Ich muss gestehen, August Diehl gehörte bislang nicht zu meinen Lieblingsschauspielern: irgendwie zu glatt sein ebenmäßiges Gesicht, die Rollen, die er spielte, blieben auch nicht im Gedächtnis pappen. Dass wird mir mit dem jüngsten Film, in dem er die Hauptrolle spielt, nicht passieren. Der von Terrence Malick – bekannt geworden durch Tree of life – gedrehte Film lässt ihn besonders in den zahlreichen Nahaufnahmen als einen bewegenden Charakterdarsteller erscheinen.
Worum geht es in diesem Film? Die katholische Kirche hat zwar wahrlich im 3. Reich keine Musterrolle abgegeben. Ihre Staatsferne hat aber – anders als bei den evangelischen Kirchen Deutschlands – unter dem Strich für eine größere Distanz zum Nazi-Reich gesorgt. Einige mutige Männer (Nikolaus Groß, Karl Leisner, Bernhard Lichtenberg, Rupert Mayer SJ, Maximilian Kolbe und Alfred Delp SJ) und Frauen (Edith Stein und Sophie Scholl) und eben der im Zentrum des Films stehende Franz Jägerstätter haben als Glaubenszeugen gegen den Nazi-Staat opponiert und dies mit dem Leben bezahlt. Was erzählt der Film über Franz Jägerstätter?
Schon die ersten Bilder entführen in eine idyllische Berglandschaft, in der die Grazer Alpen eine mal beeindruckende, mal drohende Kulisse schaffen. Franz liegt sorglos mit seiner Frau Fani auf einer Bergwiese und erfreut sich des Lebens. (Fani-Darstellerin Valerie Pachner steht übrigens kaum gegen August Diehl zurück.) Eine Rückblende zeigt, wie Franz mit einem Motorrad ins Dorf gelangt und bald bei einem Fest die junge Frau für sich gewinnen kann. In langen Passagen – der Film bringt es auf 174 Minuten – wird dann das weitere Leben entfaltet: Das eher beschwerliche Leben auf dem Bauernhof, die trotzdem unbeschwert heranwachsenden Töchter, die die Familie erweitern, eine Zeit beim Militär, in der Franz noch willig mit dem Bajonett Strohpuppen aufspießt. Erst beim Schwur auf dem Kasernenhof auf Adolf Hitler verweigert sich Jägerstätter, was aber zunächst ohne Folgen bleibt.
Als Hitlers Krieg beginnt, wird die Auseinandersetzung auch im fernen Dorf schärfer. Franz kann in das allgemein geäußerte Freund-Feind-Denken nicht einstimmen und wird in einer kriegsbejahenden Männerwelt zunehmend zum Außenseiter. Auch Prügel bleiben ihm nicht erspart. Weiter passiert aber zunächst einmal – nichts. Finanzielle Vergünstigungen, die Franz erhalten könnte, nimmt er aus Vorbehalten gegen den Nazi-Staat nicht an. Die Ablehnung der Familie im Dorf bekommen inzwischen auch die Frauen – die Schwester Fanis kommt hinzu – und Kinder zu spüren. Rückhalt dort erfährt der isolierte Franz beim Pfarrer (von Tobias Moretti gespielt), weniger beim Bischof, der klare Aussagen vermeidet. Den entschiedensten Beistand erfährt Franz aber in seiner Isolation durch seine Frau Fani: durch einen liebenden Blick oder eine zärtliche Geste.
Es kommt wie es kommen muss: 1943 wird Franz einberufen und kommt rasch, nachdem er den Militäreinsatz verweigert, in eine Festung gemeinsam mit gefangenen Italienern. Ihm wird ein ums andere Mal – nach einem Treueschwur auf Hitler – ein Dienst im Lazarett angeboten. Franz verweigert sich aber diesen Angeboten weiter standhaft. Das bleibt auch so, als er nach Berlin verlegt wird. Dort ist er sadistischen Wächtern ausgeliefert, die ihn aber nicht brechen können. Nur auf dem Postweg kann er Kontakt zur Familie wahren. Im Wechsel zeigt aber auch das Leben im Dorf für die Familie äußerste Ablehnung und Ausgrenzung.
Der Schlusspunkt ist erreicht, als Jägerstätter wegen Wehrkraftzersetzung vor Gericht gestellt wird. Der Richter (Bruno Ganz in seiner letzten Rolle) macht genauso wie Franz’ Verteidiger den Versuch, Jägerstätter noch einmal für den Lazarettdienst zu gewinnen. Auch als Fani begleitet vom Pfarrer ihn im Gefängnis besuchen kann, bleibt Franz unbeeindruckt und bleibt bei seiner Verweigerung. Das Ende ist damit klar: Franz wird mit einigen anderen Gefangenen nach Brandenburg verlegt und dort auf dem Schafott hingerichtet. Im Abspann erscheint in deutscher Übersetzung ein Text von George Eliot:
for the growing good of the world is partly dependent on unhistoric acts; and that things are not so ill with you and me as they might have been, is half owing to the number who lived faithfully a hidden life, and rest in unvisited tombs.
Im großen Räderwerk der Haupt- und Staatsaktionen hat Franz Jägerstätter tatsächlich wenig ausgerichtet. Das wird der Filmfigur immer wieder vorgehalten. Er bleibt aber über seinen Tod hinaus ein Beispiel dafür, dass einfache Leute mit ihrer lebenspraktisch begründeten Eintreten für das Gute überdauern und Vorbild sind. Die katholische Kirche hat diese Haltung gewürdigt, indem sie ihn im Jahre 2007 selig gesprochen hat.
Fazit: Ein Film, der die innere Dramatik der Hauptfiguren in seinen Nahaufnahmen glaubhaft einfängt und der auch bei Nebenrollen, Filmmusik und Sorgfalt der Kulissen punktet. (Leider trifft diese Sorgfalt nicht auf den Umgang mit allen historischen Fakten zu. Hier erlaubt sich Malick einige überflüssige Ungenauigkeiten.) Seine diskutable Länge rechtfertigt der Film eher dadurch, dass das fast übermenschliche Beharrungsvermögen von Franz Jägerstätter durch sein Aufgehobensein in Familie, Glauben und einer großartigen Landschaft beglaubigt werden muss. Das braucht Zeit. Mein Respekt an Terrence Malick, der ein für seinen Heimatmarkt USA vermutlich unverkäufliches Werk geschaffen hat.
Für Kölner: Der Film ist noch im Off Broadway, Zülpicher Straße zu sehen.