Logenplatz Karneval

Schotten auf dem Weg zum Aufstellplatz

Schotten auf dem Weg zum Aufstellplatz

Gruppe aus Vogelsang I

Gruppe aus Vogelsang I

Gruppe aus Vogelsang II

Gruppe aus Vogelsang II

Grundschulgruppe

Grundschulgruppe

Straßenszene II

Straßenszene II

Straßenszene III

Straßenszene III

Barbaraniter

Barbaraniter

Straßenszene III

Straßenszene III

Jecke Wiever

Jecke Wiever

Pirat

Pirat


Wer direkt am Weg des Ehrenfelder Dienstagszuges wohnt, muss eigentlich nur ein bisschen gute Stimmung mitbringen, ein paar Getränke bereit halten, Freunde einladen und alles andere auf sich zukommen lassen. Auch in diesem Jahr (bei besserem Wetter als im letzten) war es wieder ein Vergnügen, den Stadtteil vertreten durch diverse Schulen, Nachbarschaftsvereine, das Krankenhaus (!) und viele Einzelgruppen an sich vorbeiparadieren zu lassen.

Zwischendurch, wenn ein bekanntes Gesicht auftaucht und man ruft, gibt es fast immer ein Strüßchen oder Süßkram. Die häusliche Festvorbereitung lag wieder in bewährten Händen bei G.S. Machen wir jetzt schon zum 5. Mal und werden es hoffentlich noch häufig wiederholen…

Und schottische Bagpiper gab es auch – welcome!

Manchester by the sea – ein filmisches Trump-Gegengift

In Zeiten, in denen man fast täglich das Liebermann-Zitat bemühen möchte „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte”, um Trumps letzten Ausfall zu kommentieren, kommt ein leiser und mit 138 Minuten langer Film mit gänzlich anderem Charakter aus den USA in die Kinos.

Lee hat den Heimatort Manchester by the sea verlassen, weil er die Idylle angesichts dessen, was seiner Familie widerfuhr (Zeitebene 1), nicht mehr ertragen kann. Er ist jetzt (Zeitebene 2) Hausmeister in Boston und sein Arbeitseinsatz über das hinaus, was er tun müsste, wird selten gewürdigt. Der Mann, der immer wieder Schnee schippend oder bei der Beseitigung von Kloverstopfungen oder Leckagen gezeigt wird, ist definitiv kein Held.

Aus diesem Alltag wird er aber völlig überraschend herauskatapultiert, als er nach dem plötzlichen Tod von Bruder Joe zum Vormund seines 16jährigen Neffen Patrick bestellt wird. In der entscheidenden Situation beim Rechtsanwalt muss der von Casey Affleck eher mit Körpersprache und Mimik dargestellte Lee eine Entscheidung treffen. Einige Rückblenden machen dabei klar, wie lange der Entschluss, die Vormundschaft und Fürsorge für den Neffen zu übernehmen, benötigt. Lee hat nämlich den Heimatort nach der traumatischen Zerstörung seiner eigenen Familie fluchtartig verlassen. Nun bringt ihn die Beerdigung des Bruders auch mit seiner früheren Frau Randi zusammen – ebenfalls großartig besetzt mit Michelle Williams, die in Blue Valentine an der Seite Ryan Goslings in einer vergleichbaren unheldischen Geschichte agierte.

Mit am beeindruckendsten dann eine Szene, in der Randi mit Lee vallein ergeblich versucht, ihren Anteil am Scheitern der früheren Familie zu bekennen. Dieser erträgt jedoch keinen Blickkontakt geschweige denn dieses für ihn doch entlastende Bekenntnis. Lee hat sich in seinem Schmerz derartig eingeigelt, dass er ihn als Person meinende Kommunikation nicht mehr erträgt. (Wer im öffentlichen Bereich zu den Themen Schuld und Vergebung arbeiten will, findet hier einen hervorragenden Einstieg.)

Etwas leichter ist dann für Lee die Rolle eines Ersatz-Vaters Patrick gegenüber. Dieser probiert aus, was Jungen in diesem Alter ausprobieren: Sex, Freundschaft, Vorstellungen über die eigene Zukunft, Musik…. Aufopferungsbereit folgt Lee trotz mancher Bedenken und einigen wenigen Verboten dem Auftrag des brüderlichen Auftrags, für Patrick da zu sein. Dass Lee dann noch eine zündende Idee entwickelt, das Familienboot — wirtschaftliche Grundlage der Familie, aber auch Symbol für männliche Verbundenheit unter Joe, Lee und Patrick – zu retten, ebnet den Weg zu einem gelasseneren Umgang von Onkel und Neffen.

Formal traut der Film den Bildern aus dem ländlichen Küstenstreifen, aber auch aus den Begegnungen und Konfrontationen viel zu. Diese sind es doch, die im Zusammenspiel mit der unterlegten Musik (Bach (?) u.a.), im Zentrum des Films stehen. Kenneth Lonergan als Regisseur wie auch mehrere der Schauspieler sind zu Recht für Oscars nominiert: Ein Film der leisen Töne, wohltuend anders als das, was das offizielle Amerika gerade abliefert.

Scots – we love you…

Gestern gaben einige Abgeordnete aus Schottland im englischen Parlament ihrem Protest gegen den Brexit gesanglich Ausdruck, indem sie die Ode of Joy pfiffen oder sangen. Sie wurden ziemlich rüde zurückgepfiffen. Beethovens und Schillers Ode an die Freude oder ihr englisches Gegenstück Ode of Joy sind die offizielle Hymne der EU.

Anyway, Scots we love you…

www.telegraph.co.uk/news/2017/02/09/snp-mps-sing-ode-joy-brexit-bill-vote

Raumpatrouille – Matthias Brandts Erzählungsbändchen

Raumpatrouille
Raumpatrouille

Mit einem kleinen, aber feinen Bändchen mit kurzen Erzählungen zeigt Matthias Brandt, dass er nicht nur als Schauspieler eine gute Figur abgibt. Wer der gleichen Generation wie Brandt (*1961) angehört und dazu im Vor-Mauerfall-Bonn gelebt hat, wird zahlreiche Aha-Momente erleben.

Berührend ist, wie Brandt gerade nicht einen Prominentenbonus ausschöpft, sondern im Gegenteil den fernen Kanzlervater aus einer fast unüberbrückbaren Distanz beschreibt. Trotzdem ringt der Protagonist um die väterliche Nähe und Beachtung. Die Absonderlichkeiten, die in diesem Milieu von lebensnaher-liebevoller Mutter und seltsam abwesenden Vater gedeihen, sind Gegenstand der Erzählungen.

Zum Wegschmeißen komisch zum Beispiel die Schilderung, wie Vater Brandt und Herbert Wehner mal eine Versöhnungsradtour unternehmen sollen und diese Begegnung im Wortsinne auf so bedrückende, wie komische Weise entgleist. Noch ein für Heiterkeit („Jimmy“) sorgender Text, der aber auch die große Sehnsucht nach normalem Leben des Erzähler-Ichs zeigt, ist „Nirgendwo sonst”. Die gemütliche, wärmende und klar strukturierte Enge im Elternhaus von Schulfreund Holger löst zwar einerseits den Wunsch aus, auch einmal richtig irgendwo zugehörig zu sein. Am Ende ist aber der Ich-Erzähler doch wieder froh, in die gewohnten, wenn auch sterileren Abläufe zu Hause einzutauchen.

Die phantasierte Nähe des Protagonisten zu Heldenrollen wie Mondfahrer, Torwart, aber auch Briefträger wird glaubhaft und ohne nachträgliches Besserwissen entwickelt und nimmt einen für Brandt ein, der sich diese Nähe zu vergangenen Rollen gestattet, ohne sie nachträglich zu denunzieren.

Ein Interview, das Brandt über den Abschied von seiner Mutter geführt hat, liest sich als passende Ergänzung zu dem empfehlenswerten Erzählbändchen.

Matthias Brandt: Raumpatrouille. Geschichten, Kiepenheuer & Witsch

Wecker – du heimlicher Diktator…

Wecker
Wecker

Eine meiner Phantasien für den Übergang in den Ruhestand: Ich nehme einen altertümlichen Wecker mit Aufdrehschrauben und vielen Zahnrädern innendrin, lege ihn auf einen Amboss und zerschmettere ihn mit einem kraftvollen Schlag mit einem möglichst großen Hammer in möglichst viele Stücke… Okay, Realität an: Wahrscheinlich wird’s dann höchstens für einen ordentlichen Fäustel reichen und wo finde ich dann noch einen solchen herkömmlichen Wecker??

Musste heute jedenfalls einen neuen Wecker beschaffen, nachdem das solide Aldi-Teil seinen Geist auf sonderbare Weise aufgegeben hatte. Der über einen Chip und Funksignal gesteuerte Wecker zeigte, nachdem ich ihn unbeabsichtigt vom Nachttisch gewischt hatte, die Zeit konstant, aber sonst sehr exakt, 2 Stunden zu früh an.

Dem Ingenieur (zumindest Vater war einer) ist nichts zu schwör: Neues Ziffernblatt auf die durchsichtige Plastikscheibe gemalt und die Weckzeit entsprechend angepasst – schien eine brauchbare Idee zu sein. Irgendwo gab’s aber ein Problem, das ich offenbar nicht bedacht hatte: Am letzten Schultag war ich jedenfalls erst um 8.15 h wach statt der vermeintlichen 6.15 h. Peinlich…, weiß jetzt aber, wie es sich für manche meiner dauerverspäteten Schüler anfühlt, kurz vor 9 h ins Schulgebäude zu eilen.

Beim gerade beschafften Wecker werde ich mir aber dann noch einmal überlegen, ob ich wirklich draufhaue: Schönheit besiegt primitive Triebabfuhr (…und wo sind da die Rädchen?) Könnte man glatt als Devise für das neue Jahr ausgeben, das gerade mal zwei Tage alt ist…

Kommern 2016 – Vorweihnachtszeit entschleunigen

Schon einmal hatten wir im letzten Jahr unter ähnlichen Voraussetzungen (frisch erlittene Blessuren an der frischen Luft spazieren führen) den ersten Tag der Schulferien im Freilichtmuseum in Kommern verbracht. Man darf damit rechnen, dass kaum andere Menschen auf diese Idee kommen und hat das Museum quasi für sich.

Die alten Gebäude, aber auch das Quelle-Fertighaus aus den 60ern oder das Gasthaus aus der Voreifel entfalten in dieser Ruhe ganz besonders ihre Reize.

Auch die Aufsicht führenden Personen legten besonderen Ehrgeiz an den Tag, uns ihre Schätze und Ansichten zu zeigen. Nächstes Jahr gerne wieder…

Bastard of Istanbul – Elif Shafaks Auseinandersetzung mit dem Armenier-Genozid

The Bastard of Istanbul
The Bastard of Istanbul

für Dalita H.

Zunächst scheinbar ohne Bezug zueinander, erzählt Shafak die Geschichte von zwei jungen Frauen: Da ist Asya, die im matriarchalen Haushalt der Mutter mit drei Schwestern und zwei Großmüttern in Istanbul aufwächst. Und da ist Armanoush, deren armenisch-stämmiger Vater und ihre Mutter Rose, Landei aus Arizona, nicht mehr zusammen leben. Dafür hat Rose sich neu mit Mustapha liiert. Der ist wiederum der Onkel von Asya. Aus Gründen, die erst später klar werden, und auch weil er den Fluch der früh versterbenden Männer seiner Herkunftsfamilie fürchtet, ist er in die USA ausgewandert.

Beide jungen Frauen begegnen einander, als Armanoush ihren beengenden amerikanischen Familien entflieht und etwas über ihre armenisch-türkischen Wurzeln in Istanbul erfahren will. Wie beengt sich dieses Leben gestaltet, wird klar, als Armanoush einen jungen Mann treffen möchte. Das versetzt – lustig zu lesen – die ganze Familie in einen Alarm- und Überwachungsmodus.

Die Schilderung der Vorgeschichte von Armanoush berührt dann: Der Geschäftsmann Hovhannes Stamboulian wird am Abend, als er eine märchenhafte Erzählung (The story of a the little lost pigeon) für seine Frau fertigstellen möchte, in seinem Haus von einer Gruppe türkischer Soldaten heimgesucht. Die führen ihn zum Schluss ab. Eine rubinenbesetzte Brosche, ein Familienerbstück, bleibt zunächst im Haus der Stamboulians, wird aber anschließend durch das Hin und Her ihres Verbleibs zum Symbol: Die Brosche verdeutlicht, wie die Tradition von armenischem Leben in der Türkei gewaltsam beendet wurde. Die Schilderung dieser Vertreibung hat Shafak den Ritterschlag für widerständige türkische Schriftsteller und Journalisten verschafft. Sie wurde nach § 301, dem Gummiparagraphen, der die Beleidigung des Türkentums unter Strafe stellt, angeklagt. Diese Anklage wurde aber später fallen gelassen.

Formal bedient sich der Roman Zutaten aus dem magischen Realismus, wenn die Djinns der weissagenden Tante auf die Handlung Einfluss nehmen. Eine moderne Zutat sind die Zitate aus einem Chat. Der stellt für Armanoush eine Möglichkeit dar, auch in der Fremde ihre Partner aus dem virtuellen Café Constantinopolis zu Zeugen und Begleitern ihres wagemutigen Besuchs in Istanbul zu machen. Im wahrsten Sinne gewürzt wird der Roman durch die Kapitelüberschriften, die – bis auf das Schlusskapitel – den Reichtum orientalischer Küche vermitteln, auf die sich Türken wie Armenier gleichermaßen beziehen können. Wahrscheinlich um Distanz zum Beschriebenen einnehmen zu können, hat Shafak den Bastard in Englisch geschrieben – ein Umstand, der ihr von türkischen Nationalisten als Vaterlandsverrat um die Ohren gehauen wurde.

Alles in allem überzeugt Shafaks Roman formal und inhaltlich und besitzt genügend Finalspannung, um einen auf die Auflösung der familiären Rätsel gespannt sein zu lassen. Shafak zeigt sich mit dem Roman an der Seite anderer mutiger türkischer Kulturschaffender wie Fatih Akin und Orhan Pamuk. Diese zeichnet aus, dsas sie sich der traurigen Vergangenheit des Umgangs mit Armeniern in der Türkei stellen. Das erzeugt ein klein wenig Hoffnung, dass sich die Türkei insgesamt demnächst dem Genozid an den Armeniern stellen wird.

Elif Shafak, The Bastard of Istanbul, Penguin Books, 2007

Wanderkultur in der Pfalz

Weinbiethaus bei Neustadt
Weinbiethaus bei Neustadt

Das Wort „Wandern” war für unsere Kinder lange Zeit ein Unwort. Wollte man sie dazu animieren, war es z.B. in der Pfalz klug, eher vom Flammkuchen in den Hütten und von den Burgen auf den Bergen zu reden. Solche semantischen Klimmzüge müssen wir – ohne Kinder – nicht mehr anstellen. Die Vorstellung vom Wandern mit Trachtenhut, Lederhosen und Gamaschen spukt aber manchmal noch in meinem Kopf wie vordem vielleicht bei den Kindern.

Um so befreiender ist es, wenn sich Wandern als Breitensport zumindest in der Pfalz heute anders darbietet: Um den Nationalfeiertag herum waren wir in der Pfalz, dem Wein und dem Wandern zu Liebe. Das Charmante an einigen Orten wie Dürkheim, Deidesheim oder Neustadt ist, dass alle untereinander mit der Bahn verbunden sind. Man kann also am Rand des Hardt-Gebirges oder in den Weinbergen so lange wandern, bis man genug hat und fährt an den Ausgangsort zurück mit der DB.

Mir fiel dabei auf, dass die Pfälzer Wald Hütten heute eben nicht mehr diesen Fünfziger-Jahre-Geruch atmen, sondern von Jung und Alt und besonders von jungen Familien frequentiert werden. Mannheim, Ludwigshafen und andere Städte an der Rhein-Schiene haben offenbar viele Bewohner, die am Wochenende gerne mal im Wald wandern und dann auch in den Hütten einkehren. Die Preise dort sind so, dass keiner ausgeschlossen wird. Scheint die Sonne – wie hier im Weinbiethaus bei Neustadt – kann man es draußen bei Weinschorle oder Federweißen gut aushalten. Schade, dass mir diese Kombination aus Wandern und Genießen nördlich der Pfalz selten begegnet ist.

„music is the perfect art of understanding” – auf einer Überfahrt

Hardy Biermann Rhythmus

Wir schrieben das Jahr 1984 und die gewöhnliche Art nach Irland zu reisen, war die Fähre und kein Flugzeug wie heute. Im mütterlichen Kleinwagen befanden wir uns auf unserer ersten gemeinsamen Urlaubsreise ins Irland-Eldorado und nach beschwerlicher Anfahrt bis Le Havre konnten wir endlich auf der Fähre – Fahrtziel Rosselare – innerlich abspannen.

Als auf der 16stündigen Überfahrt die Nacht einbrach, machten wir es wie die Anderen: Die Disco im Boot war – nachdem der reguläre Disco-Betrieb beendet war –  für die, die es wünschten, zum Übernachten frei gegeben worden. Sicher 30 bis 40 Leute lagerten sich in Schlafsäcken wie wir auf dem grün-gräulichen Teppichboden, wir suchten uns irgendwo eine Ecke zum Lagern.

Es war noch keine Stunde vergangen, als plötzlich in den improvisierten Schlafsaal ein ungefähr 60jähriger Ire einbrach, der uns mit allen möglichen Sprüchen beschimpfte. I show you what hell is… war etwas, das sogar ich mit meinem schlechten Englisch verstand, das Meiste rauschte an mir vorbei. Die Leute um uns rum versuchten mit einer Mischung aus Belustigung und Ärger, den Alten zur Ruhe zu bringen – keine Chance angesichts dieser Suada. Der ganze Auftritt mochte vielleicht fünf Minuten gedauert haben, als sich die kaum nachvollziehbare Erregung des Alten legte und er noch diesen denkwürdigen Satz raushaute: music is the perfect art of understanding. Wenn mich nicht alles täuscht, gibt es von Thomas Mann einen ähnlichen Gedanken.

Der nächste Morgen fand den nächtlichen Ruhestörer im Sonnenschein auf Deck sitzend, ein Glas Guiness vor sich, die Fiddle gegen die Schulter gedrückt und mit großer Selbstverständlichkeit und einigen Mitspielern Irisches spielend. Ich schätze, keiner von denen, die der Alte nachts geweckt hatte, konnte ihm in irgendeiner Weise böse sein, alle schienen es zu genießen. Wie war sein Spruch gewesen?  Music is the perfect art of understanding. Wohl wahr…