Ein Junge in der Nachbarschaft geht demnächst zur Kommunion. Als er das in der Klasse mitteilt, bekommt er zu hören „Bist du verrückt, die haben Sex mit Kindern”. Leider wohnt diesem Satz einige Wahrheit inne: 3677 Missbrauchsfälle sind 3677 Missbrauchsfälle zu viel. Und auch jetzt scheint der Ernst der Lage bei nicht bei allen Leitungspersonen in der katholischen Kirche gesackt zu sein. Für diese Kirche kann ich mich angesichts dieser Missbrauchsfälle nur heftig schämen. Leute, die wie der Jesuit Klaus Mertes nichts weniger als eine Kopernikanische Wende fordern, sind leider noch immer die Ausnahme. Empörung ist berechtigt, gleichzeitig kann ein Blick auf andere Religionsgemeinschaften und gesellschaftliche Gruppierungen nicht schaden.
Starten wir bei einer großen Religionsmeinschaft, deren Stifter eine seiner Ehefrauen im Alter von 6 Jahren in seinen Haushalt aufnahm, als er selbst 49 war. Die Ehe vollzogen wurde mit dem Mädchen im Alter von 9 oder 10. Für mich hat das nicht nur ein Geschmäckle, sondern schon einen sehr derben Geschmack. Man könnte sagen Olle Kamellen, die Maßstäbe im 6. und 7. Jahrhundert waren andere und könnte zur Tagesordnung übergehen.
Ein aktueller Fall dazu aus einer Schule, die ich kenne. Ein Mädchen, dreizehnjährig, gleiche Religion wie der oben erwähnte Religionsstifter, taucht nach den Sommerferien nicht in ihrer Klasse auf. Sie besucht auch an keinem der folgenden Tage den Unterricht. Als die Schule bei den Eltern nachfragt, wird klar, dass das Mädchen mit deren Billigung zu ihrem Freund gezogen ist oder sich dort die meiste Zeit aufhält. Die Eltern schlagen vor, dass eine neue Schule gefunden werden soll, die sich näher am Wohnort des Freundes befindet. Wohlgemerkt, das Mädchen ist dreizehn.
Buddhisten galten bislang im Religionsvergleich häufig als die „Guten”. Dies ist nicht nur mit Blick auf die Verfolgung, Ermordung und Vertreibung vieler Rogingya aus Myan Mar unter einer buddhistisch geprägten Regierung inzwischen anders. Schwer wiegen auch die Vorwürfe, dass ranghohe buddhistische Geistliche wie Sogyal Rinpoche und Sakyong Mipham Kinder und Schutzbefohlene über Jahre sexuell missbraucht haben. Der als geistiges Oberhaupt der Buddhisten fungierende Dalai Lama redete sich – auf diese Vorwürfe angesprochen – etwas halbseiden heraus: Er hätte keine Stellung wie ein Papst.
Zum Schluss ein Blick auf ein nicht-religiöses Milieu, die hedonistische Linke. Beispiel Odenwaldschule: In der Zeit zwischen 1980 und 2010 geht die Frankfurter Rundschau davon aus, dass zwischen 50 und 130 Schülerinnen und Schüler sexuell missbraucht wurden. Die Schule, die inzwischen in Konkurs gegangen ist, verstand sich als Vertreterin einer Reformpädagogik. Das Zusammenleben und -wohnen von Schülern und Lehrern in getrennten Häusern schaffte für die Täter ideale Voraussetzungen, um sich an ihren Opfern zu vergreifen. Auch hier wurde lange abgestritten und abgewiegelt, bis es einigen Opfern mühevoll gelang, auf sich aufmerksam zu machen.
Beispiel Daniel Cohn-Bendit: Dieser hat Archiv-Material der Heinrich-Böll-Stiftung bis 2031 sperren lassen, aus denen seine im Buch „Der große Basar“ geäußerten pädophilen Phantasien hervorgehen. Dem französischen Fernsehen gegenüber hatte Cohn-Bendit geäußert: „Die Sexualität eines Kindes ist etwas Fantastisches. Man muss aufrichtig sein, seriös, mit den ganz Kleinen ist es etwas anderes, aber wenn ein kleines fünfjähriges Mädchen beginnt, sich auszuziehen: Es ist großartig, weil es ein Spiel ist. Ein wahnsinnig erotisches Spiel.“ Noch Fragen…?
Ein Vorschlag für den Umgang mit Missbrauchsfällen: Alle, die mit dem Finger auf andere Gruppen zeigen und Skandal rufen, verwenden 50 % ihrer dabei bereitwillig aufgebrachten Energie dazu, in ihren eigenen Gruppen jetzt endlich darauf zu achten, dass kein Kind, kein Schutzbefohlener mehr Opfer von sexuellem Missbrauch wird. Kein Kind, keine in irgendeinem Abhängigkeitsverhältnis befindliche Person hat es verdient, Sexualität mit dem Vorzeichen der Gewaltförmigkeit zu erleben.
Und meiner Kirche wünsche ich schließlich, dass sie die (mitunter überbewertete) Sexualität endlich wertschätzt und einen positiven Umgang mit ihr in ihren vielen Formen entfaltet. Als Zeichen, dass das ernst gemeint ist, darf sie auch gleich den Entzug der Hochschulleitung rückgängig machen, der sich in Frankfurt ereignet hat. Rom hat dem Jesuiten Ansgar Wucherpfennig, nachdem dieser entsprechend angeschwärzt wurde, die Leitung der Ordenshochschule entzogen. Grund: Wucherpfennig hatte sich positiv zum Thema Homosexualität und zur Segnung homosexueller Paare geäußert.
Ich hoffe sehr auf Lernfähigkeit und Erneuerung…
[Nachtrag 17.11.18: Inzwischen ist die Unbedenklichkeitserklärung (Nihil obstat) erteilt worden. Der Limburger Bischhof und der Jesuitenorden hatten die ganze Zeit zu P. Wucherpfennig gestanden – ein Zeichen der Hoffnung.]