Die Causa Woelki, von der alle wissen, nur deren Namensgeber nicht, kommt aus der Sommerpause. Erzbischof Woelki tut so, als sei mit der verspäteten Veröffentlichung des zweiten Gutachtens zum Thema „Sexualisierte Gewalt” alles Nötige gesagt. Dieses Gutachten hat aber nie zum Inhalt gehabt, dass Woelki lange Jahre im System Meisner durch die Funktion eines Privatsekretärs fest verankert war. Auch die Verbindung zu seinem Düsseldorfer Mentor O., den nur seine Demenz davor bewahrt hat, sich für seine Verbrechen verantworten zu müssen, ist im Gutachten nur gestreift. Woelki sieht sich wieder mit Oberwasser unterwegs, nachdem er im Ahrtal mit angefasst hat. Er schreibt sogar von „Hunderten Briefen”, die ihn zum Ausharren auf seinem Posten ermutigt hätten.
Dass gleichzeitig Tausende Katholikinnen und Katholiken die Nase gestrichen voll haben von einer dermaßen gleichgültigen Kirche und austreten, schert ihn absolut nicht. Wer vorwiegend im Echoraum seiner Entourage unterwegs ist, hört nur, was ihm gefällt. Diese Selbstbezogenheit mit feudalen Wurzeln hat der Jesuit Klaus Mertes kürzlich treffend charakterisiert: „Ich glaube, er tritt deswegen nicht zurück, weil er sein Scheitern nicht sieht. Er versteht sich als ein aufgeklärter Monarch, der alles gut und richtig machen will und auch getan hat, abgesehen von einigen verzeihlichen Fehlern.“
Ich hätte ja eine Faust in der Tasche gemacht, wenn Herr Woelki sich für – sagen wir mal – zwei Jahre von seinen öffentlichen Auftritten weitgehend zurückgezogen hätte. Er hätte in dieser Zeit gründlich reflektieren können, wo er ohne direkt justitiable Vergehen in der Vergangenheit z.B. durch fehlendes Hingucken und Empathie für die Opfer gefehlt hat. Das hätte so etwas wie eine persönliche Umkehr werden können. Von all’ dem nichts da: Herr Woelki musste in der gleichen Pfarrei, in der sein Gönner und Mentor fortgesetzt Missbrauch betrieben hatte, gegen den ausdrücklichen Wunsch der Eltern der Firmlinge an diesem wichtigen Akt, dem persönlichen Mündigwerden in der Kirche, teilnehmen. Damit ist für mich sein letzter Rest von persönlicher Glaubwürdigkeit unwiederbringlich aufgebraucht. Ich bin, wenn ich auf meinen Freundeskreis gucke, damit nicht alleine.
Dass Woelkis Kirchenbild mit einer klerikerzentrierten Kirche (kann man das überhaupt so nennen: kyriacae / ??????? griechisch – zum Herrn gehörig?) erkennbar ohne irgendeine Zukunft ist, ist nur das Tüpfelchen auf dem „i”. Nicht nur nach innen, erst recht nach außen in eine Zivilgesellschaft hinein, sind Sie, Herr Woelki, unvermittelbar. Dabei könnte Kirche angesichts von Klimakrise und einem halben Dutzend anderer Krisen ohne falschen Triumpfalismus und Selbstgerechtigkeit bescheiden und selbstbewusst Denkanstöße vermitteln.
Ich hätte Ihnen gerne etwas Erfreulicheres zu Ihrem Geburtstag geschrieben, aber mein Gefühl für Loyalität zu Ihnen und Ihrem kirchlichen Amt ist aufgebraucht. Auch außerhalb Ihrer Entourage findet sich Volk Gottes (LG 6ff). Egal, vor welchem Gremium oder welcher Personengruppe in der Kirche Sie auftauchen, Sie werden sich erst mal mit den ausgesprochenen und unausgesprochenen Vorwürfen beschäftigen müssen. Mit von Anstrengung zur Selbstverteidigung zusammengepressten Zähnen Wort Gottes verkündigen?? Das wird nicht gehen. Geben Sie den Weg frei für eine Kirche im Rheinland und in Deutschland, die wieder Hoffnung und Zuversicht verbreiten kann. Fehlende Einsicht in die eigenen Fehler hat man in meiner Jugend schon mal als „Verstocktheit” bezeichnet. Zeigen Sie jetzt endlich, dass Sie noch lern- und einsichtsfähig sind und kommen Sie aus dieser unhaltbaren Position heraus.
Nachsatz anlässlich des Todes von Pfarrer Klaus Kugler († 4.9.21):
Wenn ein Pfarrer mit schon 59 Jahren abtritt, sollte das eine kurze Überlegung wert sein. Klaus Kugler hatte den vor kurzem zusammengelegten Pfarrverband in Bickendorf/Ossendorf und Ehrenfeld geleitet, der damit insgesamt 8 Kirchtürme umfasste. Ein auch äußerlich sichtbares Ergebnis seiner Tätigkeit bleibt die Umwandlung von St. Bartholomäus in eine Grabeskirche und die Errichtung eines neuen, ansprechenden Gemeindezentrums mit Kindergarten und Wohnungen in der Rochusstraße. Sein Motto Wir machen nicht alles, aber was wir machen, machen wir gut bewahrheitete sich an vielen Stellen. Obwohl er mit Bernd Kurth einen Verwaltungsleiter an die Seite gestellt bekam, muss sein Arbeitspensum enorm gewesen sein.
Bevor der Sendungsraum dann Süd-Westliches Rheinland heißt, weil keine geweihten Priester mehr da sind, sollten alle anlässlich dieses zu frühen Todes innehalten und sich einige Fragen stellen. Ist dieses Gemeindekonzept, das den Priestern so viele Aufgaben aufbürdet und sie tendenziell zu (ich weiß, böses Wort) Konsekrationsmaschinen macht, so noch haltbar? Werden Priester mit diesem Riesenwust an Aufgaben nicht gerade in Krankheit diverser Arten getrieben? Muss Kirche, wenn sie denn wirklich bei den Menschen ist und deren Stallgeruch anzunehmen bereit ist, nicht völlig anders und mit entschieden mehr Anteilen von Laien auf allen Ebenen gedacht werden? Ein weltlicher Arbeitgeber – Kirche ist deutlich mehr, aber eben auch Arbeitgeber – der seine Angestellten dermaßen verheizt, würde mit Fug und Recht in die Ecke gestellt.