Noah, nicht nur mit biblischem Namen, sondern mit einem ebensolch biblischen Lebensalter versehen, hat uns vorletzten Sonntag verlassen. Wir trauern um einen Hund, der uns 15 1/2 Jahre begleitet und unser Leben bereichert hat. Es tröstet minimal, dass er nicht lange leiden musste.
Kategorie: der letzte Rest
Designfehler wie für ein Lehrbuch: Boeing 737 MAX
Flugreisen sind in den letzten Jahren so günstig geworden, dass daraus ein weiteres ernsthaftes ökologisches Problem entstanden ist. Dass dies passieren konnte, hat auch mit deutlich sparsameren Triebwerken zu tun. Diese erzielen einen stark höheren Wirkungsgrad, indem der Schub im immer kleineren Anteil vom verbrannten Kerosin erzeugt wird, sondern dieser durch das Aufheizen der Luft in einem zweiten System erzeugt wird (siehe unten – hell gefärbt). Dieser durch den sogenannten Nebenstrom erzeugte Schub übertrifft bis zum 10fachen den primären. Eine geniale Idee – der konstruktive Nachteil dieser modernen Triebwerke: Sie fallen – was Größe und Gewicht angeht – deutlich massiver aus.
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Wettbewerbsdruck und falsche Entscheidungen
Das ist der Ausgangspunkt zum Verständnis der gravierenden Designfehler, die bei der Konstruktion der Boeing 737 MAX gemacht wurden: Der Platzhirsch Boeing versuchte, als Airbus im Mittelstreckenbereich mit seinem Flugzeug A320 Neo einen Trumpf gelandet hatte, schnell mit einem konkurrenzfähigen Produkt nachzuziehen. Die Boeing 737, über 10.000 Mal bereits gebaut, sollte ein zweites Mal modernisiert werden und zwar mit Hilfe des neuen sparsameren Triebwerks LEAP-1B eines amerikanisch-französischen Gemeinschaftsunternehmens. Zwei Pferdefüsse waren mit dieser Wahl verbunden.
Konstruktive Kompromisse mit angeflanschter Fehlerkorrektur
Die Boeing 737 als Urmutter des neuen Flugzeuges besaß im Vergleich zum Airbus 320 Neo ein niedrigeres Fahrwerk. Deswegen konnte auch nur die kleinere Variante des LEAP-Triebwerkes mit einem geringeren Durchmesser verbaut werden. Zudem sollten die Änderungen des neuen Flugzeugtyps so moderat ausfallen, dass das Genehmigungsverfahren viel vom Vorgängertyp übernehmen konnte. Das neue LEAP-1B-Triebwerk war aber in jedem Fall so wuchtig und groß (ø 3,15 m), dass es nicht unter dem Flügel wie die alten Triebswerke angebracht werden konnte. (Die Gegenüberstellung unten zeigt deutlich die ansteigende Größe und die veränderte Aufhängung des Triebwerks am Flügel: ein folgenreicher Eingriff in die gesamte Statik des Flugzeugs.)
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Damit war ein schwerwiegender Nachteil in Kauf genommen worden, der nachträglich nur unzureichend durch ein eher angeflanschtes Hilfesystem ausgeglichen werden sollte: Ein gravierendes Problem in der Luftfahrt ist es, einen Strömungsabriss in allen Flugsituationen zu verhindern. Ein solcher tritt ein, wenn ein Flugzeug zu rasch seinen Anstiegswinkel verändert: Die Auftriebskräfte am Flügel fallen dann weg und ein Flugzeug wird nur noch schwer steuerbar und kann leicht abstürzen. Dies ist bei zwei Abstürzen der Boeing 737 MAX vermutlich mit genau dieser Fehlerursache in den letzten 12 Monaten passiert.
Um die durch die veränderte Statik konstruktionsbedingte vermehrte Neigung der Boeing 737 MAX zu einem solchen Strömungsabriss zu vermindern, wurde ein eigenes automatisches Verfahren implementiert, das MCAS (Maneuvering Characteristics Augmentation System). Dieses System ist dazu gedacht, zu steile Anstellwinkel des Flugzeugs dadurch zu unterbinden, dass diese potentiell gefährlichen Flugbewegungen durch entsprechende automatisch eingeleitete – ohne Zutun des Piloten – Steuerbewegungen der Schwanzflügel verhindert werden. Das Flugzeug senkt daraufhin die Nase ab. Dabei gab es jedoch verschiedene Probleme:
- Diese automatisch eingeleitete Steuerung griff nur auf die Werte eines einzigen Sensors zurück. Der Rückgriff auf die Werte eines zweiten redundanten Sensors – der Sensorfehler hätte ausschließen können – war nur gegen einen kostenpflichtigen Aufpreis erhältlich.
- Das Ausmaß des Gegensteuerns wurde um das Vierfache gesteigert im Vergleich zu dem, was ursprüngliche Sicherheitsdokumente bei Boeing aussagten (2,5° zu 0,6°). Damit erklären sich auch die einer Jojo-Bewegung gleichenden Flugbewegungen des Flugs der Lion Air vom 29.10.2018, der mit dem Absturz und dem Tod aller 189 Menschen an Bord endete. Die Piloten hatten den Kampf gegen das automatische Absenken der Nase des Flugzeugs nach 26 Eingriffen der Automatik verloren.
- Überdies wurden die möglichen Eingriffe des MCAS-Systems auf Veranlassung der FAA erst nach dem 1. Absturz den Piloten gegenüber deutlicher kommuniziert.
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Wiglaf Droste – Meister des Schafotts und des Floretts ist tot
In Zeiten, als ich noch die taz las, kamen seine Kurztexte – selten länger als 2 Buchseiten – regelmäßig ins Haus: sprachmächtige Kunststückchen, die an Polemik nicht sparten, manchmal aber auch ins Menschenverachtende umschlugen („Der Barbier von Bebra?). Dabei hatte er auch sinnlich-sanftere Seiten zu bieten, wenn er sich beispielsweise über die Kastanie in fast kindlicher Freude und mit liebevoll ausgeheckten Neologismen ausließ:
Anfangs hat man Mühe, ein paar gescheite Handvoll Kastanien zu finden, jetzt schöpft man aus dem Vollen: lauter Kastanien, und alles meine!
Wenn das Auge seinen Spaß gehabt hat, kommt das Haptische zu seinem Recht: befummeln, ja, ja, ja! Man nimmt die ungleich großen Bollern und dreht sie, prähistorische Meditationskugeln, mal gnubbelig, mal abgeplattet…
Laut schallend lachen musste ich, als ich eine Charakterisierung von Claudia Roth (für die Nachgeborenen: ehemalige Rio Reiser-Managerin und häufig zum Theatralischen neigende Grünen-Politikerin mit diskutabler Gewandung) erneut las:
Die Bayreuther Wagner-Festspiele besuchte sie in so heillos aufgemaschelter Garderobe, dass im Umkreis von 30 Kilometern die Blindenhunde knurrten.
Auch musikalisch kam ich mit ihm überein: Johnny Cash („American Recordings“, dazu sein Text „The Beast in me“) und Van Morrisson stehen bei mir ganz oben im Musikregal.
Streicht man die Stücke raus, die deutlich unter die Gürtellinie gingen, in denen Droste offensichtlich Probleme mit der Selbstregulation hatte, oder platte Feindbilder bedienten, kann ich mir vorstellen, einzelne Texte von ihm auch in künftigen Lesebüchern vertreten zu sehen.
Wie ich dann doch kein zweiter Michael Jackson wurde
Nein, keine besonderen Tanzschritte oder ein herausragendes musikalisches Talent bringen mich in die Nähe von Michael Jackson, sondern eine Vielzahl von – nennen wir es mal so – körperlichen Umbauten: mit 12 die Mandeln entfernt zu bekommen, war ja noch Routine, ebenso wie die Kronen auf Backenzähnen. Aber wer trägt schon ein Gazenetz unter der Bauchdecke, hat keine Gallenblase mehr oder hat sich die Kurzsichtigkeit durch einen Laserhobel entfernen oder die Krampfadern ebenfalls per Laser veröden lassen? Dazu kommen noch ein ein halbes Dutzend weiterer OPs, mit denen ich hier nicht langweilen möchte.
Gestern fiel dann aber die Entscheidung, auf elektronische Öhrchen alias AudeoB90-10-Grundgeräte im Wert von immerhin 5.767 € zu verzichten – jetzt war Schluss mit den körperlichen Selbstoptimierung à la Michael Jackson. Es gibt dazu einen gesundheitliches und dazu ein grundsätzlichen Argument: In der Familie gab es den running gag, mir meine tatsächliche oder nur so empfundene Schwerhörigkeit immer mal wieder unter die Nase zu reiben. Auch in der Schule stehe ich schon mal auf dem Schlauch, wenn zwei Schüler mit mir gleichzeitig reden wollen und ich – dann wirklich – nur Bahnhof verstehe. In beiden Fällen hat aber das teure Gerät keinerlei Fortschritt gebracht: Weder in der Tischrunde noch in der Klasse gab es nennenswerte Vorteile mit den Öhrchen. Schön war es allerdings, im Sauerland die Vögel noch vielfältiger zwitschern zu hören oder klassische Musik differenzierter wahrzunehmen.
Meine Frage an den Akustiker, ob es denn keine Refurbished-Öhrchen zu einem günstigeren Preis gäbe, wurde so beantwortet. Die Heilmittelverordnung sehe leider nicht vor, dass diese durch Seriennummern identifizierbaren Geräte jemals wem anders verkauft werden dürften als dem ursprünglichen Käufer. (Werden jetzt die teuren Öhrchen die Halde des Elektronikschrotts vergrößern, wäre zu fragen?) Es verhält sich dabei wie mit der Pillenpackung, die beim Apotheker über die Theke wandert: Sobald sie eingesteckt wird, ist kein Umtausch oder eine Rückgabe mehr möglich, auch wenn nichts geöffnet wurde.
Deutschland erlaubt sich hier einen unbegreiflichen Luxus: Statt Marktmechanismen für einen Kostendruck auf der Angebotsseite sorgen zu lassen und Leute mit niedrigeren Gesundheitskosten zu beglücken, schottet man Märkte mit sachfremden Gründen ab und pflegt Pillendreher und Gesundheitsdienstleister. Wäre an der Zeit, hier gesetzliche Altertümer abzuschaffen!