ich schwöre – jetzt auch Trump…

Passiert mindestens fünfmal pro Woche, dass einer meiner Schüler seiner Aussage Nachdruck verleihen will, indem er ein ich schwöre anhängt. Je nach Stimmung sage ich Ich glaube dir auch so oder wir schwören hier nur vor Gericht. Ich würde meine Hauptschüler beleidigen, sie mit dem amerikanischen Amtsinhaber zu vergleichen, dennoch: Wenn Fuck&Fake-Trump jetzt mit großer Emphase unaufgefordert deklamiert, dass er die Aussagen Comeys vor dem Untersuchungsausschuss unter Eid und zu „100 %” widersprechen wolle, würde ich auch gerne kommentieren Brauchst du nicht, machen wir nur vor Gericht.

Überhaupt frage ich mich, hat Trump denn einen Wahrheitsbegriff, der die Voraussetzung dafür böte, ihn auf eine intersubjektiv überprüfbare Aussage festnageln zu können? Bisher hat Trump mit dem Schlagwort „fake” für alles und jedes jedenfalls deutlich gezeigt, dass seine Wahrheit allenfalls subjektiv existiert – und dann ist es bekanntlich keine.

Lehrstunde in Sachen Interdependenz – Kündigung des Klimaschutzabkommens

Nicht einmal entgegengesetzte Stimmen im eigenen Lager und der eigenen Familie konnten Trump davon abbringen, sein America-First-Mantra auch gegen das Pariser Klimaschutzabkommen in Stellung zu bringen. Geradezu als Frechheit mutet die Erwartung an, das unter großen Mühen geschnürte Verhandlungspaket neu aufzurollen und nach amerikanischen Vorgaben neu zu verhandeln. Von so wichtigen Grundsätzen wie Pacta sunt servanda (Verträge müssen geschützt werden), die seit 2000 Jahren gelten, geht Soziopath Trump einfach mal ab.

Der Herr will es offenbar auf die harte Tour… Versuchen wir doch einfach mal für das nächste halbe Jahr – also bis zum 3.12.17 – so vollständig wie möglich auf Produkte von US-amerikanischen Firmen zu verzichten. Sicher trifft es dabei auch Firmen, die jetzt schon ihre Gegnerschaft zum Vorgehen von Trump bekundet haben. Es wäre aber auch für diese Firmen Anlass, auf die amerikanische Öffentlichkeit und den Gesetzgebungsapparat noch stärker Einfluss zu nehmen, um Trumps Entscheidung vom 1.6.17 wieder zu kassieren.

Wichtig wäre dazu, dass du / Sie deine / Ihre Boycott-Absicht an möglichst viele weitere Menschen auf allen möglichen Wegen mitteilst / mitteilen. Geben wir Herrn Trump eine Lehrstunde in Sachen Interdependenz…

Killerphrase Kuffar – Bataclan, Nizza, Berlin, Manchester…

Wer bei google das Suchchwort „Kuffar? (Ungläubiger) eingibt, wird über eine Million Treffer erhalten. Für viele Muslime ist das ein Teil ihres dichotomen Weltbildes, hier die guten Gläubigen, dort die Ungläubigen. Wenn man Glück hat, wird man auf einigen dieser Seiten noch Hinweise auf das „Volk des Buches“ finden. Damit werden Juden und Christen gewisse Sonderkonditionen eingeräumt, die sie erhalten, weil sie ebenfalls eine Schrift als Offenbarung Gottes bekennen. Im übrigen finden sich häufig mehr oder wenige krude Seiten, die beschreiben, wie im Jihad (hier verstanden als Kampf gegen die Ungläubigen) im Alltag, aber auch im offenen Krieg gegen die „Kuffar? vorzugehen sei.

Nach dem Anschlag auf das Bataclan, nach Nizza, Berlin und neuerdings Manchester muss sich der europäische Mehrheitsislam die Frage gefallen lassen, wie er mit dieser Unterscheidung von Recht- und Ungläubigen in Zukunft umzugehen gedenkt. Ist es doch dieser Begriff, mit dem islamistische Terroristen diverser Provinienzen ihre Anschläge rechtfertigen.

Wenn es tatsächlich um einen friedlichen Umgang, vielleicht sogar um ein bereicherndes Zusammenleben zwischen Christen, Muslimen, Juden, Jesiden, Hindus, Buddhisten, Nicht-Gläubigen usw. gehen sollte, muss dieser Begriff aufgegeben werden.
Letztlich unterscheidet er sich nicht von der Nazi-Ideologie, die u.a. Juden, Roma, Behinderten das Lebensrecht absprach. Der „Ungläubige? dieser Zeit wurde nur „Untermensch? genannt.

Ebenso dürfen Menschen, die sich vom Islam abwenden, nicht als Apostaten verfolgt oder gar getötet werden. Auch die aggressive Mission von Muslimen („Lies!? und andere Salafistenvereinigungen) sollte auch innerhalb der muslimischen Community auf ihre Berechtigung kritisch befragt werden.

Ziemlich rasch könnte und sollte im Gegenzug islamischen Gemeinden, die sich auf Deutschsprachigkeit und Anerkennung des Grundgesetzes verständigen können, die gleichen steuerlichen Vorteile gewährt werden wie anderen Religionsgemeinschaften auch. Dort, wo friedfertige Muslime Einfluss auf ihnen entgleitende Jugendliche oder auch Erwachsene ausüben, muss der Staatsschutz nicht eingreifen. Von dem wünsche ich mir, dass er auf das militante Islamistenmilieu genauer guckt.

Next exit „Impeachment”?

Kölner singen im Karneval Einmol Prinz ze sin in Kölle am Ring (für Nicht-Rheinländer: Einmal Prinz sein in Köln am Rhein). Damit ist das heimliche Ziel vieler Kölner (Männer) benannt, einmal während des Karnevals vom 11. November bis in den Februar hinein die Repräsentationsfigur des kölschen Karnevals zu sein. Für drei Monate ist dies der Freifahrtschein – außerhalb des normalen Alltagslebens mit seinen Verpflichtungen – seinen Narzissmus, geschäftliche Kontakte und — wenn es gut geht — ein Stück Lebensfreude hemmungslos zu pflegen und zu feiern. Vom Rolleninhaber Donald Trump zum Kölner Prinzen ist es also, wie man sieht (Lebensfreude mal ausgenommen), nur ein kleiner Sprung. Auch wenn die drei Monate Prinzen/Präsidentschaft schon überschritten sind, hätte die Knallcharge Trump mit einem Impeachment doch noch als eine Art Prinz Karneval einen versöhnlichen Abgang nehmen können.

Weshalb könnte sich Trump für ein Impeachment qualifizieren? Fakten und Bewertungen auseinanderzuhalten, ist nicht ganz einfach. Ein Versuch, die Dinge in die Reihe zu bringen:

Oktober 2016: Eigentlich hätte Trump allen Grund Ex-FBI-Chef Comey dankbar zu sein: Dieser war es doch, der im Oktober 2016 auf unwesentlich veränderter Faktenbasis eine neue Untersuchung der Vorgänge um Hillary Clintons Email-Affäre anordnete. Die Wirkung auf die Wähler galt als ausgesprochen nachteilig für Clinton.

Februar 2017: Michael Flynn, ein anderer Mann aus Trupms Entourage, muss nach nur drei Wochen sein Amt als Sicherheitsberater im Weißen Haus niederlegen, nachdem seine Kontaktaufnahme zum russischen Botschafter aufgedeckt wurde, die er zuvor geleugnet hatte.
Ebenfalls im Februar findet ein Treffen zwischen Trump und Comey statt, in dem Trump Comey drängt, die Ermittlungen zu Verbindungen von Trumps Umfeld zu russischen Personen und Einrichtungen während des Wahlkampfes einzustellen. Comey fertigt über diese Unterredung ein Memo an.

13. Mai 2017: Nachdem Comey Trumps Wunsch nicht entsprach, wird er an diesem Tag abgesetzt. Trump ist aber bemüht, seine Initiative für diese Absetzung zu verschleiern, indem er anderen Personen – wider deren Wissen – die Initiative für diese Absetzung zusprach. Gleichzeitig mutete er diesen Personen zu, um gegenüber der Öffentlichkeit Loyalität zum Präsidenten zu wahren, nicht deutlicher ihr Unverständnis oder ihre Benutzung zu brandmarken.

15. Mai 2017: Trump schwadroniert bei einem Treffen mit dem russischen Außenminister Lawrow über Anschlagspläne von IS-Terroristen und offenbart dabei als hochgradig geheim eingestufte Informationen. Besonders pikant und für wohlmeinende Republikaner bestürzend ist der Umstand, dass die Quelle eines befreundeten Geheimdienstes dabei gefährdet wird.

23. Mai 2017: Der frühere CIA-Direktor Brennan qualifiziert eine Untersuchung der Vorgänge, unter denen Geheimdienstinformationen an Lawrow weitergegeben wurden und die möglichen Verbindungen von Trumps Wahlkampfteam zu Moskau, als „well-founded“.

Inzwischen hat das amerikanische Justizministerium den Sonderermittler Robert Mueller eingesetzt, der alle angesprochenen Vorgänge untersuchen soll und für diese Aufgabe schon mal einen Zeitraum bis 2018 für möglich gehalten hat.

…und in der schönsten aller Welten bricht das Trump mit allen Einzelheiten, die bis dahin offenbar werden, tatsächlich den Hals. Uns und den Amerikanern wäre es zu wünschen.

Brexit wird mit harten Bandagen angegangen

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Die gescheiterte Fusion der Börsen von Frankfurt und London macht es noch einmal deutlich, was vor etwas mehr als 2 Wochen der bbc eine Meldung wert war: Der Brexit wird nicht zum Nulltarif zu haben sein. Dr. Andreas Dombret von der Bundesbank hatte in London einen Vortrag gehalten und warnende Worte gesprochen, die nicht überall willkommen waren.

Erstaunlich war, wie Leser von bbc anschließend im Schlachtmodus gewissermaßen noch einmal WW2 spielten. Um es noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Ich wäre froh, wenn das UK weiterhin in der EU wäre, Europa verliert nicht nur einen Markt (der wäre zur Not noch zu verschmerzen), sondern vor allem den wohltuenden britischen Pragmatismus.

Wenn man aber nach vollzogener Abstimmung doch kalte Füße angesichts einer wackeligen Zukunft bekommt, sollte man den Schwarzen Peter zunächst mal bei sich suchen. Die Schlachten des 2. Weltkriegs sind Gott sei Dank geschlagen und benötigen auch keine mentale Wiederbelebung.

Manchester by the sea – ein filmisches Trump-Gegengift

In Zeiten, in denen man fast täglich das Liebermann-Zitat bemühen möchte „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte”, um Trumps letzten Ausfall zu kommentieren, kommt ein leiser und mit 138 Minuten langer Film mit gänzlich anderem Charakter aus den USA in die Kinos.

Lee hat den Heimatort Manchester by the sea verlassen, weil er die Idylle angesichts dessen, was seiner Familie widerfuhr (Zeitebene 1), nicht mehr ertragen kann. Er ist jetzt (Zeitebene 2) Hausmeister in Boston und sein Arbeitseinsatz über das hinaus, was er tun müsste, wird selten gewürdigt. Der Mann, der immer wieder Schnee schippend oder bei der Beseitigung von Kloverstopfungen oder Leckagen gezeigt wird, ist definitiv kein Held.

Aus diesem Alltag wird er aber völlig überraschend herauskatapultiert, als er nach dem plötzlichen Tod von Bruder Joe zum Vormund seines 16jährigen Neffen Patrick bestellt wird. In der entscheidenden Situation beim Rechtsanwalt muss der von Casey Affleck eher mit Körpersprache und Mimik dargestellte Lee eine Entscheidung treffen. Einige Rückblenden machen dabei klar, wie lange der Entschluss, die Vormundschaft und Fürsorge für den Neffen zu übernehmen, benötigt. Lee hat nämlich den Heimatort nach der traumatischen Zerstörung seiner eigenen Familie fluchtartig verlassen. Nun bringt ihn die Beerdigung des Bruders auch mit seiner früheren Frau Randi zusammen – ebenfalls großartig besetzt mit Michelle Williams, die in Blue Valentine an der Seite Ryan Goslings in einer vergleichbaren unheldischen Geschichte agierte.

Mit am beeindruckendsten dann eine Szene, in der Randi mit Lee vallein ergeblich versucht, ihren Anteil am Scheitern der früheren Familie zu bekennen. Dieser erträgt jedoch keinen Blickkontakt geschweige denn dieses für ihn doch entlastende Bekenntnis. Lee hat sich in seinem Schmerz derartig eingeigelt, dass er ihn als Person meinende Kommunikation nicht mehr erträgt. (Wer im öffentlichen Bereich zu den Themen Schuld und Vergebung arbeiten will, findet hier einen hervorragenden Einstieg.)

Etwas leichter ist dann für Lee die Rolle eines Ersatz-Vaters Patrick gegenüber. Dieser probiert aus, was Jungen in diesem Alter ausprobieren: Sex, Freundschaft, Vorstellungen über die eigene Zukunft, Musik…. Aufopferungsbereit folgt Lee trotz mancher Bedenken und einigen wenigen Verboten dem Auftrag des brüderlichen Auftrags, für Patrick da zu sein. Dass Lee dann noch eine zündende Idee entwickelt, das Familienboot — wirtschaftliche Grundlage der Familie, aber auch Symbol für männliche Verbundenheit unter Joe, Lee und Patrick – zu retten, ebnet den Weg zu einem gelasseneren Umgang von Onkel und Neffen.

Formal traut der Film den Bildern aus dem ländlichen Küstenstreifen, aber auch aus den Begegnungen und Konfrontationen viel zu. Diese sind es doch, die im Zusammenspiel mit der unterlegten Musik (Bach (?) u.a.), im Zentrum des Films stehen. Kenneth Lonergan als Regisseur wie auch mehrere der Schauspieler sind zu Recht für Oscars nominiert: Ein Film der leisen Töne, wohltuend anders als das, was das offizielle Amerika gerade abliefert.

Scots – we love you…

Gestern gaben einige Abgeordnete aus Schottland im englischen Parlament ihrem Protest gegen den Brexit gesanglich Ausdruck, indem sie die Ode of Joy pfiffen oder sangen. Sie wurden ziemlich rüde zurückgepfiffen. Beethovens und Schillers Ode an die Freude oder ihr englisches Gegenstück Ode of Joy sind die offizielle Hymne der EU.

Anyway, Scots we love you…

www.telegraph.co.uk/news/2017/02/09/snp-mps-sing-ode-joy-brexit-bill-vote

Grab them by the pussy-Donald ist Präsident

Der erste Impuls: 4 x 12 mal das Wort „asshole” als Kommentar raushauen, am besten in Großbuchstaben für diesen Schmierlappen, einmal pro Monat der bevorstehenden Präsidentschaft. Aber wäre das vielleicht dann doch eher ein ungewollter Kotau vor dem Stammtischniveau, das mit Donald Trump demnächst ins Weiße Haus einzieht…? Wie lässt sich trotzdem auf diesen Mann reagieren, der eine Teflonbeschichtung zu besitzen scheint für alles, was mit Moral und Werten zu tun hat?

Einbinden

wahrscheinlich hat Angela Merkel das einzig Richtige getan, als sie einerseits eine Zusammenarbeit offerierte, diese aber andererseits an die Werte Deutschlands und der Europäischen Gemeinschaft knüpfte, nämlich „Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht sowie der Würde des Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung”. Man muss aber darauf hoffen, dass Merkel dann, wenn diese Werte vom zukünftigen Präsidenten verletzt werden sollten, nicht nur lauwarme Worte findet wie gegenüber Erdogan.

Mit seinen Versprechungen konfrontieren

Dass ausgerechnet weiße, männliche Arbeiter mit geringer Ausbildung Trump gewählt haben, ist vor allen den Ängsten einer Schicht zu verdanken, die sich in jeder Hinsicht abgehängt fühlt. Aber auch diese werden irgendwann die vollmundigen Ankündigungen („make America great again”) an dem messen, was sie am Monatsende im Portemonnaie vorfinden. Ich hoffe, dass die Demokraten und dort vor allem die Sanders-Leute nicht müde werden, da den Finger in die Wunde zu legen.

Schadensbegrenzung

Gespannt bleibt, wie sich die Republikanische Partei zu Trump stellen wird. (Wahl-)Erfolg wirkt in gewisser Weise korrumpierend, bevor aber die eigene Partei dauerhaft Schaden nimmt, würden sie aber wahrscheinlich auch Trump behindern, wenn dieser völlig aus dem Ruder laufen sollte. International wird Trump, so rabaukenhaft und jenseits von Gut und Böse er sich gerne gibt, dann doch eher früher feststellen, dass er nicht alle gefahrlos vor den Kopf stoßen kann. Hier werden die Zwänge eines Präsidentenamtes zügelnd wirken, die der vormalige Wahlkampfmatador voluntaristisch bei Seite schieben konnte.

Impeachment

Trump hat ein insgesamt ein eher entspanntes Verhältnis zu diversen Gesetzen wie nicht nur seine sexuelle Übergriffigkeit gegenüber verschiedenen Frauen gezeigt hat. Sollte er diese Haltung auch gegenüber Verfassungsgrundsätzen der USA zeigen, gibt es noch das Instrument des Impeachment, mit dem dann gegen ihn vorgegangen werden kann. Immerhin ist damit der amerikanische Präsident Nixon von der Macht entfernt worden.

Nach vorne denken

Dass in Europa Leute vom Schlage eines Nigel Fürdenarsch oder Geert Wilders jetzt „bravo” schreien, war abzusehen. Atmen wir einmal durch, wäre mein Vorschlag, und zeigen, dass Europa und die EU einiges von dem, für das mal die Vereinigten Staaaten von Amerika gestanden haben (Zufluchtsort der Verfolgten, Ort für verschiedene Lebensentwürfe, Achtung der Vielfalt von Sprachen und Kulturen unter dem einigenden Dach einer von allen akzeptierten Verfassung…), besser kann und beobachtbar praktiziert. Und dann warten wir einfach mal ab. Ach ja, amerikanische Produkte muss man ja nicht jeder Zeit kaufen, wir können ja auch mit einem Kaufverzicht oder -aufschub deutlich machen, dass wir die Wähler vom 8.11.2016 nicht verstehen.

Willkommen und Anpassung — kein Goethe-Gedicht

Ich unterrichte an einer Hauptschule im Kölner Norden. In meiner siebten Klasse haben von 24 Schülern fünf einen deutschen Familiennamen. Das ist in den meisten Kölner Hauptschulen auch nicht anders und stellt zunächst überhaupt kein Problem dar.

Es gibt allerdings ein gewisses Problem damit, dass unter den Schülern mit Migrationshintergrund eine Gruppe zahlenmäßig dominiert: 12 Schülerinnen und Schüler haben einen türkischen Familienhintergrund und manche leiten aus diesem Umstand Forderungen ab, die ihrer Integration  in die deutsche Gesellschaft nach meinem Verständnis im Wege stehen.

Schreibweise der Namen

Türkische Vor- und Familiennamen enthalten, wenn man im Sinne der türkischen Rechtschreibung richtig schreiben will, einige Zeichen, die im Deutschen nicht nur unbekannt sind, sondern die auch am Computer nur mit Hilfsprogrammen erzeugt werden können. Solche Namen sind beispielsweise Tu?ba oder Asl?. Das „g” mit Tilde sorgt dafür, dass das  „g” in der Aussprache unberücksichtigt bleibt, das „?“ bei Asl? bewirkt am Ende einen Schwa-Laut vergleichbar dem letzten Laut des englischen „formula”.

Eine meiner Schülerinnen besteht darauf, dass ihr Name in diesem Sinne in türkischer Schreibweise z.B. bei einer Auflistung an der Tafel „richtig” geschrieben wird. Ich antworte darauf in zweierlei Weise: Zunächst sage ich der Schülerin, dass ich gut verstehen kannn, dass ihr Name korrekt ausgesprochen wird. Das billige ich jedem Schüler zu und ich denke, dass ich über die Jahre gelernt habe, alle fremdländischen Namen richtig auszusprechen.

Australien…

Im zweiten Argument, weshalb ich mich im Sinne der Integrationsinteressen der Schülerin weigere, ihrer Forderung nach der für sie richtigen Schreibweise nachzukommen, kommt mein Bruder ins Spiel. Er ist vor 11 Jahren nach Australien ausgewandert und heißt nun – Umlaute sind in Australien nicht vorgesehen – „Junger”. Soweit ich das aus der Ferne beurteilen kann, hat das keine Gefühle von mangelnder Akzeptanz bei ihm ausgelöst, das war der Anpassungsprozess, den er für die Aufnahme in die australische Gesellschaft leisten musste. Punkt. (Dass ich mich selbst in englisch- oder französischsprachigen Kontexten meistens als George vorstelle, lasse ich für die Schülerin lieber weg: Sie würde es nicht verstehen…) 

Würde mein Bruder auf der Schreibweise mit „ü” bestehen, würde er nicht nur Kopfschütteln auslösen, sondern könnte alle Hoffnungen auf berufliches und gesellschaftliches Fortkommen in Australien in den Kamin schreiben. Dies versuche ich meiner Schülerin deutlich zu machen und scheitere damit regelmäßig. Vielleicht versuche ich es demnächst mal so: Wenn ich ins Kino will, um einen spannenden, schönen Film zu sehen, muss ich auch einen Eintrittspreis bezahlen, um an der Vorführung teilnehmen zu können. Ich brauche mir aber deswegen nicht einzureden, dass die Kino-Besitzerin mich wegen des abverlangten Eintritts nicht mag…

Vielleicht können wir auch irgendwann auf eine sprachlich vollzogene Integration zurückblicken. Immerhin ist in Köln aus Miloviç irgendwann Millowitsch und damit der Kölner Vorzeigevolksschauspieler geworden…