Wie kann man mit fast 89 noch die Anstrengungen eines Konzertes stemmen? Wolf Biermann wählte am 1.11.2025 im Tanzbrunnen unweit der legendären Sporthalle vom seinem ersten Konzert in Köln einen klugen Ansatz: Angesagt von seiner charmanten Frau Pamela bestritten andere Künstlerinnen und Künstler, auf die ein oder andere Art mit Biermann verbunden, diese Hälfte.
Knallig los ging es mit der Band Van Holzem aus Ulm, die das Thema Hoffnung / Hoffnungslosigkeit auf ihre Art interpretierte. Gitarristin Nora Buschmann (Jg. 1969) begeisterte mit lateinamerikanischen Stücken und konnte auf die Gespräche im Elternhaus verweisen, die sich in der DDR aus Biermanns Ausbürgerung ergaben. Ein Heimspiel war dann der Auftritt von Wolfgang Niedecken, der von Mike Herting am Flügel begleitet wurde. Später waren noch Campino und Kuddel von den „Toten Hosen” am Zug mit einer überzeugenden Version der „Ermutigung”.
Dann schaltete sich Biermann in den Auftritt ein mit der Ballade vom „Preußischen Ikarus”. Er beherrscht die Gitarre nach wie vor meisterlich und seine Stimme lässt keinen fast Neunzigjährigen vermuten. Die „Bilanzballade im dreißigsten Jahr” brachte dann Günter Sommer und Uli Gumpert, ausgewiesene Jazzer, ins Spiel. Sommer wusste zu berichten, wie er das Schlagwerk, das er bei der Aufnahme von Biermanns LP verwendete, unter den Augen der Stasi in die Chausseestraße 131 schaffen konnte. Biermanns Korrekturen an Günter Sommer beim Reenactment dieser Aufnahme zeigten die zickige und weniger sympathische Seite von Biermann.
Alles in allem war es ein lohnendes Konzert von diesem Großmeister des politischen Liedes in Deutschland. Und Biermann zum zweiten Mal bei einem Konzert in Köln zu erleben, ist ein Erlebnis, um es den Enkeln zu erzählen. Biermann hat viele Einflüsse aufgenommen und Impulse weitergegeben. Insgesamt ist er mit seiner Lebensspanne von 1936 bis heute ein Stück deutscher Geschichte auf zwei Beinen. Überzeugend für mich sein Motto „Nur wer sich ändert / bleibt sich treu”. Dass er überhaupt noch da sei, sprach Biermann am Ausgang des Konzertes mehr zu sich selbst. Das war sicher eine sehr ehrliche Aussage.
