Lob der Sechziger Jahre

für Stephan (*1960 †2018)

Während in den 50er Jahren – ich bin selbst in deren Mitte geboren – noch eine gewisse Piefigkeit und Enge vorherrschten, waren die 60er Jahre auf breiter Front ein Jahrzehnt der Erneuerung und eines großen Optimismus. Selbst die Kuba-Krise im Oktober 1962 konnte daran nichts ändern. Der drohende Atomkrieg wurde in letzter Minute verhindert. (Kriegen Sie auch Schweißausbrüche bei der Vorstellung, wie der aktuelle US-Präsident diese vermutlich eben nicht gemanaget hätte?)

Kinder & mehr

Dieser Optimismus war zum Beispiel daran sichtbar, dass die Hiesigen mit einer Unbekümmertheit Kinder kriegten, die seitdem nicht wieder erreicht wurde. Der Familiengründung wurde kein fünftes Whiskey Tasting oder die Flugreise auf die Malediven vorgezogen. Gleichzeitig war es aber zunehmend akzeptiert, dass Pille oder Kondom zur Familienplanung genutzt wurden. Frauen wurde endlich gestattet, ein eigenes Konto zu eröffnen (1962) oder erhielten die Geschäftsfähigkeit (1969) – aus heutiger Sicht kaum zu glaubende Anachronismen. Dass auch Mütter berufstätig wurden wie bei uns, half nicht nur das Haushaltseinkommen zu vergrößern, sondern tarierte auch die Partnerschaft besser aus.
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mayday – mayday … but no May day

Man fragt sich: Warum tut sich die Frau das an? Als Remainer die Aufgabe zu schultern, den von Boris Johnson, Nigel Farrage und Co losgetreteten Brexit in ausführbare Politik umzusetzen. Ein 6-stündiges Kabinettsmarathon durchzustehen und dann vor der Kamera eine Erklärung abzugeben, die den Bruch nur notdürftig überdeckt. Die Erfahrung zu machen, dass wichtige Mitarbeiter im halben Dutzend von der Fahne gehen. Und ständig im Nacken zu haben, das ein Misstrauensvotum oder Neuwahlen bevorstehen könnten.

Nein, Theresa May ist um ihren Job nicht zu beneiden. Auch die zur Schau gestellte Zuversicht (strong and stable in Endlosschleife) hatte die Wähler bei den vorgezogenen Wahlen nicht überzeugt. Und jetzt steht noch die vermutlich unlösbare Aufgabe bevor, das Brexit-Vertragswerk durch das Parlament zu boxen.

Die Alternative: ein unkontrollierter Brexit mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Verwerfungen. Die Pille, die noch das ganze UK schlucken muss, ist dabei noch gar nicht mitgerechnet: British Empire 2.0 wird es nicht geben. Bis Handelsverträge mit möglichen Partnern abgeschlossen werden könnten, werden Jahre ins Land gehen. Sollte Großbritannien auf Lohndumping setzen, werden die Arbeiter nicht mitspielen. Und die EU wird es nicht zulassen, dass ein unlauterer Wettbewerber vor ihrer Haustür startet.

Auch die Spannungen im eigenen Land (Nord-Irland, Schottland) tragen nicht dazu bei, dass in den nächsten Monaten ein himmlischer Frieden ausbrechen und May ruhig schlafen könnte. Es wäre nicht verwunderlich, wenn in einigen Jahren das ganze Vereinigte Königreich tatsächlich den Notruf mayday absetzen müsste. An May wird man sich dann ungefähr so lebhaft erinnern wie an Edward Heath oder John Mayor.