Danke, Herr Draghi

Appeasement-Politik ist bislang eigentlich immer gründlich in die Hose gegangen. Dazu braucht einem nur Hitler und München 1938 einzufallen oder der Umgang mit Stalin in seiner kompletten Regierungszeit. Von daher hat es schon Aufsehen erregt, dass Mario Draghi am letzten Donnerstag Erdogan ausdrücklich einen „Diktator“ nannte. Das dieser Begriff ins Schwarze trifft, lässt sich leicht zeigen:

• Jede und jeder in der Türkei, der seine Alleinherrschaft in Frage stellt, kann darauf rechnen, als „Terrorist“ bezeichnet zu werden. So eine Zuschreibung macht dann auch vor einem ausgesprochen friedlichen und sanften Herrn Kavala nicht halt. Dass dieser sich nur für Menschenrechte, Kultur und Ausgleich einsetzt, ist völlig unerheblich.
• Wahlen sind nur in soweit zu beachten, wie sie in Erdogans Kalkül passen. Dass die Bürgermeisterwahl in Istanbul auch nach deren Wiederholung ein 2. Mal verloren ging, ist die die Regel bestätigende Ausnahme.
• Um die Ultranationalisten der MDP zu bezirzen, hat Erdogang kürzlich veranlasst, dass die Istanbul Convention zum Schutz von Frauenrechten verlassen wurde. Wenn in der Türkei es noch eines Beweises für den Sinn dieser Schutzkonvention bedurft hätte, hätte ein Blick auf die 470 im Jahr 2019 ermordeten Frauen gereicht. Patriarchale Empfindlichkeiten lassen aber eine solche Konvention nicht zu.
• Genauso willkürlich ist der Umgang mit den gewählten Parlamentsmitgliedern der HDP. Wenn sie nicht in Haft sind, wird ihnen die Ausübung ihres Abgeordnetenmandats in jeder Weise erschwert.
• Dass ein Erdogan trotz der rasanten wirtschaftlichen Talfahrt allen Ernstes von Weltraumflügen der Türkei schwadroniert, macht die Sache nur deutlicher: Diktatoren brauchen nationale Projekte, mit denen die kollektive Seele gebauchpinselt wird. Hitlers Berlin 1936 lässt grüßen.

Das alles macht eine waschechte Diktatur aus und aus dem Mann an der Spitze, Erdogan, einen „Diktator“. Danke, Herr Draghi, für die deutlichen Worte. Die Lage an der Scharnierstelle zwischen Europa und dem Nahen Osten sollte Herrn Erdogan keine Sonderrechte in der Einhaltung von Menschenrechts- und Demokratiestandards zubilligen.

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