigt und keineswegs auf Gesetze verpflichtet, treibt ein böses Spiel. Ohne eine Einhegung dieser Konflikte von beiden Seiten – Israelis wie Palästinensern – wird nichts, was den Namen Frieden verdient, im Nahen Osten möglich werden.

Dazu ein Kommentar aus Dagens Nyheter (Quelle: FAZ, 8.11.23):
Israel wird oft Kolonialismus vorgeworfen. Der Gazastreifen ist nicht 'kolonisiert', er wird von der Hamas kontrolliert und benutzt, um den jüdischen Staat mit Terror anzugreifen. Doch Israels Vorgehen im Westjordanland, dem anderen palästinensichen Gebiet, lässt sich von den Feinden des Landes leichter nutzen, um Tel Aviv Kolonialismus vorzuwerfen. Und es macht es uns Freunden Israels bedeutend schwerer, sein Vorgehen zu verteidigen. Israelische Siedler vertreiben Palästinenser von Land, auf dem sie seit Generationen leben. Nach UN-Angaben sind seit den Terrorangriffen der Hamas am 7. Oktober mindestens 132 Palästinenser im Westjordanland durch israelische Truppen oder Siedler getötet worden. Im Durchschnitt gibt es sieben Angriffe durch Siedler pro Tag. Ein guter Freund ist einer, der ausspricht, wenn sich jemand verwerflich verhält, und der nicht so tut, als sei nichts geschehen. Die Gewalt und der Landraub durch Siedler im Westjordanland und Israels stillschweigende oder sogar aktive Unterstützung müssen aufhören.

Schweigemarsch zur Synagoge in Köln

Auch ohne den barbarischen Überfall der Hamas auf Israel am 7.10. ballt sich um den 9.11. herum das Gedenken an Verschiedenes mit Bezug zum Thema Judentum. In diesem Umfeld, zu dem am 9.11. die Erinnerung an die Reichsprogromnacht gehört, riefen an diesem Dienstag die christlichen Kirchen in Köln zu einem Schweigemarsch vom Roncalli-Platz zur Synagoge an der Roonstraße auf. Hier stand der jüngste Überfall im Gaza-Streifen im Mittelpunkt. Etwa 2.500 Menschen folgten dem Aufruf und setzten in der Kölner Stadtgesellschaft ein Zeichen gegen Antisemitismus.

Gerade wenn andere gesellschaftliche Gruppierungen wie die Linke oder feministische Kreise beim Thema „Israel” häufig schnell zur Tagesordnung übergehen wollen, ist es ein gutes Zeichen, dass Kirchen ein wenig von ihrer zivilgesellschaftlichen Rolle wieder entdecken. Sie ist über den noch immer schwelenden Missbrauchsskandal reichlich in den Hintergrund gerückt. Andererseits könnten Kirchen mit dem längeren Zeithorizont ein gutes Gegengewicht gegen falsche tagespolitische Zuspitzungen spielen.

Was ist zu melden? Robert Kleine gab zu Beginn der Veranstaltung einige klare und deutliche Gedanken zum Anlass zu Gehör. Zügig setzte sich dann der Schweigegang in Bewegung und führte an der 1938 zerstörten Synagoge von 1861 in der Glockengasse vorbei.

Es wäre schön, wenn bei anderen Gelegenheiten dieser Art mehr jüngere Kölnerinnen und Kölner auf die Straße fänden. Ich fühle mich auch mit jüngeren Menschen wohl…

Der PiS(s) kann weg…

Alle, denen Demokratie, Menschenrechte und Gerechtigkeit am Herzen liegen, dürfen seit dem 15.10. aufatmen: Auch wenn die PiS, geführt von Kaczynski weiter stärkste Kraft ist, hat ein Wahlbündnis um die Partei von Donald Tusk in Polen ausreichend Stimmen gewonnen. Diese Parteien können nun die nächste Regierung bilden. Dies gilt selbst dann, wenn Präsident Duda noch auf eine zeitliche Verzögerung setzt.

Damit haben Homophobie, die schleichende Umwandlung von Polen in einen autoritären Staat, wenn nicht in eine Diktatur und ein total verkürztes und entstelltes Pseudo-Christentum ausgedient. Auch der Versuch, anti-deutsche Ressentiments zu befeuern und in Stimmen für die PiS umzumünzen, hat nicht gefruchtet.

Nachschrift 10.11.: Erfreulich, dass heute trotz des Störfeuers von Präsident Duda die Parteien um Tusk Schritte unternehmen, um eine polnische Regierung nach Mehrheitsmeinung und nicht nach Gusto von Duda oder Kaczynski zu bilden.

Sinéad O‘Connor

Die Familie der im Juli 2023 verstorbenen Sinéad O’Connor hat mit Recht darum gebeten, nichts zu den Umständen von dem Tod der irischen Sängerin sagen zu müssen. Die Umstände sprechen dafür, dass ihr 2022 der Tod ihres 17jährigen Sohnes Shane durch Suizid entgültig den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Dafür habe ich allergrößtes Verständnis.

Musik

Was bleibt von ihr? An erster Stelle sicher ihr Album I do not want what I haven’t got, das 1990 erschien.  Dort schuf sie eine neue Mischung aus häufig Drum Machine basierten Schlagzeuglinien, Folklorelementen, Streicherklängen und einer ausdrucksstarken Stimme. Mit ihr konnte sie in einer Liedzeile von ordinär auf glockenreine Kopfstimme umschalten. Die Texte dieses Albums wie auch des Vorgängeralbums The Lion and the Cobra waren fast durchweg sehr persönlich gehalten und häufig von einer schonungslosen Offenheit.

Als Musikerin hat sie übrigens nicht nur ihre eigenen Projekte seit Jugendzeit vorangetrieben, sondern ist auch mit vielen bekannten oder weniger bekannten Musikerinnen und Musikern aufgetreten. Zu diesen gehören Pink Floyd, Peter Gabriel, Prince, die Chieftains und andere. Einige typische Stücke von ihr finden sich hier. Zumutungen des Musikbetriebs, was Äußerliches angeht, wusste sie zurückzuweisen. Lieber verzichtete sie z.B. auf eine Grammy-Ehrung.

Religion

Wer sich lumen Christi (der Liedruf Licht Christi ist Teil der Osterliturgie) auf die Hand tätowieren lässt oder in feel so different den Serenity Prayer von Niebuhr zitiert, muss eindeutig ein Interesse an Religion haben. Auch auf diesem Gebiet blieb Sinéad O’Connor eine Suchende: Sie hat sich zur Priesterin einer Abspaltung der katholischen Kirche weihen lassen, hat verschiedene Namen angenommen und schließlich in Abgrenzung von ihrer katholischen Herkunft 1992 ein Bild von Papst Johannes Paul II. zerrissen. 2018 konvertierte sie zum Islam und nahm den Namen Shuhada‘ Sadaqat an. Im Musikleben behielt sie ihren alten Namen bei.

Familie

O’Connor hat ihre Familie als dysfunktional beschrieben. Von der Mutter heißt es, dass sie Sinéad geschlagen habe. Die Zerwürfnisse in der Familie bewirkten, dass sich die Eltern schließlich trennten und der Vater in die USA zog. Die Mutter blieb hingegen alkoholkrank in Dublin. Diese verunglückte bei einem Autounfall, als Sinéad 18 war. Die harsche Kritik an beiden Eltern relativierte ihr Schriftsteller-Bruder Joseph, sprach aber trotzdem, die schädliche Wirkung Mutter qualifizierend, von “extreme and violent abuse, both emotional and physical“. Sinéad lebte deswegen schon früh in verschiedenen Einrichtungen außerhalb der Familie. Auch wenn diese alles andere als perfekt waren, erhielt sie dort mehr Freiraum als andere Mädchen und konnte schon früh ihre Musikinteressen verfolgen.

Die Zerwürfnisse, die Sinéad in ihrer Herkunftsfamilie erlebte, blieben ihr auch bei Partnerschaften, die sie einging, nicht erspart. Vier Eheschließungen folgten vier Trennungen. Sie brachte vier Kinder in diesen Beziehungen zur Welt, von denen ihr der Sohn Shane besonders nahe stand.

R.I.P., Sinéad O’Connor.

 

Sehr ausführlich über Sinéad O’Connor hat die Irish Times berichtet, von wo ich auch die Fotos für die Fotomontage genommen habe.

Kardinalfehler Woelki #4

Dilige et fac ut vis. (Augustinus)

Dieser Satz des Kirchenlehrers Augustinus (*354 – †430) lässt sich mit Liebe und [dann] tue was du willst übersetzen. Man mag kaum glauben, was im Namen der Liebes-Religion Christentum in Köln aus diesem Satz gemacht wird. Ein Woelki springt nur allzu bereitwillig auf eine Denunziation des Mettmanner Pfarrers Ullmann in Rom auf, der gleichgeschlechtliche Paare gesegnet hatte.

Wer kann allen Ernstes daran zweifeln, dass sich schwule und lesbische Paare weniger lieben als dies Hetero-Paare tun? Kirche stände es nur zu gut an, angesichts der Vielzahl von schlecht aufgearbeiteten Missbrauchsskandalen in den eigenen Reihen hier mit Demut und Bescheidenheit voranzugehen.

Christoph Kuckelkorn hat die ganze Absurdität der Situation mit einem Facebook-Beitrag deutlich gemacht: Bierfässer werden gesegnet, gleichgeschlechtlich liebenden Paaren wird dieser Segen vorenthalten.

dilige et fass ut vis – die Lesart des Kardinals

Gut, dass drei Bischöfe in NRW wie auch Stadtdechant Kleine deutlich gemacht haben, dass sie diesen Irrsinn nicht mittragen. Bis Herr Woelki den schon lange überfälligen Rücktritt von seinem Kardinals- und Bischofsamt vollzieht, sollten wir ihm den Gehorsam und die Kooperation aufkündigen. Sie mögen subjektiv glauben, Herr Woelki, irgendeiner hehren Sache zu dienen. De facto machen sie aus dem Christentum eine Lachnummer.

Ceterum censeo Woelkium esse retractandum…* (Im übrigen meine ich, dass Woelki zurücktreten muss.)

Denkmal für Armenier-Genozid erhält Fürsprecherin*

Mit Henriette Reker erhält das bislang Jahr um Jahr wieder abgebaute Denkmal zur Erinnerung an den im Gebiet der heutigen Türkei verübten Genozid eine prominente Fürsprecherin.  (KStA 10./11.6.23) Es wird sich erweisen, ob die Initiative „Völkermord erinnern“, die Stadt Köln und die Kräfte der Zivilgesellschaft sich gegen die Pressionen von Ditib, Grauen Wölfen und „Initiativ Türk“ durchsetzen können und diesem Denkmal einen dauerhaften Platz sichern.

Für Hitler war dieser Genozid an 1,1 bis 1,4 Millionen christlichen Armeniern die Blaupause, um den Genozid an den europäischen Juden voranzutreiben. Sein Kalkül: Wenn ein Genozid dermaßen unbeachtet bleibt von weiten Teilen der Welt, wird eine Ermordung der Juden ebensowenig Aufmerksamkeit verursachen. Deutsche Mitverantwortung für ein Gedenken an diesen Genozid entsteht auch aus der Situation im 1. Weltkrieg: Das Deutsche Reich und das Osmanische Reich waren Bündnispartner. Obwohl sich der Völkermord im „Hinterhof“ dieser Bündnispartner vollzog, opponierten nur wenige Deutsche wie Johannes Lepsius und Armin T. Wegner gegen dieses Morden.

Gegen alle Versuche, den historisch gut belegten Völkermord schlankweg zu leugnen, stehen erfreulicher Weise auch einige wenige türkischstämmige Deutsche wie Cem Özdemir.

Links:
Initiative Völkermord erinnern
Dokumentation Aghet auf facebook
Franz Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh (Verarbeitung des Genozids in Romanform)
Armin T. Wegner, Die Austreibung des armenischen Volkes in die Wüste (Wallstein-Verlag)

*Ich bin in der Vergangenheit nicht mit allen Entscheidungen von Frau Reker einig gewesen.

Kardinalfehler Woelki #3

Christentum bekennen

Pfingsten, das Fest, das Christinnen und Christen mit der Begründung von Kirche verbinden, liegt eine Woche zurück. Kirche, so wurde mir zu Beginn meines kleinen Theologie-Studiums vermittelt, konstituiert sich durch drei, bei manchen durch vier, Begriffe: Dies sind die Elemente Martyria (Bekenntnis), Liturgia (Austausch mit Gott im Gottesdienst), Diakonia (praktisches Umsetzen der Nächstenliebe) und – manche fügen noch hinzu – Koinonia (Gemeinschaft).

Liturgia und Diakonia funktionieren – wenn man das so nennen will – einigermaßen. Das Bekenntnis des Glaubens, bei dem die eigene, je individuelle und persönliche Entscheidung zum Glauben benötigt wird (Martyria), hat sich aber für viele Menschen in Deutschland erledigt. Sie verlassen in Scharen die Kirche, weil das Bekenntnis zu Christus durch den Apparat korrumpiert wird. Und es sind nicht diejenigen, die sich vor Jahren vielleicht an Heilig Abend in die Kirche aufgemacht haben und sonst nicht. Es sind die Hard Core-Katholikinnen und -Katholiken, die Kommunionsvorbereitung mitgestaltet haben, die im Pfarrgemeinderat saßen oder die regelmäßig die Kirche besuchten, die sich enttäuscht abwenden. Eine Zahl für das Erzbistum Köln: Nachdem die Corona-Zeiten die Zahlen zwischendurch aus technischen Gründen vermindert haben, haben im Jahr 2022 alleine im Amtsgerichtsbezirk Köln 20.331 katholische Christinnen und Christen die Kirche als rechtliche Körperschaft verlassen. Wer will es ihnen verdenken? Die Impertinenz, mit der Amtskirche auf diese Abstimmung mit den Füßen reagiert, zieht einfach weitere, die gerade weil ihnen ihr persönlicher Glauben wichtig ist, nach sich. Die können auf diese Sturheit ihnen gegenüber und für ihre Anliegen nur mit dem Gang zum Amtsgericht reagieren.

Welches Maß an Begriffsstutzigkeit und Realitätsverleugnung muss man aufbringen, Herr Woelki, um sehenden Auges gerade mal nichts zu tun angesichts der Selbstzerlegung der katholischen Kirche hier? Es ist evident, dass die gegebene Sozialform der Kirche nicht überlebensfähig ist. Für diesen Befund sind Sie nur ein Puzzlestein. Dass Sie aber, Herr Woelki, den Eindruck vermitteln, dass die katholische Kirche hier Ihr Privateigentum ist, ist schlichtweg ein Skandalon. Das Vertrauen, das Generationen von Gläubigen in die katholische Kirche aufgebaut haben und in sie investiert haben, ist so gut wie restlos aufgebraucht. Menschen, die ihren eigenen Glauben wertschätzen, werden vor die Alternative gestellt, ihren christlichen Glauben hochzuhalten oder einer Institution den Rücken zu stärken, die vielem von dem für wichtig Gehaltenen in ihrer alltäglichen Praxis (Beispiel: Inklusion statt Ausschluss von LGBQ+-Menschen) widerspricht.

Lassen Sie es jetzt endlich gut sein. Sogar Päpste sind von ihrem Amt zurückgetreten, wie ein Blick auf Papst Coelestin und Papst Benedikt zeigt. Auch der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick ist im November 2022 zurückgetreten. Keiner muss an einer Stelle ausharren, die der Kirche und vermutlich auch Ihnen selbst nicht gut tut. Machen Sie den Weg frei für einen Neuanfang im Bistum…

Ceterum censeo Woelkium esse retractandum…

Fünf weitere Jahre mit dem Schnäuzer

Den Schnäuzer haben wir also 5 weitere Jahre an der Backe. Eine galoppierende Inflation, starke staatliche Überschuldung, dramatischer Rückgang der Lebensqualität der meisten Türkinnen und Türken, eine desorganisierte und viel zu spät kommende Rettungsaktion nach dem letzten großen Erdbeben im Februar – all’ das hat Erdogan offenbar kaum geschadet. Allerdings fanden die Parlamentswahlen unter Bedingungen statt, die kaum das Attribut „demokratisch” verdienten. Erdogan war z.B. auf 31 Fernsehsendern ständig präsent, sein Herausforderer Kilicdaroglu durfte nur in einem Fernsehsender auftreten. Dass der populäre Bürgermeister von Istanbul Imamoglu aus fadenscheinigen Gründen von der Bewerbung zu den Wahlen ausgeschlossen wurde, war ein weiterer Baustein für Erdogans Erfolg bei den Wahlen vor einer Woche.

Was mich besonders befremdet, ist die hohe Zustimmung zu Erdogan in Deutschland. In vielen Städten hat er über 60 % der Stimmen der in Konsulaten erfassten Stimmen erhalten. Was läuft schief, wenn sich Menschen, die trotz der freien Berichterstattung hier Erdogan wie eine Vaterfigur bejahen und wählen? Eine Antwort habe ich bei Ruud Koopmans, Das verfallene Haus des Islam gefunden. In seinem mit Statistiken gespickten Buch führt er aus, dass hohe Kinderzahl in den türkischen Familien, Orientierung auf die eigene Herkunftsgruppe, schlechtere Sprachkenntnisse im Vergleich zu anderen Migrantengruppen ein Wechselspiel von schlechterem Selbstwertgefühl, schlechteren Bildungsabschlüssen und mangeldem beruflichen Erfolg nach sich ziehen. Er schreibt:

Im Einwanderungskontext behindern außerdem die religiösen Regeln des Islam (…) den Kontakt zu Nichtmuslimen, zum Beispiel weil gemischtgeschlechtliche Aktivitäten vermieden oder Ehen mit Nichtmuslimen abgelehnt werden. Der Mangel an Freundschaften und familiären Bindungen zu Mitgliedern der Aufnahmegesellschaft wirkt sich sehr negativ auf die Arbeitsmarkt- und Bildungschancen der Muslime aus. Dies betrifft auch den Spracherwerb, sowohl für erwachsene Migranten als auch für ihre Kinder. Wer die Sprache nicht gut beherrscht, hat es schwerer, einen Job zu finden, und Kinder, die in der Schule zum ersten Mal mit der Landessprache in Berührung kommen, können ihre Bildungsnachteile oft nie mehr ausgleichen. So ergibt sich ein intergenerationeller Teufelskreis von soziokultureller Segregation und sozioökonomischer Benachteiligung, der dazu führt, dass die soziale Mobilität von Muslimen hinter der anderer Einwanderergruppen zurückbleibt. [ebd., S.209]

Was Koopmans schreibt fand ich vielfach in meiner Arbeit als Hauptschullehrer in Köln bestätigt.

Dass dies nicht auf jede muslimische Community zutreffen muss, zeigt allerdings ein Blick auf die aus dem Iran stammenden Menschen. Nicht von ungefähr wurde der zu ihr gehörende Schriftsteller Navid Kermani auch schon mal als Kandidat für das Bundespräsidenten-Amt gehandelt. Die allermeisten sind gut integriert, nicht zuletzt weil sie sehr bildungsoriertiert sind. Stellen wir uns vor, eine Figur aus dem Iran, die Erdogan entspräche, dürfte hier in Deutschland auch von Exil-Iranerinnen und -Iranern gewählt werden. Ich würde eine Flasche Wein wetten, dass ein solcher Kandidat maximal 5 Prozent der Stimmen bekäme. Das sehe ich offenbar nicht alleine so, wie folgende Zuschrift im Netz zeigt:

Es ist schade, dass Menschen wie Ugur Sahin und Özlem Türeci von Biontech Ausnahmen für gelungene Bildungsbiographien Türkischstämmiger in Deutschland geblieben sind.

Study war no more – hoffentlich irgendwann

Im heimischen Plattenschrank gab es einige Single-Platten (gelbe Hülle, Fono-Ring) mit dem Titel Negro Spirituals – Das hieß damals so… Eine der Platten enthielt das Spiritual-Stück Study war no more. Eine immer noch hin- und mitreißende Idee, dass sich die Menschen nicht mehr die Köpfe einschlagen mögen. Nicht zuletzt inspiriert durch Bibelverse wie

Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. [Mi 4,3]

Seit dem 24.2.2022 sollte aber klar sein, dass ein voll entfalteter Aggressionskrieg gegen die Ukraine kein dezentes Wegschauen zulässt. Wer sich grundsätzlich über diesen Krieg, aber auch die Widerstandsbewegung im Iran #frau – leben – freiheit informieren möchte, ist beim Institute for the Study of War gut aufgehoben. Sorgfältig recherchierte Nachrichten und Bewertungen mit einem umfangreichen Anmerkungsapparat. Auch für diese Einrichtung sind Spenden sehr sinnvoll. Wer sich mit dem Englisch der Seiten schwer tut, installiert ein Übersetzungs-Plugin. Für Firefox leistet das hervorragende Dienste.

Ich vermute, dass ich Zeiten, in denen ein solches Institut nichts mehr zu berichten hat, nicht mehr erleben werde. Den Horizont, für kriegsarme oder sogar kriegslose Zeiten einzutreten, sollten wir nicht aufgeben.