Zuwarten und Aussitzen ist keine Lösung – Woelki und kein Ende

Die leidige Diskussion um die Verantwortung der Bistumsspitze im Skandal um sexualisierte Gewalt in der Kölner Diözese geht leider weiter. Letzte Stationen waren ein völlig unzulässiger Vergleich von NS-Propaganda und der kritischen Berichterstattung über die Kölner Kirche in den lokalen Medien durch Weihbischof Puff. (KStA 23./24.1.2021)

Davor konnte man beobachten, wie der unbotmäßige Pfarrer Koltermann, der den Rücktritt von Kardinal Woelki gefordert hatte, auf Linie gebracht werden sollte. Die Kirchenleitung muss dabei mehr und mehr eine Erfahrung machen: Solche Versuche gehen regelmäßig nach hinten los. Die Kirchengemeinde des Pfarrers aus Dormagen hat sich hinter ihn gestellt, die versuchte Maßregelung musste zurückgenommen werden. Viele weitere katholische Christinnen und Christen haben sich solidarisiert. Es gab dazu eine weiter fortgeführte Online-Petition (s.u.) Wer ein Kirchenbild à la 50er Jahre aufrecht erhalten möchte, liegt schief.

Zwischen den Jahren hatte Woelki selbst in einer Predigt um Verzeihung gebeten. Allerdings bezog sich die Entschuldigung nicht auf den eigenen Beitrag zu der verfahrenen Situation, sondern auf die allgemeine Kritik, die auch die Gläubigen trifft. Das könnte man als typisch ansehen.

Selbst wenn ich dem Kardinal zu Gute halten möchte, dass er vor Monaten mal die Absicht gehabt haben könnte, die nötige Aufklärung zu betreiben. Sein Hin und Her um das Münchener Gutachten wie seine Person sind schon länger selbst zum Ärgernis geworden. Was das für März versprochene neue Gutachten anderes enthalten soll als die bereits deutlich gewordene Nichtbefolgung von klaren Verfahrensregeln für den Umgang mit sexualisierter Gewalt, bleibt äußerst rätselhaft. Es stand Kardinal Woelki nicht an, einen beschuldigten Düsseldorfer Pfarrer, dem er sich persönlich verpflichtet fühlte, von den vorgesehenen kirchenrechtlichen Konsequenzen auszunehmen. Unabhängig von dessen gesundheitlichem Zustand.

Treten Sie zurück, Herr Kardinal. Je früher das erfolgt, um so weniger verdunkeln Sie die Botschaft, für die unsere Kirche eigentlich stehen sollte: Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht Jes 9,1 – Auch die Generalvikare Schwaderlapp und Hofmann, die mitverantwortlich für die Lähmung im Bistum tragen, sollten ersetzt werden. So kann man nur sagen: „Der Letzte macht das Licht aus.” – Soll es das sein?

Hier noch der Link zu der Petition zum Streit um Pfarrer Koltermann

P.S. I: Es kann nicht trösten, dass sexualisierte Gewalt auch in Frankreich gerade ein großes Thema ist. Über Jahrzehnte waren entsprechende Fälle bei Prominenten mit dem Hinweis So was kommt in allen Familien vor beantwortet und unter den Teppich gekehrt worden. Die Süddeutsche berichtete.

P.S. II: Ein Offener Brief an Kardinal Woelki vom 4.3.21 von den Gemeinden Bickendorf / Ossendorf / Ehrenfeld.

2 Gedanken zu „Zuwarten und Aussitzen ist keine Lösung – Woelki und kein Ende“

  1. Ein Kardinal ist kein Staatsanwalt und jurisitsch nicht verpflichtet Sexualdelikte, die ihm zur Kenntnis kommen anzuzeigen. Wie sein Verhalten moralisch zu bewerten ist, sollte nicht vom gesunden Volksempfinden entschieden werden. Herr Woelki wird gute Gründe gehabt haben, den Pfarrer, der mutmasslich Missbrauch begangen hat, ob seiner Erkrankung barmherzig zu behandeln. Es ist wohlfeil und gibt ein Gefühl der moralischen Überlegenheit sich zu empören. Doch der werfe den ersten Stein…
    Was Pfarrer Koltermann angeht: Wenn ich als Assistenzarzt meinem Chef öffentlich Vertuschung eines Fehlers vorwerfe und seinen sofortigen Rücktritt fordere, darf ich mich nicht wundern, wenn ich mit meinem Arbeitgeber Ärger bekomme.
    Seit Kardinal Frings konnte es kein Kardinal den Kölnern Recht machen. Die katholische Kirche ist konstitutionell nun mal nicht demokratisch. Wenn mir das nicht gefällt, habe ich die Freiheit zur evangelischen Konkurrenz zu wechseln oder ganz auszutreten.
    Diese ganze hysterische moralische Empörung ist von christlicher Barmherzigkeit jedenfalls weit entfernt. Und den Missbrauchsopfern ist damit auch nicht wirklich geholfen.

    1. Lieber Michael, ich kann durchaus nachvollziehen, dass Kardinal Woelki in einen Loyalitätskonflikt kam, als es um die Beurteilung des Düsseldorfer Pfarrers ging, dem er sich verpflichtet fühlte. Gerade wenn er sich um den Gesundheitszustand dieses Pfarrers Gedanken gemacht hat, kam es ihm trotzdem nicht zu, ein Verfahren außer Kraft zu setzen, dass die Mauscheleien und Vertuschungsaktionen der Vergangenheit ein für alle mal außer Kraft setzen sollte. Er hätte sich einfach darauf verlassen können und dürfen, dass eine Etage über ihm schon keiner einen dementen Mann für justitiabel gehalten hätte.
      Ich bin weit davon entfernt, für eine allgemeine oder sogar _die_ Moral sprechen zu wollen. Die Leute aus dem Kreis der betroffenen Missbrauchsopfer haben aber deutlich zu verstehen gegeben, dass sie sich ein weiteres Mal in Dienst genommen und nicht wirklich ernst genommen oder sogar missbraucht gefühlt haben, als ihre Voten falsch und unzutreffend weiter gegeben wurden. Das reicht für mich schon, um einen Kardinal um Rücktritt zu bitten (das hatte ich übrigens schon im November 2020 in einem privaten Brief an ihn getan), um endlich einen Neuanfang in diesem Bistum zu erlauben. Nicht mehr, nicht weniger — ein ehemaliger Kardinal Woelki kann an vielen anderen Stellen in der Kirche sinnvoll arbeiten.
      Grüße in die Schweiz, Georg

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