Stoppen Sie die Moskauer Brandstifter

Am Freitag, 8.12.23, fand ich im Tagesspiegel diesen deutlichen und auch von mir unterzeichneten Aufruf. Besser lesbar ist er hier. Statt allgemein Versäumnisse in der Vergangenheit in der Haltung zu Russland einzuräumen, wie es Herr Mützenich kürzlich tat, würde ich mir eine handfeste und tätige Korrektur dieser Haltung wünschen.

Synagogen, die den 9. November 1938 überdauert haben

Erinnerungskultur an die Shoah wird in den nächsten Jahren andere Formen annehmen, wenn die letzten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen dieses Verbrechens tot sind. Wir werden dann vermutlich vermehrt auf die steinernen Zeugnisse sehen, die Jüdischsein in Deutschland dokumentieren.

Eine kuriose Entdeckung habe ich letztens beim Wandern in Edesheim (südlich von Neustadt und Edeskoben) gemacht. Dort waren bereits 1931 nicht mehr die 10 Männer verfügbar, die für einen jüdischen Gottesdienst benötigt werden. Die Synagoge wurde daher aufgegeben, eine Weile wurde nur noch das Obergeschoss als Betraum genutzt. Die Nazis ließen daher das Gebäude am 9.11.38 – ähnlich wie in Deidesheim – unversehrt. (In Deidesheim hatte ein Winzer Gerätschaften in der ehemaligen Synagoge abgestellt und konnte die Brandstifter in der Reichsprogromnacht vom Zündeln abhalten.)

Zurück nach Edesheim: Dort hat die ehemalige Synagoge in den 80er und 90er Jahren als Puff gedient. Wie ein solches Etablissement aussieht, konnte ich selbst einmal betrachten, nachdem mich der Nachbar und neue Besitzer (ab 2002) zu einem Rundgang einlud. Schön wäre es, wenn dieser immer noch besondere Raum in Zukunft ähnlich wie in Deidesheim  für Veranstaltungen oder als kleines Museum genutzt werden könnte. In Deidesheim hat sich dazu ein Freundeskreis der ehemaligen Synagoge gebildet.

Der Schnäuzer ist (wieder) da

Nein, nicht einmal einem Scholz ist zuzumuten, sich mit diesem „Diktator“ (Draghi, 8.4.2021) treffen zu müssen. Dieser Erdogan-…Mensch steht für eine Türkei, die zumindest vom Einflussbereich her nahtlos an ein Osmanisches Reich anknüpfen möchte, und die gleichzeitig im eigenen Land für Unterdrückung, Missachtung von Menschenrechten und wirtschaftlichen Niedergang steht. Diesem Mann muss man bei allem nötigen Pragmatismus nicht den Hof machen.

Wer noch Zweifel hat, wes Geistes Kind die offizielle Türkei ist, wird durch einen Vorgang aus einer Ditib geleiteten Moschee in Köln-Chorweiler belehrt. Dort durfte ein Taliban-Vertreter aus Afghanistan in den letzten Tagen für Unterstützung der Taliban werben. Diese Handlung fällt letztlich zurück auf den türkischen Staat, der via der staatlichen Religionsbehörde Diyanet die Ditib in Deutschland steuert.

Staatliche menschenfeindliche Politik der Türkei zur Kenntlichkeit verändert…

Frieden in Israel / Palästina

Seit 1948 haben die häufig gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Juden und Palästinsern nur kurzfristig ausgesetzt: Ein Land zwei mal unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu versprechen (Balfour-Deklaration) und der Gegensatz zwischen den Rechten angestammter Bewohner und einer Heimstatt für Juden jenseits aller Verfolgungen barg einen fatalen Spaltpilz in der Region in sich.

75 Jahre später stellt sich das Problem noch immer: Wie können Jüdinnen und Juden (neben Drusen und anderen arabischen Israelis) Seite an Seite mit Palästinerserinnen und Palästinensern gemeinsam auf engem Raum, womöglich sogar sich wechselseitig befruchtend, leben? Bislang haben die Hau-draufs die Oberhand und ein Netanjahu – auf israelischer Seite – ist schon den demokratisch gesonnenen Israelis ein Greuel. Auch die Siedler-Bewegung, von Netanjahu und Konsorten ermutigt und keineswegs auf Gesetze verpflichtet, treibt ein böses Spiel. Ohne eine Einhegung dieser Konflikte von beiden Seiten – Israelis wie Palästinensern – wird nichts, was den Namen Frieden verdient, im Nahen Osten möglich werden.

Dazu ein Kommentar aus Dagens Nyheter (Quelle: FAZ, 8.11.23):
Israel wird oft Kolonialismus vorgeworfen. Der Gazastreifen ist nicht 'kolonisiert', er wird von der Hamas kontrolliert und benutzt, um den jüdischen Staat mit Terror anzugreifen. Doch Israels Vorgehen im Westjordanland, dem anderen palästinensichen Gebiet, lässt sich von den Feinden des Landes leichter nutzen, um Tel Aviv Kolonialismus vorzuwerfen. Und es macht es uns Freunden Israels bedeutend schwerer, sein Vorgehen zu verteidigen. Israelische Siedler vertreiben Palästinenser von Land, auf dem sie seit Generationen leben. Nach UN-Angaben sind seit den Terrorangriffen der Hamas am 7. Oktober mindestens 132 Palästinenser im Westjordanland durch israelische Truppen oder Siedler getötet worden. Im Durchschnitt gibt es sieben Angriffe durch Siedler pro Tag. Ein guter Freund ist einer, der ausspricht, wenn sich jemand verwerflich verhält, und der nicht so tut, als sei nichts geschehen. Die Gewalt und der Landraub durch Siedler im Westjordanland und Israels stillschweigende oder sogar aktive Unterstützung müssen aufhören.

Schweigemarsch zur Synagoge in Köln

Auch ohne den barbarischen Überfall der Hamas auf Israel am 7.10. ballt sich um den 9.11. herum das Gedenken an Verschiedenes mit Bezug zum Thema Judentum. In diesem Umfeld, zu dem am 9.11. die Erinnerung an die Reichsprogromnacht gehört, riefen an diesem Dienstag die christlichen Kirchen in Köln zu einem Schweigemarsch vom Roncalli-Platz zur Synagoge an der Roonstraße auf. Hier stand der jüngste Überfall im Gaza-Streifen im Mittelpunkt. Etwa 2.500 Menschen folgten dem Aufruf und setzten in der Kölner Stadtgesellschaft ein Zeichen gegen Antisemitismus.

Gerade wenn andere gesellschaftliche Gruppierungen wie die Linke oder feministische Kreise beim Thema „Israel” häufig schnell zur Tagesordnung übergehen wollen, ist es ein gutes Zeichen, dass Kirchen ein wenig von ihrer zivilgesellschaftlichen Rolle wieder entdecken. Sie ist über den noch immer schwelenden Missbrauchsskandal reichlich in den Hintergrund gerückt. Andererseits könnten Kirchen mit dem längeren Zeithorizont ein gutes Gegengewicht gegen falsche tagespolitische Zuspitzungen spielen.

Was ist zu melden? Robert Kleine gab zu Beginn der Veranstaltung einige klare und deutliche Gedanken zum Anlass zu Gehör. Zügig setzte sich dann der Schweigegang in Bewegung und führte an der 1938 zerstörten Synagoge von 1861 in der Glockengasse vorbei.

Es wäre schön, wenn bei anderen Gelegenheiten dieser Art mehr jüngere Kölnerinnen und Kölner auf die Straße fänden. Ich fühle mich auch mit jüngeren Menschen wohl…

Auto laut Pimmel klein

Männer der Levante: Es gibt doch überzeugendere Möglichkeiten, Männlichkeit zu zeigen als hochmotorisiert durch die Gegend zu brettern – oder…
Männer der Levante: selbst- und fremdgefährdend durch die Straßen zu brettern ist nicht männlich …
auch deutsche Kartoffeln sind nicht gegen Raserirrsinn gefeit. Interessant diese Innensicht von SZ-Autor Philipp Mausshardt: Die Lebensbeichte eines Rasers

Der PiS(s) kann weg…

Alle, denen Demokratie, Menschenrechte und Gerechtigkeit am Herzen liegen, dürfen seit dem 15.10. aufatmen: Auch wenn die PiS, geführt von Kaczynski weiter stärkste Kraft ist, hat ein Wahlbündnis um die Partei von Donald Tusk in Polen ausreichend Stimmen gewonnen. Diese Parteien können nun die nächste Regierung bilden. Dies gilt selbst dann, wenn Präsident Duda noch auf eine zeitliche Verzögerung setzt.

Damit haben Homophobie, die schleichende Umwandlung von Polen in einen autoritären Staat, wenn nicht in eine Diktatur und ein total verkürztes und entstelltes Pseudo-Christentum ausgedient. Auch der Versuch, anti-deutsche Ressentiments zu befeuern und in Stimmen für die PiS umzumünzen, hat nicht gefruchtet.

Nachschrift 10.11.: Erfreulich, dass heute trotz des Störfeuers von Präsident Duda die Parteien um Tusk Schritte unternehmen, um eine polnische Regierung nach Mehrheitsmeinung und nicht nach Gusto von Duda oder Kaczynski zu bilden.

Scholz stiehlt sich aus der Verantwortung

Bundeskanzler Scholz – Kernkompetenz Griemeln – sieht aktuell keine Veranlassung, Taurus-Flugkörper an die Ukraine zu liefern. Das wesentliche Ziel dieser Flugkörper wäre es vermutlich, die widerrechtlich errichtete Kertsch-Brücke zur Krim zu zerstören. Alle wissen, dass über sie ein wesentlicher Teil des Nachschubs für die russischen Angreifertruppen in der Ukraine abgewickelt wird. Diese zu zerstören, wäre deswegen ein geeignetes Instrument, um eine gewisse Nachdenklichkeit in Moskau zu befördern. Taurus-Flugkörper wären technisch für eine solche Operation erste Wahl.

In der gleichen Zeit, in der Herr Scholz laviert, hat Moskau einen großen Teil der Schurkenstaaten hinter sich versammeln und erhält u.a. Artilleriemunition aus Nord-Korea, Kamikaze-Drohnen aus dem Iran, Kämpfer aus Kuba, Schlächter aus Tschechenien…

Es ist erfreulich, dass nicht alle in der Rot-Grün-Gelb-Koalition so verpeilt sind, diesen Zusammenhang nicht zu sehen. Dank an Anton Hofreiter (Grüne), Michael Roth (SPD) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) für ihr Eintreten dafür, dass sich die Ukraine wirkungsvoll verteidigen kann. Wenn Politikerinnen und Politiker wie sie aber nicht bald genug Scholz wirkungsvoll vor das Schienenbein treten, wird die Ukraine mit ihrem Kampf gegen Tyrannei und potentielle Besetzung noch weiter ins Hintertreffen geraten.

Scholz, aufwachen!

Adieu Deutschlandfunk

Das Schema der unterschiedlichen Sendungen des DLFs war über Jahrzehnte meine Begleitung über den Tag. Dazu fallen mir ein „Tag für Tag”, „Die internationale Presseschau”, „Forschung aktuell“, „Sonntagsspaziergang” und manche anderen Sendungen. Schon in der Corona-Zeit hatte mich ein gewisser Verdruss befallen, die in der Regel bedrückenden Nachrichten mit der immer gleichen Art der Moderation hinzunehmen. Oft war dann bei Haushaltsarbeiten Musik aus dem Plattenschrank oder von der Festplatte vorzuziehen.

Was mir entgültig die Schuhe ausgezogen hat, war eine im DLF kommmentarlos weitergegebene Hörermeldung eines Herrn Fischer aus Bremen. In dieser hatte er allen Ernstes als Idee, den Ukraine-Krieg zu beenden, geäußert: „Indem man Selenskyj und seine Verbrecherbande, seine Völkermörderbande, festnimmt, ihn lebendig vierteilt und enthauptet.“

Das quasi als O-Ton DLF gesendet zu haben, streicht den DLF für mich zumindest für die nächsten Monate und Jahre aus dem Kreis ernstzunehmender Medien. Da bediene ich mich lieber bei BBC, CNN und Printmedien wie Süddeutscher und FAZ.

Ich hoffe, dass zumindest die verantwortliche Redakteurin / der verantwortliche Redakteur in die Wüste gejagt wurden.

Sinéad O‘Connor

Die Familie der im Juli 2023 verstorbenen Sinéad O’Connor hat mit Recht darum gebeten, nichts zu den Umständen von dem Tod der irischen Sängerin sagen zu müssen. Die Umstände sprechen dafür, dass ihr 2022 der Tod ihres 17jährigen Sohnes Shane durch Suizid entgültig den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Dafür habe ich allergrößtes Verständnis.

Musik

Was bleibt von ihr? An erster Stelle sicher ihr Album I do not want what I haven’t got, das 1990 erschien.  Dort schuf sie eine neue Mischung aus häufig Drum Machine basierten Schlagzeuglinien, Folklorelementen, Streicherklängen und einer ausdrucksstarken Stimme. Mit ihr konnte sie in einer Liedzeile von ordinär auf glockenreine Kopfstimme umschalten. Die Texte dieses Albums wie auch des Vorgängeralbums The Lion and the Cobra waren fast durchweg sehr persönlich gehalten und häufig von einer schonungslosen Offenheit.

Als Musikerin hat sie übrigens nicht nur ihre eigenen Projekte seit Jugendzeit vorangetrieben, sondern ist auch mit vielen bekannten oder weniger bekannten Musikerinnen und Musikern aufgetreten. Zu diesen gehören Pink Floyd, Peter Gabriel, Prince, die Chieftains und andere. Einige typische Stücke von ihr finden sich hier. Zumutungen des Musikbetriebs, was Äußerliches angeht, wusste sie zurückzuweisen. Lieber verzichtete sie z.B. auf eine Grammy-Ehrung.

Religion

Wer sich lumen Christi (der Liedruf Licht Christi ist Teil der Osterliturgie) auf die Hand tätowieren lässt oder in feel so different den Serenity Prayer von Niebuhr zitiert, muss eindeutig ein Interesse an Religion haben. Auch auf diesem Gebiet blieb Sinéad O’Connor eine Suchende: Sie hat sich zur Priesterin einer Abspaltung der katholischen Kirche weihen lassen, hat verschiedene Namen angenommen und schließlich in Abgrenzung von ihrer katholischen Herkunft 1992 ein Bild von Papst Johannes Paul II. zerrissen. 2018 konvertierte sie zum Islam und nahm den Namen Shuhada‘ Sadaqat an. Im Musikleben behielt sie ihren alten Namen bei.

Familie

O’Connor hat ihre Familie als dysfunktional beschrieben. Von der Mutter heißt es, dass sie Sinéad geschlagen habe. Die Zerwürfnisse in der Familie bewirkten, dass sich die Eltern schließlich trennten und der Vater in die USA zog. Die Mutter blieb hingegen alkoholkrank in Dublin. Diese verunglückte bei einem Autounfall, als Sinéad 18 war. Die harsche Kritik an beiden Eltern relativierte ihr Schriftsteller-Bruder Joseph, sprach aber trotzdem, die schädliche Wirkung Mutter qualifizierend, von “extreme and violent abuse, both emotional and physical“. Sinéad lebte deswegen schon früh in verschiedenen Einrichtungen außerhalb der Familie. Auch wenn diese alles andere als perfekt waren, erhielt sie dort mehr Freiraum als andere Mädchen und konnte schon früh ihre Musikinteressen verfolgen.

Die Zerwürfnisse, die Sinéad in ihrer Herkunftsfamilie erlebte, blieben ihr auch bei Partnerschaften, die sie einging, nicht erspart. Vier Eheschließungen folgten vier Trennungen. Sie brachte vier Kinder in diesen Beziehungen zur Welt, von denen ihr der Sohn Shane besonders nahe stand.

R.I.P., Sinéad O’Connor.

 

Sehr ausführlich über Sinéad O’Connor hat die Irish Times berichtet, von wo ich auch die Fotos für die Fotomontage genommen habe.