The Promise – Terry George-Spielfilm zum Armenier-Genozid

Der Genozid an den Armeniern von 1915 ist immer noch wenig bekannt. In der türkischen Community hier in Deutschland überwiegt die Haltung, diesen Völkermord gänzlich zu leugnen. Fatih Akin, Cem Özdemir oder der 2021 hier in Köln begrabene Dogan Akhanli sind rare Ausnahmen, die sich diesem bitteren Kapitel türkischer Geschichte gestellt haben. Dabei ist dieser Genozid für Hitler die Blaupause für die Shoah gewesen. Wenn 1,1 bis 1,5 Millionen ermordete Armenier nur ein laues Protestlüftchen erzeugen, dann wird auch ein Völkermord an den Juden weitgehend unbemerkt vollzogen werden können. Hitlers Kalkül ging nicht auf. Dem Erinnern an das Muster abliefernde Verbrechen zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist jedenfalls  immer noch nicht richtig genüge getan.

Möglicherweise kann ein populäres Format wie der Spielfilm The Promise ein wenig daran ändern. Der Film lief gestern bei arte. Er ist noch bis zum 18.1.2024 in der Mediathek zu sehen.

Er erzählt die Geschichte des Medizinstudenten Mikael, für den Konstantinopel / Istanbul all’ die Verlockungen und Sensationen bereit hält, die man auf dem Land entbehren muss. Er hat sich vor seinem Fortgang in die Stadt mit Maral verlobt. Diese Entscheidung bleibt nicht unangefochten, als er die kultivierte Ana kennenlernt. Dramatischer ist aber, dass sich die Türkei an der Seite Deutschlands nach wenigen Monaten am 1. Weltkrieg beteiligt. Die ersten Feinde für das Osmanische Reich sind unter diesen Umständen die christlichen Armenier, die zusammengetrieben und in die Wüste deportiert werden. Mikael wird – obwohl lange durch einen türkischen Mitstudenten protegiert – gefangen genommen und muss Sklavenarbeit verrichten.

Die Geschichte nimmt noch einige Wendungen, die hier nicht verraten werden. Sie mündet schließlich in die Erzählungen um den Musa Dagh. Dieser Berg in Küstennähe im Süd-Osten der heutigen Türkei wurde zum Rückzugsort einer Gruppe armenischer Männer, Frauen und Kinder, die Widerstand dem sicheren Tod vorzogen. Wie schon bei Franz Werfel in Die vierzig Tage des Musa Dagh beschrieben, kommt in größter Verzweiflung eine kleine Flotte französischer Kriegsschiffe den Bedrängten zur Hilfe.

Alles in allem ein bewegender Film mit guten Schauspielerinnen und Schauspielern.

Wer tiefer in das Thema einsteigen möchte, dem seien diese Medien empfohlen:
• Fatih Akin, The Cut, 2014
Aghet – Ein Völkermord (eine Doku-Fiktion), 2010
• Armin T. Wegner, Die Austreibung des armenischen Volkes in die Wüste, Wallstein-Verlag (eine ausführliche Version eines Lichtbild-Vortrags von 1919), 2011

 

Näher, mein Woelki, zu dir

Woelki geht also einen Schritt weiter darin, Priester für die Diözese nicht länger an der Bonner Uni und ihrem bewährten theologischen Seminar ausbilden zu lassen. Er will die Ausbildung der Priesteramtskandidaten näher unter seine Fuchtel an die Kölner KHKT holen. (KStA 15.12.23) Dass Woelki ausgerechnet Kostengründe für diesen Schritt anführt („Aufhebung der personal- und kostenintensiven Doppelstrukturen”), ist eher lächerlich. Seine Rechtsberatung, die Kosten für viele Aufhebungsverträge (beim wievielten Pressesprecher sind wir eigentlich?) und die KHKT insgesamt haben schon viele Millionen Kirchensteuerbeträge weitgehend nutzlos vergeudet.

Dass der Priesterrat und die Laienvertretung im Erzbistum dieser Verlagerung der Priesterausbildung widersprechen? Nebbich, einen Woelki juckt so etwas nicht. Bliebe abzuwarten, ob Woelkis Schritt dem geltenden Konkordatsvertrag* standhält. Eine Art Normenkontrollklage könnte sich meiner und sicher vieler anderer Unterstützung sicher sein.

Koinzidenz der Ereignisse: Gerade melden die Nachrichten, dass ein anderer Potentat, in diesem Fall ist es Herr Erdogan, bei der Kontrolle der Imame die Leine ein wenig lockerer lässt. Die längst überfällige Verlagerung der Ausbildung der Imame nach Deutschland findet endlich statt. Schon merkwürdig, dass man einem Herrn Woelki Herrn Erdogan in diesem winzigen Detail als Vorbild vorhalten muss…

*Das Konkordat regelt das Verhältnis von Staat und Kirche. Es ist mehr als blamabel, dass das für Deutschland gültige Konkordat am 20. Juli 1933, also unter den Nazis, abgeschlossen wurde. In diesem Fall lässt sich aber sogar dem Konkordat etwas Positives abgewinnen: Es verlangt wissenschaftliche Standards bei der Ausbildung von Geistlichen. Diese sind an der Uni Bonn durch den Diskurs innerhalb der Falkultäten deutlich besser gegeben als an der KHKT.

Stoppen Sie die Moskauer Brandstifter

Am Freitag, 8.12.23, fand ich im Tagesspiegel diesen deutlichen und auch von mir unterzeichneten Aufruf. Besser lesbar ist er hier. Statt allgemein Versäumnisse in der Vergangenheit in der Haltung zu Russland einzuräumen, wie es Herr Mützenich kürzlich tat, würde ich mir eine handfeste und tätige Korrektur dieser Haltung wünschen.

Synagogen, die den 9. November 1938 überdauert haben

Erinnerungskultur an die Shoah wird in den nächsten Jahren andere Formen annehmen, wenn die letzten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen dieses Verbrechens tot sind. Wir werden dann vermutlich vermehrt auf die steinernen Zeugnisse sehen, die Jüdischsein in Deutschland dokumentieren.

Eine kuriose Entdeckung habe ich letztens beim Wandern in Edesheim (südlich von Neustadt und Edeskoben) gemacht. Dort waren bereits 1931 nicht mehr die 10 Männer verfügbar, die für einen jüdischen Gottesdienst benötigt werden. Die Synagoge wurde daher aufgegeben, eine Weile wurde nur noch das Obergeschoss als Betraum genutzt. Die Nazis ließen daher das Gebäude am 9.11.38 – ähnlich wie in Deidesheim – unversehrt. (In Deidesheim hatte ein Winzer Gerätschaften in der ehemaligen Synagoge abgestellt und konnte die Brandstifter in der Reichsprogromnacht vom Zündeln abhalten.)

Zurück nach Edesheim: Dort hat die ehemalige Synagoge in den 80er und 90er Jahren als Puff gedient. Wie ein solches Etablissement aussieht, konnte ich selbst einmal betrachten, nachdem mich der Nachbar und neue Besitzer (ab 2002) zu einem Rundgang einlud. Schön wäre es, wenn dieser immer noch besondere Raum in Zukunft ähnlich wie in Deidesheim  für Veranstaltungen oder als kleines Museum genutzt werden könnte. In Deidesheim hat sich dazu ein Freundeskreis der ehemaligen Synagoge gebildet.

Singen und Saufen – Shane MacGowan

Schon der zweite Künstler aus Irland, der in diesem Jahr vorzeitig verstorben ist. Es war für mich mehr als bei Sinéad O’Connor absehbar, dass Shane MacGowan kein langes Leben mehr beschieden sein würde. Der Film „Shane” (2020) zeigte ihn im Rollstuhl und mit wenig artikuliertem Sprechen. Wer sich andererseits vergegenwärtigt, dass die Schriftsteller George Bernhard Shaw und Brendan Behan oder der Rockgitarrist Rory Gallagher mit Alkoholismus kämpften, wird Shanes Sucht für weniger singulär halten. (Auch in „Angela’s Ashes” von Frank McCourt ist mir ein Vater in Erinnerung, dem Guiness das Essen ersetzte.)

Wir würden Shane MacGowan aber Unrecht tun, wenn wir vorwiegend auf seinen Suff starren würden. Er hat zusammen mit den Pogues den Nachweis geführt, dass Punk und irische Folklore zusammen gehen können. Viele Balladen wie „A Pair of Brown Eyes”, „A Rainy Night In Soho” oder „Fairytale of New York” werden ihn überdauern und zum Soundtrack von Irischsein in Irland und in der Diaspora beitragen. Vielleicht ist er ein wenig mit Tom Waits vergleichbar, der auch das Leben aus der Perspektive der Underdogs betrachtete. R.I.P., Shane.

PS: Ein Nachruf der Irish Times

Der Schnäuzer ist (wieder) da

Nein, nicht einmal einem Scholz ist zuzumuten, sich mit diesem „Diktator“ (Draghi, 8.4.2021) treffen zu müssen. Dieser Erdogan-…Mensch steht für eine Türkei, die zumindest vom Einflussbereich her nahtlos an ein Osmanisches Reich anknüpfen möchte, und die gleichzeitig im eigenen Land für Unterdrückung, Missachtung von Menschenrechten und wirtschaftlichen Niedergang steht. Diesem Mann muss man bei allem nötigen Pragmatismus nicht den Hof machen.

Wer noch Zweifel hat, wes Geistes Kind die offizielle Türkei ist, wird durch einen Vorgang aus einer Ditib geleiteten Moschee in Köln-Chorweiler belehrt. Dort durfte ein Taliban-Vertreter aus Afghanistan in den letzten Tagen für Unterstützung der Taliban werben. Diese Handlung fällt letztlich zurück auf den türkischen Staat, der via der staatlichen Religionsbehörde Diyanet die Ditib in Deutschland steuert.

Staatliche menschenfeindliche Politik der Türkei zur Kenntlichkeit verändert…

Frieden in Israel / Palästina

Seit 1948 haben die häufig gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Juden und Palästinsern nur kurzfristig ausgesetzt: Ein Land zwei mal unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu versprechen (Balfour-Deklaration) und der Gegensatz zwischen den Rechten angestammter Bewohner und einer Heimstatt für Juden jenseits aller Verfolgungen barg einen fatalen Spaltpilz in der Region in sich.

75 Jahre später stellt sich das Problem noch immer: Wie können Jüdinnen und Juden (neben Drusen und anderen arabischen Israelis) Seite an Seite mit Palästinerserinnen und Palästinensern gemeinsam auf engem Raum, womöglich sogar sich wechselseitig befruchtend, leben? Bislang haben die Hau-draufs die Oberhand und ein Netanjahu – auf israelischer Seite – ist schon den demokratisch gesonnenen Israelis ein Greuel. Auch die Siedler-Bewegung, von Netanjahu und Konsorten ermutigt und keineswegs auf Gesetze verpflichtet, treibt ein böses Spiel. Ohne eine Einhegung dieser Konflikte von beiden Seiten – Israelis wie Palästinensern – wird nichts, was den Namen Frieden verdient, im Nahen Osten möglich werden.

Dazu ein Kommentar aus Dagens Nyheter (Quelle: FAZ, 8.11.23):
Israel wird oft Kolonialismus vorgeworfen. Der Gazastreifen ist nicht 'kolonisiert', er wird von der Hamas kontrolliert und benutzt, um den jüdischen Staat mit Terror anzugreifen. Doch Israels Vorgehen im Westjordanland, dem anderen palästinensichen Gebiet, lässt sich von den Feinden des Landes leichter nutzen, um Tel Aviv Kolonialismus vorzuwerfen. Und es macht es uns Freunden Israels bedeutend schwerer, sein Vorgehen zu verteidigen. Israelische Siedler vertreiben Palästinenser von Land, auf dem sie seit Generationen leben. Nach UN-Angaben sind seit den Terrorangriffen der Hamas am 7. Oktober mindestens 132 Palästinenser im Westjordanland durch israelische Truppen oder Siedler getötet worden. Im Durchschnitt gibt es sieben Angriffe durch Siedler pro Tag. Ein guter Freund ist einer, der ausspricht, wenn sich jemand verwerflich verhält, und der nicht so tut, als sei nichts geschehen. Die Gewalt und der Landraub durch Siedler im Westjordanland und Israels stillschweigende oder sogar aktive Unterstützung müssen aufhören.

Schweigemarsch zur Synagoge in Köln

Auch ohne den barbarischen Überfall der Hamas auf Israel am 7.10. ballt sich um den 9.11. herum das Gedenken an Verschiedenes mit Bezug zum Thema Judentum. In diesem Umfeld, zu dem am 9.11. die Erinnerung an die Reichsprogromnacht gehört, riefen an diesem Dienstag die christlichen Kirchen in Köln zu einem Schweigemarsch vom Roncalli-Platz zur Synagoge an der Roonstraße auf. Hier stand der jüngste Überfall im Gaza-Streifen im Mittelpunkt. Etwa 2.500 Menschen folgten dem Aufruf und setzten in der Kölner Stadtgesellschaft ein Zeichen gegen Antisemitismus.

Gerade wenn andere gesellschaftliche Gruppierungen wie die Linke oder feministische Kreise beim Thema „Israel” häufig schnell zur Tagesordnung übergehen wollen, ist es ein gutes Zeichen, dass Kirchen ein wenig von ihrer zivilgesellschaftlichen Rolle wieder entdecken. Sie ist über den noch immer schwelenden Missbrauchsskandal reichlich in den Hintergrund gerückt. Andererseits könnten Kirchen mit dem längeren Zeithorizont ein gutes Gegengewicht gegen falsche tagespolitische Zuspitzungen spielen.

Was ist zu melden? Robert Kleine gab zu Beginn der Veranstaltung einige klare und deutliche Gedanken zum Anlass zu Gehör. Zügig setzte sich dann der Schweigegang in Bewegung und führte an der 1938 zerstörten Synagoge von 1861 in der Glockengasse vorbei.

Es wäre schön, wenn bei anderen Gelegenheiten dieser Art mehr jüngere Kölnerinnen und Kölner auf die Straße fänden. Ich fühle mich auch mit jüngeren Menschen wohl…

Auto laut Pimmel klein

Männer der Levante: Es gibt doch überzeugendere Möglichkeiten, Männlichkeit zu zeigen als hochmotorisiert durch die Gegend zu brettern – oder…
Männer der Levante: selbst- und fremdgefährdend durch die Straßen zu brettern ist nicht männlich …
auch deutsche Kartoffeln sind nicht gegen Raserirrsinn gefeit. Interessant diese Innensicht von SZ-Autor Philipp Mausshardt: Die Lebensbeichte eines Rasers

Der PiS(s) kann weg…

Alle, denen Demokratie, Menschenrechte und Gerechtigkeit am Herzen liegen, dürfen seit dem 15.10. aufatmen: Auch wenn die PiS, geführt von Kaczynski weiter stärkste Kraft ist, hat ein Wahlbündnis um die Partei von Donald Tusk in Polen ausreichend Stimmen gewonnen. Diese Parteien können nun die nächste Regierung bilden. Dies gilt selbst dann, wenn Präsident Duda noch auf eine zeitliche Verzögerung setzt.

Damit haben Homophobie, die schleichende Umwandlung von Polen in einen autoritären Staat, wenn nicht in eine Diktatur und ein total verkürztes und entstelltes Pseudo-Christentum ausgedient. Auch der Versuch, anti-deutsche Ressentiments zu befeuern und in Stimmen für die PiS umzumünzen, hat nicht gefruchtet.

Nachschrift 10.11.: Erfreulich, dass heute trotz des Störfeuers von Präsident Duda die Parteien um Tusk Schritte unternehmen, um eine polnische Regierung nach Mehrheitsmeinung und nicht nach Gusto von Duda oder Kaczynski zu bilden.