US-Wahl am 5. November 2024 – Was auf dem Spiel steht…

Noch 14 Tage bis zum Wahltag in den USA. Wichtig, noch einmal daran zu erinnern, wie verheerend eine 2. Präsidentschaft Trump für die USA und für die übrige Welt wären.

Wenn schon die ganzen wirren Dinge, die Trump in den letzten Monaten von sich gegeben hat (Hannibal Lector, electrocuted, eat pets…) niemanden zu jucken scheinen, sollte die Gefahr eines autoritären Staates USA vernünftigere Leute zum Umdenken führen. Hier Punkte, die mir einfallen:

• Diffamierung und Bedrohung der innenpolitischen Gegner: Trump hat ein klares Feindbild, wo für ihn der Feind sitzt. Es sind nicht etwa äußere Gegner wie etwa der Iran, Russland oder China. Allem voran gesetzt sind die inneren Feinde. Gegen die möchte er Nationalgarde und Armee einsetzen. (Quelle: https://www.pbs.org/newshour/politics/trump-suggests-hell-use-the-military-on-the-enemy-from-within-the-u-s-if-hes-reelected)
• Vage Andeutungen für ein Regime, das ohne Wahlen funktioniert. Vor Christen hat Trump bekanntlich verkündet “you won’t have to vote any more”. (Quelle: West Palm Beach, Turning Point USA Believers Summit (August 2024))
• Behandlung der Aufstandshandlungen am 6.1.2020: Trump lügt fundamental über seine eigenen Anteile an diesem Putschversuch: “Be there, will be wild.”, war der Spruch mit dem er seine Anhänger nach Washington eingeladen hatte. Auch über die Folgen des Aufstands verbreitet Trump Lügen. Nach dem, was er äußert, sind keine Menschen am 6.1.2020 zu Schaden gekommen.
• Und noch eins: Bei der ersten Präsidentschaft setzten viele, die ihn womöglich ursprünglich unterstützt hatten, darauf, dass “Grown-Ups” in seiner Umgebung das Schlimmste verhindern könnten. Hier muss klar sein, dass es ein Konstrukt “Grown-Ups” in der amerikanischen Verfassung nicht gibt. Einflussnahmen können auf den wachsweichen und von keinem klaren Konzept geleiteten Trump von allen möglichen Kräften erfolgen
• Trump hat JD Vance ins Boot geholt hat. Er ist Unterstützer des “Project 2025”, mit dessen Hilfe systematisch im Sinne von diesem Projekt konforme Menschen an die Schaltstellen der Macht befördert werden sollen.

Alles in allem gute Gründe, diesen Humpty Dumpty Trump und seinem Adlatus JD Vance keine Gelegenheit zur Beseitigung der demokratischen Verfassung der USA zu geben.

Vote blue or skip voting this time.

In Liebe, eure Hilde – Filmbesprechung

Was für ein Film! Der Ausgang steht schon fest, sobald der Kinosaal betreten ist: Man ahnt oder weiß, dass die meisten Mitglieder der Schulze-Boysen/Harnack-Gruppe alias „Rote Kapelle” hingerichtet wurden. In diesem Sinn schenkt einem schon die erste Szene des Films reinen Wein ein. Zwei Autos nähern sich langsam und bedrohlich den beiden Frauen in einer Kleingartenanlage. „Nehmen Sie etwas Warmes mit”, rät der Good Cop, als Hilde Koppi den Koffer für die Haftzeit packt. Sie wird schon bald einem deutlich unangenehmeren Vernehmer gegenübersitzen, der sie in die Mangel nimmt. Einige Fotos erhält sie vorgelegt, auf denen Hilde Mitglieder der Gruppe identifizieren soll. Soweit der Ausgangspunkt.

 

Dieser Haftzeit-Erzählstrang bildet aber nur die eine Hälfte der Filmerzählung von Andreas Dresen. Der zweite Strang schildert in Rückblenden, nicht zeitlich geordnet, die Verabredungen und Treffen der Schulze-Boysen/Harnack-Gruppe. Die sind nicht nur der politischen Arbeit gewidmet, sondern ähneln teilweise auch normalen Unternehmungen in der Berliner Sommerfrische: Badeausflüge, Kanufahrten, in Zelten verbrachte Nächte mit der Frage, wer von wem angezogen wird. Dresen hat ein gutes Gespür, was er der Zuschauerin / dem Zuschauer zumuten kann: Sobald der Gefängnis-Erzählstrang droht, unerträglich zu werden, wechselt der Film mittels Rückblende zur Vorgeschichte. Die hält gegen die Düsterkeit des Gefängnisses Bilder bereit, die Sorglosigkeit und Lebensfreude repräsentieren.

Zurück zum Plot: Hilde kann in dem für sie neuen Milieu mit Menschen mit groß- und kleinbürgerlichem Hintergrund mit ihren speziellen Kenntnissen punkten. Sie tippt schnell und weiß, wie Wachsmatrizen möglichst gut eingesetzt werden. Nachdem sie zunächst aus dem eindeutig politischen Tägigkeiten herausgehalten wird, ist bald klar, dass sie gebraucht wird und das sie auch beteiligt werden will.

Eine neue Zuspitzung erhält die Widerstandstätigkeit, als ein Funkgerät aus Russland an die Gruppe übergeben wird. Der Plan: Vor dem sich abzeichnenden Überfall auf die Sowjetunion sollen relevante Informationen per gefunkter Morsezeichen nach Moskau übermittelt werden. Hans Koppi und Hilde sind inzwischen ein Paar und machen sich einen Spaß daraus, die Morsesprache bei vielen Gelegenheiten, auch im Bett, zu üben.

Besonders bedrückend ist für Hilde später, dass sie unter den entwürdigenden Bedingungen eines Gefängnisses ihr Kind gebären muss. Kurz vor der Hinrichtung von Hans Koppi können die drei sich kurz als Vater–Mutter–Kind-Familie konstituieren. Vater Hans nimmt den neugeborenen Sohn Hans etwas ungelenk in seine Arme. Nach der Hinrichtung ist es dann die Sorge um diesen kleinen Hans, die Hilde Kraft gibt. Sie erfährt dabei Hilfe von ihren Mitgefangenen und sogar ein wenig von der Gefängniswärterin.

Andreas Dresen hat für diesen Film exzellente Schauspielerinnen und Schauspieler gewonnen, allen voran Liv Lisa Fries. Sie hat deutlich mehr zu bieten als in „Berlin Babylon”. Gerade in den Szenen, wo ihr bevorstehender Tod unabwendbar erscheint, kann sie die Existenzangst in kaum überbietbarer Form darstellen. Zukünftige Generationen von Schauspielern werden hieran Maß nehmen müssen. Auch ihr Konterpart Johannes Hegemann überzeugt als im Bereich Film neues und unverbrauchtes Gesicht. Daneben hat mich Alexander Scheer als Gefängnispfarrer Poelchau (übrigens auch eine historische Figur) überzeugt. Er ist ganz Ohr für Hildes Bedürfnisse und bekommt den Brief diktiert, aus dem der Filmtitel gewonnen ist. Verharmlosung von dem, was Hilde bevorsteht, ist ihm fremd. Auch Lisa Wagner kann überzeugen, wie sie in einer Nebenrolle als Gefängniswärterin sich für Hildes’ Leid nicht völlig gleichgültig zeigt.

Der Film lässt sich im übrigen Zeit, seinen Plot zu entwickeln. Rasche Kamerafahrten oder -schwenks sind nicht sein Ding. Die Umgebung der Geschichte wird mit Liebe zum Detail gewürdigt und gibt dem Film auch von dieser Seite her Glaubwürdigkeit.

Alles in allem ein Film, der zumindest deutsche Filmgeschichte machen dürfte. Seine Länge von 124 Minuten und sein Sujet dürften ihn allerdings kaum zum Blockbuster machen. Aber jede und jeder, der Liv Lisa Fries in diesem Film gesehen hat, wird diesen Film als bedeutsam für sich verbuchen.

Ein Treppenwitz der mit vielen Leben bezahlten Untergrundtätigkeit der Schulze-Boysen/Harnack-Gruppe: Ihre Funksprüche nach Moskau sollten ein Frühwarnsystem etablieren und militärisch verwertbare Informationen liefern. Bis auf einen Funkspruch im Sinne von „herzliche Grüße an alle Freunde” ist aber in Moskau nie etwas angekommen. Man könnte auch urteilen, dass hier viele Menschen für nichts und wieder nichts verheizt wurden. Das wäre dann allerdings ein Muster mit Wiedererkennungswert: Wer sieht, wie Menschen und Material im großen Fleischwolf des Angriffskriegs gegen die Ukraine geopfert werden, wird eine ähnliche Logik entdecken.

 

„Die Fahnen hoch, die Reihen fest geschlossen / Proud Boys marschiert…“

„Die Fahnen hoch, die Reihen fest geschlossen…“ — okay, bei „fest geschlossen“ ist noch ein bisschen Arbeit nötig

Der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf ist für manche Überraschung gut und liefert Satirematerial ohne Ende, von dem die Schriftstellerinnen der Zukunft noch für Jahrzehnte zehren werden. Ein eindrucksvolles Beispiel:

In Springfield, Ohio, wurde eine Katze vermisst und tauchte einige Tage später wieder auf. End of story.* Ende der Geschichte? Pustekuchen! JD Vance nutzte eine unbewiesene Behauptung eines Nachbarn des Katzenbesitzers, um eine Geschichte über haustierfressende Haitianer zu konstruieren.

Trump verbreitete diese unverblümte Lüge während seiner Fernsehdebatte mit Kamala Harris. Aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte für die Menschen, die in Springfield leben. Haitianer, vor sehr großer Not in Haiti geflohen und unbescholten,  wurden bedroht und zwei Schulen mussten nach der Lüge von JD Vance und Trump vorübergehend schließen.

Eine Gruppe der Proud Boys kam nach Springfield und versuchte, ihre Macht auf der Straße auszuüben. Nicht viel anders, wie das die SA im nationalsozialistischen Deutschland machte: Sie okkupierten die Straße und bedrohten alleine durch ihre Präsenz jeden, den sie als Feinde betrachteten.

Amerikaner, denkt noch einmal nach, bevor ihr für diese Trump- und Vance-Gestalten stimmt …

* https://www.vanityfair.com/news/story/cat-at-center-of-jd-vance-pet-eating-claims-is-alive-and-well [Danke für Ihre Faktenprüfung und Ihren Artikel]

A closer look – Trump zum Auslachen…

Manchmal frage ich mich ja schon, wie es die Amerikaner zulassen, sich von einem stockdoofen und mäßig unterhaltsamen Menschen wie Trump seit über 12 Jahren wie ein Bär am Nasenring durch die Manege treiben zu lassen. Merken die denn nicht, was für ein unterirdisch schlechter Blender dieser Mann ist? Wäre meine Idee. Dagegen war ja Bunga-Bunga-Berlusconi ein Philosoph auf dem Regierungsthron!

Wenn bei dieser Neuinszenierung von des „Kaisers neue Kleider” irgendwas Sinnstiftendes oder Lustiges abfallen kann, kann es nur in der überdrehten Version des alltäglichen amerikanischen Wahnsinns liegen. Diese besorgt – wie kürzlich von mir entdeckt – Seth Meyers mit völlig Überdrehtem: Video-Schnipsel der jüngsten Zeit, Trump-und andere Parodien, komödiantische Einlagen aller Art. Das Live-Publikum hat viel Spaß und ist ein guter Widerpart, um Meyers zu Höchstleistungen anzutreiben.

Hier ahnt man auch, wo Imker-Freund Böhmermann seine Inspirationen her bezieht. Er kann aber Seth Meyers nicht entfernt das Wasser reichen. (Vielleicht hatte Harald Schmidt in seinen Glanzzeiten etwas von Meyers.)

Enjoy!

„Am deutschen Wesen / soll die Welt genesen”. Wie Deutschland seine Migrationspolitik in den Sand setzte…

Wir alle erinnern uns noch an die Bilder aus dem Sommer und Spätsommer 2015: Große Menschenmassen aus Syrien und anderen Mittelmeeranrainern drängten vor allen Dingen über Ungarn nach Deutschland. Sie wurden hier nicht nur aufgenommen, sondern geradezu empfangen. Die Devise der damaligen Kanzlerin Merkel lautete „Wir schaffen das.” Andere europäische Länder, die nach dem Dubliner Protokoll diejenigen, die ihr Land durchquerten, mit einem Asylverfahren hätten empfangen müssen, standen vornehm abseits. Deutschland gefiel sich in der Rolle des Klassenprimus, der sowieso alles besser macht und moralisch die Oberhand inne hat. Ganz so – wenn auch mit anderen Inhalten – wie das wilhelminische Deutschland von sich behauptet hatte „Am deutschen Wesen / soll die Welt genesen”. Ein Bewusstsein, das von der Höherwertigkeit der eigenen Moral ziemlich stark überzeugt war.

Neun Jahre später stellt sich die Situation für Deutschland deutlich anders dar: Es kamen eben nicht nur dankbare Menschen, die sich rasch integriert hätten, sondern besonders unter Männern solche, die schnell auch durch Delikte und ein Macho-Bewusstsein auffielen. Besonders unter muslimischen Männern unter den Zugereisten gab es ein Selbstbild, das die eigene Höherwertigkeit gegenüber westlichen Menschen allgemein und besonders gegenüber Frauen behauptete.* Wenn dann noch Einflüsterer bei TikTok oder in den Moscheen dazu kamen, war es bis zu Anschlägen nicht mehr weit: Vom Anschlag auf dem Breitscheid-Platz in Berlin 2016 über den Polizistenmord in Mannheim bis zu dem Anschlag in Solingen (beide 2024) zieht sich eine deutliche Blutspur bis in die Gegenwart. Selbst wenn sich Anschläge mit Lastwagen auf Menschenmengen durch Barrieren verhindern lassen, das Tatwerkzeug Messer lässt sich in der Weise nicht außer Kraft setzen.

Und es ist nicht so, als wären nur Menschen, die schon seit Generationen in Deutschland lebten, Opfer dieser Männergewalt: Beispielhaft für diese Form migrantischer Gewalt sei hier an die Ermordung einer libanesischen 39jährigen Frau durch ihren Ex-Mann in Berlin-Zehlendorf Ende August erinnert.

Die deutsche Gesellschaft wirkte gegenüber diesen Anschlägen weitgehend hilflos: Gebetsmühlenartig wurden anschließend Maßnahmen zur Eindämmung erörtert und – wenn überhaupt – halbherzig umgesetzt. Dass jetzt erstmals afghanische Gewalttäter nach Verbüßung von Teilstrafen in ihr Heimatland abgeschoben wurden, verstehe ich als zu spät kommende Symbolpolitik angesichts von Landtagswahlen mit absehbar verheerenden Ergebnissen.

Was gesellschaftlich nötig ist, ist die Migrationspolitik neu auszutarieren. Asylschutz darf nur für die gelten, die tatsächlich in der Bundesrepublik zuerst angelangt sind. Ein Verteilungsmechanismus, der funktioniert und angewandt wird und auch ost-europäische Länder wie Polen, Ungarn und die Slovakei einbezieht, muss durchgesetzt werden. Menschen, die hier Asyl beantragt haben, können selbstverständlich nicht auf Heimaturlaub fahren. Der Asylantrag hat sich dann erledigt. Auch die Einbürgerungsfristen sollten noch einmal überdacht werden. Transfermaßnahmen für Neuankömmlinge sollten auf tatsächliche Asylantragsteller beschränkt bleiben. Andere sollten für sich selbst aufkommen müssen.

Als die SPD noch intelligente Politiker anzog, hat Otto Schily mal sinngemäß gesagt, dass die Integrationsfähigkeit der Bundesrepublik für Neuankömmlinge erschöpft sei. Auch heute noch lohnt es sich, seine Bundestagsrede vom 1. März 2002 nachzulesen. Wenn das Argument lautet, dass das Grundgesetz ein Asylrecht für alle und jeden festlegt, muss man auch über eine Änderung unserer Verfassung nachdenken.

Der Pragmatismus, den andere westeuropäische Länder selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen, muss auch in Deutschland angewendet werden: Migration unter dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Bedarfe, ein Asylrecht, dass sich auf wirklich Bedürftige konzentriert. Hybris als Staatsidee (siehe Titel des Beitrags) fällt einem in jeder Form gewaltig auf die Füße. Deutschland kann, das sollte inzwischen klar sein, nicht die Welt retten…

*Als am 16. Oktober 2016 Maria Ladenburger in Freiburg durch einen Afghanen ermordet wurde, gab der Täter im späteren Prozess zu Protokoll „Sie war doch nur eine Frau.“

Das Trump No. 1

Das ist der übliche Trump-Style: Donald startet mit dem Thema “Migrantenschwemme”, rudert viel mit den Armen hin und her und landet bei… Überraschung … der Figur Hannibal Lector. So geschehen am 13.5.24 in New Jersey

Der Satz, der mich und andere interessiert hat:

The late great Hannibal Lector. He’s a wonderful man. He oftentimes would have a friend for dinner.

Für Menschen, die mit diesem mit Anthony Hopkins verfilmten Romanstoff Das Schweigen der Lämmer und der Hauptfigur Hannibal Lector von Thomas Harris nichts anzufangen wissen: Es geht um einen überaus gebildeten Kannibalen, der mehrere Menschen grausam umbringt, um sie anschließend zu verspeisen. Was sollen da beide Themen Immigration und Hannibal Lector verbinden? Es gibt natürlich NICHTS. Vielleicht ein bemühter Witz “He oftentimes would have a friend for dinner.” Der macht aus den Subjekten Gäste Objekte Fleisch. Diese Umkehrfigur ist nichts Neues in unseren Tagen.

Ansonsten kann man nur sagen “Banane”. [Wenn das Ganze nach dem missglückten Attentat erfolgt wäre, könnte man Vermutungen über vielleicht grundlegendere Schäden bei Trump anstellen. War aber vorher.]

Es beruhigt mich wenigstens, dass die meisten Kommentatoren des Filmschnippsels Trump für ähnlich bescheuert halten wie ich:

“The Late Great Hannibal Lecter” Trump’s Mind is Literally Melting
and Untethered from Reality. • Does anyone know the context • Diarrhea of the mouth. • Getting more bizarre as his mental decline gets worse.

Schauen wir, was der große Donald in den nächsten Wochen und Monaten noch Wirres produziert. Hätte man nicht erfahren können, dass genügend Amerikaner solchen Schwachsinn zu goutieren scheinen, könnte man sich einfach nur herzhaft kaputt lachen…

Rolf Mützenich – der miltärpolitische Geisterfahrer der SPD

Wer einen Fehler macht, beweist sich als Mensch. Wer aber seine Fehler hartnäckig wiederholt, hat zumindest im politischen Bereich nichts verloren. Rolf Mützenich muss man leider der zweiten Kategorie zurechnen.

Als er sich in den 2020er Jahren zu einer möglichen Anschaffung von Drohnen für die Bundeswehr äußerte, musste man vermuten, es handele sich um die nicht überbietbare Gott-Sei-bei-uns-Angelegenheit: Obwohl die Eroberung von Berg Karabach durch Aserbaidschan vornehmlich durch den Einsatz von Drohnen gelingen konnte, wollte Mützenich diese neuartige Waffenart der Bundeswehr um jeden Preis vorenthalten. Die Realität, die man nicht loben musst, die aber besteht, hat die SPD gezwungen, an dieser Stelle ihre militärpolitische Unbeflecktheit aufzugeben.

Ein neuer Streit ist jetzt um die Stationierung von amerikanischen Marschflugkörpern in Deutschland entbrannt. Wieder argumentiert Mützenich so, dass man fast eine nicht überwundene naive jugendliche Gesamtsolidarität mit allem, was “links” heißt, unterstellen muss. Mützenich führt die kurze Vorwarnzeit von konventionell bestückten Marschflugkörpern ins Feld. Gleichzeitig blendet er aus, dass russische, atomar bewaffnete Raketen in Kaliningrad (Königsberg) jederzeit in Minutenfrist Warschau, Berlin und Paris in Schutt und Asche legen können. Auch die offensichtliche Aggressivität des russischen Militärs seit 2008 (Georgien) über 2014 (Besetzung der Krim und der Ostukraine) über den großangelegten Angriff 2022 auf die Ukraine hat bei Herrn Mützenich keine Lernprozesse befördert.

Gut, dass Annalena Baerbock (“Die traurige Wahrheit ist: Putins Russland ist die derzeit größte Sicherheitsgefahr für uns und unseren Frieden in Europa.”), Verteidigungsminister Pistorius (dieser spricht von einer “Fähigkeitslücke”) und andere dagegen halten.

Einer solchen SPD, die sich Mützenich immerhin in der Position des Fraktionsvorsitzenden leistet, kann man nur wünschen, dass sie bei den nächsten Wahlen und besonders der Bundestagswahl 2025 nicht über 10 % der Wählerstimmen hinaus kommt.

[Ergänzung 28.7.24]

Die SPD erscheint nach einem Bericht der FAZ vom 27.7.24 immer noch in Punkto Drohnen mit militärpolitischer Blindheit geschlagen zu sein. Die FAZ schreibt:
Die Bundeswehr operiert drohnentechnisch etwa auf dem Niveau von Armenien, also weitgehend wehrlos. Während der Kämpfe [gemeint ist der Krieg mit Aserbaidschan] verlor das Land innerhalb kurzer Zeit mehr als 190 Kampf- und Schützenpanzer sowie weitere gepanzerte Fahrzeuge und Dutzende Flugabwehrsysteme. (…) Während Pistorius und Generalinspekteur Carsten Breuer in jedem Interview von Dringlichkeiten und Kriegsgefahr reden, lässt sich das Ministerium viel Zeit damit, dem Bundestag Regelentwürfe für den Drohnenkampf vorzulegen.

Merke: Wenn du ein Thema besonders nachhaltig beerdigen möchtest, schicke das Thema betreffende Vorlagen in Kommissionen, die möglichst selten tagen und richte eine Task-Force ein. Sei sicher, dass unter Mützenich nichts Produktives und die deutsche Gesellschaft Schützendes dabei heraus kommt.

Ein Gedankenspiel: Die Ukraine hätte, bevor sie die erste Drohne zur Abwehr des russischen Angriffs gestartet hätte, Ausführungsbestimmungen im Sinne von Herrn Mützenich vom Parlament gebilligt und mit allem Pipapo versehen etabliert, es gäbe sie schlichtweg nicht mehr. Wahrscheinlich kein Grund, dass Herr Mützenich nur eine Minute unruhig schläft…

Quellen: https://www.tagesspiegel.de/politik/spd-freundet-sich-mit-kampfdrohnen-an-4285234.html
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/pistorius-usa-raketen-stationierung-deutschland-100.html
https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/die-heron-drohne-koennte-waffen-tragen-doch-sie-darf-nicht-19881959.html

Ein Gott der keiner war*: J. Assange

Für manche mag die Freilassung von Julian Assange in der letzten Woche ein Aufatmen wert gewesen sein. Die Heroisierung von Assange habe ich jedoch noch nie verstanden: Er hat hochsensibles Material veröffentlicht auf der von ihm beförderten Plattform Wikileaks auch auf die Gefahr hin, dass Menschen dadurch Verfolgung und Tod ausgesetzt waren. Auch frühere Mitstreiter wie Daniel Domscheit-Berg haben sich daraufhin von ihm distanziert.

Sein Hass gegenüber der USA hat ihn in seinem manichäischen Weltbild dazu geführt, massiv auf die Präsidentenwahl 2016 Einfluss zu nehmen. Vermutlich hat die Veröffentlichung von Emails, die illegal (und mit Hilfe des russischen Geheimdienstes GRU) beschafft worden waren, Hillary Clinton die entscheidenden Stimmen gekostet. Mit Trump hatte Assange keine Probleme. Assange wurde folgerichtig auch von Trump gelobt.

Wer sich begründet vor der nächsten Präsidentschaftswahl in den USA fürchtet, sollte mal in sich gehen: Wieviel Anteil hatte und hat J. Assange daran, dass wir uns mit diesem überaus gefährlichen Trump-Weirdo überhaupt herumschlagen müssen?

Projektion ist gerade auch ein Thema in der Linken, wie sich seit über 100 Jahren zeigt. Damals waren viele Intellektuelle von Stalin an einem gewissen Punkt desillusioniert. Heute sollten alle mal überlegen, ob ihre Begeisterung für J. Assange tatsächlich begründet ist. Zu Putin ist Assange übrigens nie etwas eingefallen. Wozu auch, er hat mit ihm erfolgreich kooperiert.

Ein sehr ausführlicher Artikel zu diesem Thema findet sich in der Süddeutschen (leider kann ich ihn nicht abdrucken):

https://www.sueddeutsche.de/politik/wikileaks-julian-assange-frei-russland-putin-lux.NPwjq356Kn3abYDAW5CsNa

Das Buch “Ein Gott der keiner war” ist 1950 zuerst im Europa-Verlag, Schweiz, erschienen. Meine dtv-Ausgabe stammt aus dem Jahr 1962. Die gesammelten Texte stammen von Arthur Koestler, Ignazio Silone, Richard Wright, André Gide, Louis Fischer und Stephen Spender. Jeder dieser Autoren ist seinen eigenen Weg gegangen, um seine verlorenen Illusionen zu dokumentieren. Illusionen über den Kommunismus, des sie mal für eine große Hoffnung für die Menschheit gehalten hatten. Auch wenn nur wenige heute noch Hoffnungen auf den Kommunismus richten, gibt es genug andere Ideen, die ähnlich Projektionen und Illusionen nähren.

Lebensmelodien-Konzert 11.6.24 Deidesheim